Mitte Februar war es soweit: Die Frist zur Überarbeitung der Klimaschutzpläne – der sogenannten NDCs (Nationally Determined Contributions) – ist abgelaufen. In diesen Plänen legen die Vertragsstaaten des Pariser Klimaabkommens dar, wie sie auf nationaler Ebene den 1,5-Grad-Pfad erreichen wollen. Die NDCs müssen alle fünf Jahre aktualisiert werden. Nach 2020 geschieht dies nun zum zweiten Mal, seitdem das Pariser Abkommen 2015 unterzeichnet wurde. Sie gelten daher auch als „Herzstück“ des Pariser Abkommens. Doch dieses „Herzstück“ ist momentan akut in Gefahr.
Denn die Mehrheit der Länder hat diese Deadline ignoriert und sich bislang nicht an die Verpflichtung gehalten. Laut Climate Action Tracker haben bislang nur 15 Länder – darunter Brasilien, Großbritannien, Kanada, Japan und die Vereinigten Arabischen Emirate – ihre NDCs angepasst, während 178 weitere Staaten dieser Vorgabe noch nicht nachgekommen sind. Sollte es zu keiner weiteren Ambitionssteigerung bei den NDCs kommen, prognostiziert das UN-Umweltprogramm einen Temperaturanstieg von 2,6 bis 3,1 Grad – mit einer Vielzahl absehbarer und auch unvorhersehbarer Konsequenzen.
Von den bereits eingereichten NDCs ist bisher nur das von Großbritannien mit dem 1,5-Grad-Ziel kompatibel – es sieht eine Emissionsreduktion von mindestens 81 Prozent bis 2035 im Vergleich zu 1990 vor. Zudem haben bislang nur wenige wohlhabende Industrieländer ihre NDCs aktualisiert, obwohl sie mit gutem Beispiel vorangehen müssten. Bemerkenswert ist, dass die neuen NDCs erstmals auch konkrete Zahlen für das Jahr 2035 enthalten, was die Zielvorgaben greifbarer macht und verhindert, dass notwendige klimapolitische Maßnahmen in die ferne Zukunft verschoben werden.
Leider hinkt auch die EU hinterher. Dies sendet gerade in aktuellen Zeiten, in denen sich die USA aus dem Pariser Abkommen zurückgezogen haben, ein fatales Zeichen für die internationale Klimapolitik. Zwar sind die Vorbereitungen für die NDC auf EU-Ebene bereits gestartet worden, aber die Verständigung unter allen EU-Mitgliedstaaten zu ambitionierteren Klimaschutzvorgaben ist alles andere als einfach. Vor allem konkrete Zwischenziele für 2035 und 2040 dürften schwierig werden. Hier muss die EU ihre Ambitionen deutlich steigern. Daher sollten noch unter der polnischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr alle Anstrengungen unternommen werden, damit die EU nach innen und außen klimapolitisch ambitioniert vorgeht und somit in diesem Bereich handlungsfähig und glaubwürdig bleibt.
Spätestens im September müssen die Pläne vorliegen, damit sie in den UN-Bericht aufgenommen werden können.
Spätestens im September müssen die Pläne vorliegen, damit sie in den UN-Bericht aufgenommen werden können, der noch vor der Weltklimakonferenz (COP30) in Belém, Brasilien, im November erscheint. Dieses Vorgehen wird im September ein entscheidendes politisches Signal senden, das maßgeblich über den Erfolg oder Misserfolg der diesjährigen Konferenz bestimmen wird.
Wichtig ist jedoch neben der Nachschärfung der Ziele und der Ambitionssteigerung, dass diese inklusiv und sozial gerecht gestaltet sind. Dies bezieht sich sowohl auf den Prozess der Aushandlung als auch auf die Umsetzung. Daher sind alle Länder nicht nur aufgefordert, ambitionierte Pläne vorzulegen, sondern diese sollten auch Transparenz sowie im Sinne einer Just Transition Fairness- und Gerechtigkeitsprinzipien im Blick haben. Dies lässt sich nur dadurch erreichen, dass Zivilgesellschaft und Gewerkschaften mit in die Überarbeitung der Pläne einbezogen werden. Nur so können die Pläne letztlich auch in die Tat umgesetzt werden, denn hierfür ist gesellschaftliche Akzeptanz dringend notwendig.
Und nicht zuletzt ist die adäquate Finanzierung der Klimaschutzpläne von zentraler Bedeutung. Denn nur wenn die Klimaschutzpläne – und die damit verbundene Transformation – robust finanziert sind, lassen sie sich letztlich auch wirklich in die Tat umsetzen. Dies gilt insbesondere auch für die sozial gerechte und inklusive Gestaltung der Transformation, die ebenfalls viele finanzielle Ressourcen benötigt.
Zunächst mag die Frage, ob Deutschland und die EU ihren Verpflichtungen beim Klimaschutz durch die Aktualisierung ihrer NDCs nachkommen, wie ein kleines Detail erscheinen, das in der aktuellen politischen Gemengelage kaum Beachtung findet. Sie sind jedoch absolut zentral für die Erreichung der Klimaziele, die Einhaltung des Pariser Abkommens und den Kampf gegen die fortschreitende Klimakrise.
Dies betrifft gerade auch sicherheits-, wirtschafts- und migrationspolitische Fragen, die den deutschen Wahlkampf in den letzten Wochen dominiert haben. Das macht nicht zuletzt die erste nationale interdisziplinäre Klima-Risikoeinschätzung der Bundesregierung deutlich, die die Klimakrise als „größte Sicherheitsherausforderung unserer Zeit“ bezeichnet. Bereits in den letzten 20 Jahren (2000–2021) sei durch die Zunahme von Extremwetterereignissen ein Schaden von 145 Milliarden Euro entstanden. Und auch die klimabedingte Migration wird laut dem Bericht stark ansteigen.
Die EU und Deutschland müssen sich angesichts der aktuellen Weltlage als verlässliche Partner behaupten.
Es lohnt sich daher auch aus wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Gesichtspunkten, das Engagement für globalen Klimaschutz und internationale Klimapolitik aufrechtzuerhalten und für das Pariser Abkommen sowie sein „Herzstück“ – die NDCs – zu kämpfen. Deutschland kommt hier eine doppelte Rolle zu. Zum einen muss Berlin innerhalb der EU dafür sorgen, dass die Union sich ein ambitioniertes Klimaziel gibt, das mit dem 1,5-Grad-Pfad vereinbar ist. Hierzu werden viele Verhandlungen innerhalb der EU und ein hartes Ringen nötig sein. In diesen Prozess sollte sich die neue deutsche Regierung proaktiv einbringen. Wichtig für das Gelingen ist dabei neben dem numerischen Ziel, dass die EU-NDC inklusiv und sozial gerecht ist und Just Transition-Prinzipien enthält. Denn nur wenn im Kontext der Minderungsvorgaben auch die soziale Abfederung mitgedacht wird und die Bevölkerung beteiligt wird, kann eine ambitioniertere Klimapolitik breite Akzeptanz finden und den rechtspopulistischen Stimmen, die sich für weniger Klimaschutz aussprechen, den Wind aus den Segeln nehmen.
Zweitens muss Deutschland auch seine Anstrengungen fortführen, um andere Länder außerhalb der EU und vor allem im Globalen Süden dabei zu unterstützen, ihre eigenen NDCs nachzuschärfen. Die EU und Deutschland müssen sich angesichts der aktuellen Weltlage als verlässliche Partner behaupten, um die Glaubwürdigkeit von multilateralen Institutionen und völkerrechtlichen Verpflichtungen zur Bekämpfung des Klimawandels hochzuhalten. Hierzu braucht es entsprechende Partnerschaften und finanzielle Unterstützung, damit auch in denjenigen Ländern, die wenig Mittel haben und bisher kaum zur Klimakrise beigetragen haben, Emissionen reduziert werden. Dies wäre auch strategisch geboten, um nach dem Wegfall der Unterstützung durch die USA neben China und Russland andere Angebote für Partner im Globalen Süden machen zu können. Dabei geht es auch um die Absteckung von konkreten geopolitischen und ökonomischen Einflusssphären.
In einer neuen Koalition sollte die internationale Klimapolitik wieder mehr ins Zentrum rücken. Denn die Klimakrise wartet nicht. Die Herausforderungen, aber dankenswerterweise auch die Lösungen liegen bereits ziemlich klar auf der Hand. Internationale Klimaaußenpolitik ist dabei auch ein strategisches und geopolitisches Instrument, um den eigenen geopolitischen und wirtschaftlichen Einfluss zu stärken sowie sicherheits- und wirtschaftspolitische Risiken zu reduzieren.