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In der Tat, Donald Trump hat mit seinem Verhalten die Demokraten in ein Dilemma ohne gute Handlungsoptionen gebracht: egal, wie die Sache ausgeht, Trump geht als Gewinner hervor. Für die Demokraten ist das Amtsenthebungsverfahren politisch also hoch riskant. Eine ernüchternde Erkenntnis. Nichtsdestotrotz haben die Demokraten keine Alternative: nur wenn sie den Beweis erbringen, dass das demokratische System mitsamt seinen Prinzipien und Institutionen funktioniert, haben sie die Chance, das Vertrauen in die Demokratie und ihre Repräsentanten trotz eines hoch polarisierten Umfelds wieder herzustellen.
Gordon Sondland, US-Botschafter bei der Europäischen Union, hat Donald Trump und dessen engste Vertraute im Rahmen seiner Befragung schwer belastet. Das aber ändert nichts daran, dass ein Scheitern des Amtsenthebungsverfahrens noch immer sehr wahrscheinlich ist. Sollte es zu einer finalen Abstimmung im Senat kommen, ist nicht zu erwarten, dass 20 republikanischen Senatoren sich gegen Trump aussprechen. Dies aber wäre nötig, um die nötige Zweidrittel-Mehrheit zu erreichen. Doch die Republikaner stehen nahezu geschlossen hinter Trump.
Egal, an welchem Punkt das Verfahren letztlich scheitert - Trump wird daraus Kapital für den anstehenden Wahlkampf ziehen. Er wird sich als Opfer einer Hexenjagd darstellen. Sollte Trump dieses Narrativ für sich nutzen können und die Präsidentschaftswahlen nächstes Jahr gewinnen, dürften viele Demokraten das Amtsenthebungsverfahren bereuen.
Kein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten, war schlicht nicht länger eine Option. Es hätte bedeutet, Trumps Verhalten zu tolerieren.
Und doch - kein Amtsenthebungsverfahren einzuleiten, war schlicht nicht länger eine Option. Es hätte bedeutet, Trumps Verhalten zu tolerieren, sowohl seine mutmaßliche Forderung von Gegenleistungen gegenüber Partnern wie der Ukraine als auch seine mutmaßliche Einschüchterung eigener Mitarbeiter und Diplomaten wie Marie Yovanovitch, ehemalige US-Botschafterin in der Ukraine. Innerhalb der Demokratischen Partei hätte der Verzicht auf ein Amtsenthebungsverfahren für weitere Spannungen gesorgt, werfen doch einige Abgeordnete ihren moderaten Kolleginnen und Kollegen schon länger vor, nicht tatkräftig genug gegen Trump vorzugehen.
Es hatte sehr lange gedauert, bis diese Mehrheit in den Reihen der Demokraten hergestellt war. Zwar forderten im Zuge der Russland-Affäre und des Mueller-Berichts einige demokratische Abgeordnete bereits seit Beginn der Präsidentschaft von Trump ein Amtsenthebungsverfahren. Der Großteil der Demokraten hatte dies jedoch abgelehnt – angesichts der republikanischen Mehrheit im Senat wäre ein Verfahren einem politischen Selbstmord gleichgekommen. Erst die Ukraine-Affäre hat diese Einschätzung grundlegend geändert.
Warum ist ein Amtsenthebungsverfahren nun plötzlich die bessere Option, obwohl sich an den Erfolgsaussichten bei der Abstimmung im Senat nichts geändert hat?
Das Amtsenthebungsverfahren ist ein politisches Verfahren. Es gilt weniger die Abgeordneten als die Öffentlichkeit von der Schuld des Präsidenten zu überzeugen.
Eine offensichtliche Erklärung wäre die geänderte Faktenlage. Anders als bei der Russland-Affäre scheint die Beweislast dieses Mal schwerer und das Fehlverhalten von Trump eindeutiger. Allein die Fakten dürften jedoch keine Rolle gespielt haben: Das Amtsenthebungsverfahren ist ein politisches Verfahren. Zwar muss zunächst eine ausreichende Beweislage geschaffen werden, dann gilt es aber weniger die Abgeordneten als die Öffentlichkeit von der Schuld des Präsidenten zu überzeugen. Welche Abgeordneten würden schließlich für eine Amtsenthebung stimmen, wenn ihre Wählerinnen und Wähler sie dafür bei der nächsten Wahl abstrafen würden?
Diese Fragen dürften sich viele Republikaner stellen, nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass Fakten in der US-Öffentlichkeit noch nie so stark hinterfragt wurden wie derzeit. Trump selbst hat dazu einen großen Beitrag geleistet. Statt um Fakten wird um die Deutungshoheit gekämpft, sei es bei Besucherzahlen (Amtseinführung), ökonomischen Kerndaten (Außenhandelsbilanz) oder bei diplomatischen Gesprächen (Ukraine-Affäre).
Entsprechend ist nicht damit zu rechnen, dass die Fakten der Ukraine-Affäre ausreichen, um es für mindestens 20 republikanische Senatoren politisch attraktiv zu machen, von der Parteilinie abzuweichen und sich gegen Trump zu stellen. Aktuelle Umfragen zeigen zwar eine deutliche Veränderung der öffentlichen Meinung mit Bekanntwerden der Ukraine-Affäre. Doch bilden sie weiterhin die parteilichen Gegensätze ab: vor der Ukraine-Affäre sprachen sich nur etwa 36 Prozent der Befragten für und circa 54 Prozent gegen den Beginn eines Amtsenthebungsverfahren aus, mit Beginn der Ukraine-Affäre sind im Schnitt etwa 51 Prozent dafür und etwa 43 Prozent gegen.
Die Demokraten müssen daher den Kampf um die Deutungshoheit gewinnen. Sie hoffen auf Erfolge, indem sie sich als Verteidiger der verfassungsmäßigen Gewaltenteilung präsentieren.
Zwar zeigt ein Blick in die Geschichte, dass auch bei dem Amtsenthebungsverfahren gegen Richard Nixon die Republikaner lange Zeit geschlossen zu ihrem Präsidenten hielten. Das Blatt wendete sich damals, als die Unterstützung für Nixon in der Bevölkerung zunehmend sank. Erst als sie sich sicher waren, ihre Wiederwahl nicht zu riskieren, waren sie bereit, sich gegen ihren Präsidenten zu stellen. Davon ist aktuell bei den Republikanern jedoch nichts zu sehen.
Die Demokraten müssen daher den Kampf um die Deutungshoheit gewinnen. Sie hoffen auf Erfolge, indem sie sich als Verteidiger der verfassungsmäßigen Gewaltenteilung präsentieren. So betont nicht nur Nancy Pelosi, Sprecherin des Hauses, dass die Demokraten das Amtsenthebungsverfahren nicht aus parteipolitischem Interesse verfolgen, sondern im nationalen Interesse der USA: der Verfassung verpflichtet, müsse der Kongress seine demokratische Aufgabe wahrnehmen und die Exekutive bei möglichen Verstößen kontrollieren.
So könnten sie ein Verhalten in Grenzen weisen, das auch bei vielen republikanischen Wählerinnen und Wählern als moralisch fragwürdig gilt. Die Demokraten setzen darauf, die Wählerschaft im Zuge der öffentlichen Anhörungen überzeugen zu können, so dass schließlich republikanische Abgeordnete bereit sind, von Trumps Linie abzuweichen.
Die Demokraten müssen glaubhaft versichern, dass es ihnen in der Auseinandersetzung mit Trump nicht um Parteipolitik, sondern um Gewaltenteilung, demokratische Institutionen und nationale Interessen geht.
Doch unabhängig vom Ausgang der Befragung und des Verfahrens geht es um weitaus mehr als die nächsten Wahlen. Die Demokratische Partei sieht sich mit einer zunehmenden Polarisierung der US-Gesellschaft und einer steigenden Unzufriedenheit mit dem politischen ‚Establishment’ konfrontiert. Im Kampf gegen die weitverbreiteten Zweifel an Fakten, rechtsstaatlichen Prinzipien und demokratischen Ideen gilt es zu zeigen, dass Abgeordnete demokratische Prozesse ernst nehmen und diese auch funktionieren.
Das Amtsenthebungsverfahren gibt den Demokraten die Chance, diesen Beweis zu erbringen. Dafür müssen sie glaubhaft versichern, dass es ihnen in der Auseinandersetzung mit Trump nicht um Parteipolitik, sondern um den verfassungsmäßigen Schutz der Gewaltenteilung, demokratischer Institutionen und nationaler Interessen geht. Was wäre ein besserer Beweis dafür als ein Amtsenthebungsverfahren im Namen der Nation, das die eigene Wiederwahl und eine potenzielle demokratische Präsidentschaft gar gefährdet?
Wie bewusst die Demokraten diese Überlegung angestellt haben, ist dabei eher nebensächlich. Vielleicht kann das Amtsenthebungsverfahren am Ende trotzdem erfolgreich sein – nicht gegen Trump, aber im Kampf gegen die zunehmende Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft. Denn was könnte besser gegen Populisten helfen, als das überzeugte Handeln gewählter Repräsentanten im Sinne demokratischer Grundwerte? Dass das Verfahren kein Kinderspiel wird, liegt auf der Hand. Aber vielleicht gelingt es, neue politische Handlungsoptionen zu eröffnen. Eine idealistische Hoffnung, gewiss. Eine Portion mutiger Idealismus aber kann in Zeiten von Polarisierung und Populismus wahrlich nicht schaden.
Lesen Sie in der Debatte auch Markus Kaim: “Der Fluch der guten Tat – Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump wird scheitern. Bescheren die Demokraten ihm damit eine zweite Amtszeit?”