Zum Ende der deutschen Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) krachte es noch einmal. Russland und China reagierten scharf auf die Kritik des deutschen UN-Botschafters Christoph Heusgen an deren Haltung zur humanitären Hilfe in Syrien. Als Heusgen in seiner letzten Rede im Sicherheitsrat die Freilassung von zwei Kanadiern forderte, die in China inhaftiert sind, konterte der chinesische Vertreter: „Gut, dass wir Sie los sind!“. Bei vielen Beobachtern blieb dieser Abgang hängen. Er stand auch für die Ernüchterung über die zunehmend verfahrenen Positionen im Sicherheitsrat, vor allem unter dessen fünf ständigen Mitgliedern. Gleichwohl hat die deutsche Diplomatie bei wichtigen Fragen des Krisenmanagements Akzente gesetzt, Konsens generiert und sich Respekt erarbeitet. Nach Ende der Mitgliedschaft muss Deutschland daran anknüpfen.

Als Deutschland im Januar 2019 seinen Sitz im Sicherheitsrat einnahm, bestand durchaus die Erwartung, das neu gewählte Mitglied könne als „Brückenbauer“ in dem gespaltenen Gremium fungieren. Und auch die eigenen Ansprüche lasen sich ambitioniert. Nicht weniger als die Stärkung von Krisenprävention und Fortschritte bei Abrüstung, dem Schutz von Frauen in Konflikten sowie bei der Behandlung friedens- und sicherheitspolitischer Folgen des Klimawandels hatte man sich für die zwei Jahre im Sicherheitsrat vorgenommen. Diese Agenda traf auf eine Gemengelage von Großmachtrivalitäten und geopolitischen Manövern der fünf ständigen Mitglieder und einer teilweise destruktiven UN-Politik der Trump-Administration. Mit der Covid-19-Pandemie wurde ab Anfang 2020 nicht nur die Arbeitsweise des Rates erschwert; auch die Stimmung verschärfte sich noch einmal – vor allem zwischen den USA und China.

Im Rückblick stand wohl kaum eine der deutschen Mitgliedschaften im Sicherheitsrat unter ähnlich schwierigen Vorzeichen. Echte Fortschritte bei dringend erforderlichen Reformen des Rates selbst blieben erwartungsgemäß aus. Aber auch die thematischen Vorstöße unter den zwei deutschen Vorsitzen im April 2019 und im Juli 2020 konnten in der Sache nur wenig bewegen. Eine Resolution zu sexueller Gewalt in Konflikten kam zustande, aber war inhaltlich beinahe ein Rückschritt gegenüber bereits Vorhandenem. Eine Resolution zum Klimawandel als potenziellem Konflikttreiber scheiterte vor allem am Widerstand der USA. Deutschland bemühte sich – wie andere nicht ständige Mitglieder – lange um eine angemessene Reaktion des Sicherheitsrates auf die Covid-19-Pandemie. Eine Resolution hierzu kam letztlich erst – nach langem Ringen – im Juli 2020 unter deutschem Vorsitz zustande.

Mehr Raum als die Querschnittsthemen nimmt allerdings das von Krisen und Gewaltkonflikten geprägte Tagesgeschäft des Sicherheitsrates ein. Laufend werden Resolutionen verhandelt – unter anderem über die Verlängerung von UN-Friedenseinsätzen und -Sanktionen. Auch der Großteil der 109 Resolutionen, die 2019 und 2020 – trotz aller Einschränkungen – verabschiedet wurden, fällt in diesen Bereich. Die Stärkung von krisenpräventivem Handeln ließ sich dabei kaum umsetzen. Die deutsche Diplomatie konnte aber wichtige Beiträge im Krisenmanagement leisten, vor allem dort, wo sie gemeinsam mit je einem weiteren Mitglied des Rates als „Penholder“ fungierte – eine Position, die meist ständigen Mitgliedern vorbehalten ist und das Ausarbeiten von Resolutionen einschließt. Deutschland übernahm eine solche Co-Penholder-Funktion in Sachen Afghanistan, Sudan/Darfur, Libyen/Sanktionen und Syrien/Humanitäres.

Gleichwohl hat die deutsche Diplomatie bei wichtigen Fragen des Krisenmanagements Akzente gesetzt, Konsens generiert und sich Respekt erarbeitet.

Besonders bei den Portfolios zu Darfur und Libyen, wo Deutschland gemeinsam mit Großbritannien Penholder war, konnte man Akzente setzen. Viele Beobachter schreiben dem deutsch-britischen Tandem eine umsichtige Begleitung des Abzugs der Blauhelmmission UNAMID aus der langjährigen sudanesischen Unruheprovinz Darfur zu. Während einige Vetomächte auf den vollständigen Abzug der Mission bis Juni 2020 pochten, sorgte Deutschland gemeinsam mit Großbritannien für ein Vorgehen, das sich vorrangig an der Sicherheitslage im Land orientierte. Ein echter Erfolg war dann die Schaffung der Folgemission UNITAMS zur Unterstützung der demokratischen Transition im Sudan, der einzigen 2020 neu mandatierten UN-Mission.

Bei den Friedensbemühungen in Libyen waren die Ergebnisse deutlich bescheidener. Zumindest endete die von Deutschland initiierte Berlin-Konferenz im Januar 2020 mit gemeinsamen Schlussfolgerungen der teilnehmenden Staaten und Organisationen, die letztlich in einer Resolution durch den Sicherheitsrat gebilligt wurden. Zudem verlängerte der Sicherheitsrat die Autorisierung der Überwachung des UN-Waffenembargos auf hoher See vor der Küste Libyens – wie im deutschen Resolutionsentwurf vorgesehen – um zwölf Monate. Embargoverstöße über den Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates zu Libyen zu ahnden, dem Deutschland in den letzten zwei Jahren vorsaß, war dagegen nicht möglich. Allerdings konnte Ende 2020 unter Vermittlung der UN eine Waffenruhe zwischen den libyschen Akteuren vereinbart werden, die – auch wenn (noch) brüchig – den Weg zu einer politischen Lösung ebnen könnte.

In anderen Fällen ging es vor allem darum, Schlimmeres zu verhindern – so im Falle der grenzüberschreitenden UN-Hilfsprogramme für Syrien, die humanitäre Hilfe in Gebieten ermöglicht, die nicht unter Regierungskontrolle stehen. Seit Anfang 2020 können UN-Agenturen auf Betreiben Russlands nur noch zwei Grenzübergänge an der türkisch-syrischen Grenze nutzen. Die entsprechende Autorisierung lief zudem im Juli 2020 aus. Belgien und Deutschland als gemeinsame Penholder drangen darauf, mindestens zwei Grenzübergänge für die UN-Agenturen offenzuhalten. Dass letztlich nur die Nutzung des Grenzübergangs Bab al-Hawa autorisiert wurde, war ein schmerzlicher Kompromiss. Ein komplettes Scheitern der Verlängerung, das Russland bereit war, in Kauf zu nehmen, hätte jedoch katastrophale humanitäre Auswirkungen für die Zivilbevölkerung in den betroffenen Gebieten gehabt.

Der weiterhin angestrebte permanente Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat wird sich in absehbarer Zeit nicht verwirklichen lassen. Eine erneute Kandidatur als nicht ständiges Mitglied ist in acht Jahren vorgesehen. Gleichzeitig wird im Rat einiges aus der deutschen Mitgliedschaft weiterwirken. So muss er sich nach der Covid-19-Resolution weiter regelmäßig mit der Bekämpfung der Pandemie im Kontext bewaffneter Konflikte und humanitärer Krisen auseinandersetzen. Für die Behandlung von Klimawandel als Konflikttreiber ist immerhin eine Tür geöffnet worden, zumal eine deutliche Mehrheit der Mitglieder mobilisiert und eine informelle Expertengruppe eingesetzt wurde.

Bei den Friedensbemühungen in Libyen waren die Ergebnisse deutlich bescheidener.

Auch für die deutsche UN-Politik und das deutsche Krisenmanagement bieten die letzten zwei Jahre im Sicherheitsrat diverse Anknüpfungsmöglichkeiten. Zunächst wäre die deutsche Diplomatie gut beraten, zentrale Themen der Sicherheitsratsmitgliedschaft außerhalb des Rates weiterzuverfolgen. So wird der Nexus zwischen Klima und Konflikten auch für das deutsche Engagement im Peacebuilding – etwa als Mitglied der Peacebuilding Commission oder größter Geber des Peacebuilding Funds – relevant sein. Um zentrale Querschnittsthemen im multilateralen Kontext voranzutreiben, könnte die Allianz für Multilateralismus stärker genutzt werden. Initiativen müssen dabei inhaltlich konkret und entsprechend finanziell unterlegt sein.

Gerade bei den Friedensbemühungen im Sudan und in Libyen kann Deutschland Formate und Instrumente nutzen, die nicht an den Sicherheitsrat gekoppelt sind, auch wenn sie dessen Arbeit flankieren. So hat Deutschland die bilateralen Beziehungen zum Sudan in den letzten Jahren intensiviert, ist wichtiger Geber und hat bereits signalisiert, die neue Mission UNITAMS personell und finanziell zu unterstützen. Für eine Festigung der Waffenruhe und eine tragfähige Konfliktlösung in Libyen wird neben der Rolle Russlands und der Türkei wichtig sein, dass die EU-Staaten an einem Strang ziehen.

Deutschland wirkte zumindest mit Frankreich und Italien darauf hin, dass im September und Oktober 2020 Sanktionen der EU gegen Unternehmen und Personen erlassen wurden, die für die Verletzung des UN-Waffenembargos für Libyen verantwortlich gemacht werden. Auch das deutsche Engagement in Afghanistan – im Kontext des NATO-Einsatzes oder der Unterstützung bei der Anbahnung von Gesprächen zwischen afghanischer Regierung und Taliban – wird weitergehen. Wichtig ist hier – wie bei anderen Formaten außerhalb des Sicherheitsrates, etwa den EU3+3 bei den Atomverhandlungen mit Iran –, dass sie mit der UN rückgekoppelt sind.

Als Brückenbauer konnte Deutschland zwar kaum fungieren, zumal das Verhältnis zu China und Russland zunehmend konfrontativ war. Offen kritische Worte, auch in Richtung der USA, waren letztlich nur konsequent. Eine stärkere Zusammenarbeit unter den europäischen Mitgliedern kam dagegen durchaus zustande. Deutschland hat auch immer wieder die gewählten Mitglieder mobilisiert. Darauf lässt sich aufbauen, auch in anderen Gremien und Foren. Der Sicherheitsrat mag bei der Wahrung des Weltfriedens im Jahr des 75-jährigen Bestehens der UN ein teilweise desaströses Bild abgegeben haben. Die deutsche UN-Politik aber wurde durch die Mitgliedschaft durchaus gestärkt.