Die UN-Klimakonferenz 2024 (COP29), die auch treffend als „Finanz-COP“ bezeichnet wird, ist ein entscheidender Moment für den globalen Klimaschutz. Im November soll in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ein neues Klimafinanzierungsziel ausgehandelt werden, das die 2009 von den Industrieländern gemachten Finanzzusagen durch ein neues Abkommen ersetzen wird. Mit dem alten Abkommen hatten sich die reichen Länder, die am meisten für die weltweiten Kohlenstoff-Emissionen verantwortlich sind, dazu verpflichtet, jährlich 100 Milliarden US-Dollar bereitzustellen, um die armen Länder bei deren Dekarbonisierung und der Bewältigung der Folgen des Klimawandels zu unterstützen.
Insbesondere für Afrika stellt die Klimakonferenz 2024 einen Wendepunkt dar. Obwohl Afrika lediglich drei bis vier Prozent zum globalen Kohlendioxidausstoß beiträgt, ist der Kontinent aufgrund seines niedrigen sozioökonomischen Entwicklungsstands und seiner begrenzten Anpassungsfähigkeit die am stärksten vom Klimawandel betroffene Region. Demzufolge ist Afrika immer schwerwiegenderen Folgen des Klimawandels ausgesetzt: Dürren, Überflutungen und anderen klimabedingten Krisen in einem Ausmaß, das mit den begrenzten wirtschaftlichen und infrastrukturellen Möglichkeiten nicht zu bewältigen ist.
Zwar wurden im vergangenen Jahr auf der COP28 mit der Einrichtung eines Fonds für Schäden und Verluste sowie der globalen Bestandsaufnahme der Klimaschutzmaßnahmen wichtige Fortschritte erzielt. Aber diese Bemühungen lieferten noch keinen zukunftsorientierten, tragfähigen Plan, der auf die speziellen Bedürfnisse der sich entwickelnden Volkswirtschaften – insbesondere der in Afrika – zugeschnitten ist. Die COP29 ist für Afrika und andere vom Klimawandel besonders betroffene Länder daher eine entscheidende Gelegenheit, sich die Finanzressourcen und globalen Zusagen zu sichern, die für einen schnelleren Übergang zu emissionsarmen, klimaresilienten Volkswirtschaften benötigt werden. Wenn die afrikanischen Länder ihre klimapolitischen Ziele auf der Weltbühne präsentieren, müssen sie auch deutlich machen, dass diese Unterstützung von grundlegender Bedeutung für ihr Überleben und ihren Fortschritt ist. Da der Klimawandel bereits auf dem gesamten Kontinent verheerende Auswirkungen auf viele besonders betroffene Gemeinschaften hat, steht jetzt so viel auf dem Spiel wie nie zuvor.
Eine zentrale Aufgabe auf der COP29 ist die Festlegung auf ein neues kollektives quantifiziertes Klimafinanzierungsziel (New Collective Quantified Goal), um das 100-Milliarden-Dollar-Ziel zu ersetzen, das für den Unterstützungsbedarf der Entwicklungsländer nicht ausreicht. Allein Afrika braucht bis 2030 schätzungsweise 5,8 Billionen US-Dollar, um seine Klimaschutzpläne umzusetzen. Das unterstreicht, dass ein neues, ambitioniertes Finanzierungsziel dringend erforderlich ist, in dem sich das Ausmaß der Herausforderungen widerspiegelt, vor denen der Kontinent steht.
Die Industrieländer, die für einen Großteil der bisherigen Kohlenstoff-Emissionen verantwortlich sind, müssen die Führungsrolle übernehmen bei der Mobilisierung der Finanzressourcen.
Die Industrieländer, die für einen Großteil der bisherigen Kohlenstoffemissionen verantwortlich sind, müssen die Führungsrolle übernehmen bei der Mobilisierung der Finanzressourcen, die dafür benötigt werden, den Übergang Afrikas in eine klimaresiliente Zukunft zu unterstützen. Das neue Ziel sollte Unterziele für Minderung, Anpassung sowie Schäden und Verluste beinhalten, um einen ganzheitlichen Ansatz bei den Klimaschutzmaßnahmen sicherzustellen. Zudem muss das Neue Kollektive Quantifizierte Klimafinanzierungsziel vorrangig Zuschüsse und Darlehen zu äußerst günstigen Bedingungen vorsehen, um zu verhindern, dass sich Afrikas Schuldenlast noch weiter verschärft – ein Problem, das schon unter dem 100-Milliarden-Dollar-Ziel auftrat, weil ein beträchtlicher Teil der Klimafinanzierung lediglich als Kredit gewährt wurde. Afrika kann es sich nicht leisten, diesen Fehler zu wiederholen; die Finanzmechanismen müssen spezifisch auf die besonderen Bedürfnisse des Kontinents ausgerichtet werden.
Auch beim Globalen Anpassungsziel müssen auf der Klimakonferenz 2024 wesentliche Fortschritte erzielt werden, indem sichergestellt wird, dass die an diesen Zweck gebundenen Mittel direkt auf Afrikas Anpassungsbedarf zugeschnitten sind. Das Rahmenwerk muss auch klare Messkriterien und Indikatoren beinhalten, um die Fortschritte nachzuverfolgen, wobei der Fokus hier vor allem auf die am meisten benachteiligten Gruppen wie Frauen, Jugendliche und indigene Bevölkerungsgruppen gerichtet sein sollte, die die Hauptleidtragenden der Folgen des Klimawandels sind.
Die durch den Klimawandel verursachten Schäden und Verluste werden bis 2030 auf 580 Milliarden US-Dollar jährlich ansteigen und bis 2050 auf 1,7 Billionen US-Dollar.
Der auf der COP28 eingerichtete Fonds für Schäden und Verluste war ein Sieg für die Entwicklungsländer, aber es gibt noch viel zu tun, um den Fonds handlungsfähig und effektiv zu machen. Schätzungen zufolge werden die durch den Klimawandel verursachten Schäden und Verluste bis 2030 auf 580 Milliarden US-Dollar jährlich ansteigen und bis 2050 auf 1,7 Billionen US-Dollar, weshalb der Fonds auf jeden Fall schnell aufgestockt werden muss. Der Fonds für Schäden und Verluste muss transparent und inklusiv verwaltet werden, und zwar unter aktiver Beteiligung der Zivilgesellschaft und mit der Gewährleistung eines direkten Zugangs zu den Finanzressourcen für die besonders betroffenen Gemeinschaften. Der Fonds muss mit anderen Klimafinanzierungs-Mechanismen abgeglichen werden, um Überschneidungen zu verhindern und sicherzustellen, dass die Finanzhilfe dorthin gelangt, wo sie am meisten gebraucht wird, ohne dort die schon bestehenden Schuldenlasten zu erhöhen.
Afrikas niedriger Kohlendioxidausstoß steht in krassem Gegensatz zu den erheblichen Klimarisiken, denen der Kontinent ausgesetzt ist. Das unterstreicht die Notwendigkeit, die Anpassungsmaßnahmen schnell zu verstärken. Auf der UN-Klimakonferenz 2023 in Dubai wurde zwar der VAE-Rahmen für globale Klimaresilienz verabschiedet, aber die für die Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen erforderliche finanzielle und technische Unterstützung ist nach wie vor unzureichend: Für den Schutz afrikanischer Gemeinschaften vor immer schlimmer werdenden Klimaauswirkungen werden jährlich Beträge in Milliardenhöhe benötigt. Viele Fachleute fordern daher einen breiteren Ansatz in der Klimafinanzierung, der über Anpassungen sowie Schäden und Verluste hinausgeht.
Ein in diesen Diskussionen häufig übersehener Schlüsselbereich ist die Ernährungssicherheit, die in direktem Zusammenhang mit der Klimaresilienz steht. Kamo Sende, Doktorand an der Robert Gordon University Law School, betont, wie wichtig es sei, die Ernährungssicherheit in die Klimafinanzierung einzubeziehen: „Es ist zwar äußerst wichtig, die Anpassung anzugehen sowie Schäden und Verluste zu bewältigen, aber die Klimafinanzierung muss auch der Nahrungsmittelsicherheit und nachhaltigen Ernährungssystemen Vorrang einräumen“, sagt Sende. „Mit den Geldern sollten klimaresiliente Anbaumethoden unterstützt werden, der Marktzugang für Kleinbauern sollte verbessert und die lokalen Ernährungssysteme gestärkt werden.“
Die Klimakonferenz in Baku ist für die Länder eine der letzten Gelegenheiten, ihre national festgelegten Klimaschutzbeiträge, also ihre Verpflichtungen zur Verringerung ihrer Treibhausgas-Emissionen, vor der Frist im Jahr 2025 zu erhöhen. Die globale Bestandsaufnahme auf der Klimakonferenz 2023 hat ergeben, dass die derzeit zugesagten Klimaschutzbeiträge bei weitem nicht ausreichen, um einen katastrophalen Klimawandel zu verhindern. Die G20-Staaten sind für 75 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich und tragen damit auch die Hauptverantwortung für den Klimaschutz. Sie müssen ihre Klimaschutzmaßnahmen dringend verstärken. Sie müssen ihre national festgelegten Klimaschutzbeiträge für 2030 erhöhen und auf das 1,5-Grad-Ziel bei der Erderwärmung ausrichten sowie im nächsten Jahrzehnt ihre Emissionen deutlich reduzieren. Wichtig ist ein inklusiver und gerechter Übergang, vor allem für die Gemeinschaften, die unverhältnismäßig stark vom Klimawandel betroffen sind.
Für Afrika stellt die Operationalisierung von Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens sowohl Chancen als auch Probleme dar. Auf der diesjährigen Bonner Klimakonferenz wurden nur geringe Fortschritte bei der Lösung kritischer Fragen im Zusammenhang mit dem Artikel erzielt. Artikel 6 ist das Rahmenwerk für die internationale Zusammenarbeit bei Emissionshandel und nichtmarktbezogenen Mechanismen. Trotz der Diskussionen in Bonn sind im Vorfeld der COP29 viele Schlüsselaspekte noch ungeklärt. Die Länder konnten sich in wichtigen Fragen nicht einigen. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, wie Emissionsvermeidung zu einer Emissionsgutschrift wird oder in welchem Ausmaß eine Zentralisierung für die Mechanismen unter Artikel 6 erforderlich ist. Schließlich wurden viele Entscheidungen vertagt und auf der COP29 sind dazu weitere Diskussionen zu erwarten. Wenn der Emissionshandel effektiv umgesetzt werden könnte, würden sich für afrikanische Länder neue Wege eröffnen, sich an den weltweiten Bemühungen zur Emissionsreduzierung zu beteiligen. Die Mechanismen unter Artikel 6 müssen so schnell wie möglich konkretisiert und umgesetzt werden, um es afrikanischen Ländern zu ermöglichen, glaubwürdige Projekte zur Emissionsreduzierung zu entwickeln und gleichzeitig die volle Kontrolle über diese Initiativen zu behalten und damit sicherzustellen, dass sie mit den nationalen Interessen im Einklang stehen und die Gemeinschaften vor Ort von den Projekten profitieren.
Um seinen Einfluss auf die COP29 zu maximieren, muss Afrika sich als eine einheitliche Front präsentieren.
Um seinen Einfluss auf die COP29 zu maximieren, muss Afrika sich als eine einheitliche Front präsentieren. Bei der Gestaltung der Klimaschutzagenda des Kontinents spielt die Afrikanische Gruppe der Verhandlungsführer eine entscheidende Rolle. Durch wichtige Vorbereitungstreffen – darunter die Afrikanische Ministerkonferenz für Umwelt und der Ausschuss der Staats- und Regierungschefs zum Klimawandel – muss die Gruppe sicherstellen, dass Afrikas Prioritäten klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden. Die gemeinsame Verhandlungskraft ist entscheidend dafür, für Afrika bei den Verhandlungen über die globale Klimafinanzierung und Anpassung an den Klimawandel gute Ergebnisse zu erzielen: „Das beginnt mit einer regionalen Bestandsaufnahme der Klimakrisen und einer ehrlichen Analyse der Ursachen. Nur dann kann Afrika effektive Strategien entwickeln, um sich für maximale Ergebnisse zu engagieren, sie zu fordern und sie auszuhandeln“, sagt Olamide Martins, Senior Program Manager for Climate Change bei Corporate Accountability and Public Participation Africa (CAPPA). Und doch sind einige afrikanische Klimaaktivisten der Meinung, dass die Afrikanische Gruppe der Verhandlungsführer nicht einheitlich genug agiert und die Ziele der einzelnen Mitglieder derzeit nicht übereinstimmen.
Die Verhandlungen über eine neue globale Klimafinanzierung ab 2025 bieten die Chance, das verloren gegangene Vertrauen zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern wieder aufzubauen. Wenn jedoch die Fehler der Vergangenheit wiederholt werden, wird diese Initiative scheitern, bevor sie begonnen hat. Die UN-Klimakonferenz 2024 muss ein Wendepunkt für die Bereitstellung gerechter, transparenter und beträchtlicher Finanzhilfen für die vom Klimawandel bedrohten Länder werden. Sie muss sicherstellen, dass Afrika und andere Entwicklungsregionen die nötigen Ressourcen haben, um die Klimaziele des Kontinents und der Regionen zu erreichen. Für die afrikanischen Nationen ist ein erfolgreiches Ergebnis auf der COP29 nicht nur ein Ziel, sondern eine absolute Notwendigkeit. Scheitern ist schlicht keine Option.
Aus dem Englischen von Ina Goertz