Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine 2022 haben die USA, die Europäische Union (EU) und weitere westliche Staaten schrittweise Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Diese Sanktionen zielen neben weiteren Maßnahmen darauf ab, Russland durch wirtschaftlichen Druck zu einer Änderung seines Verhaltens zu bewegen und seine militärischen Aktivitäten einzustellen. Zwei Jahre nach der Einführung stellt sich jedoch die Frage, ob die Sanktionen die erhoffte Wirkung zeigen und wie Russland mit den Beschränkungen umgeht.

Bisher wurden zahlreiche Sanktionen verhängt, die weite Teile der russischen Wirtschaft betreffen. Besonders im Fokus stehen der Energiesektor, Finanzinstitute und Schlüsselindustrien. Der Import von russischem Öl in die EU wurde größtenteils verboten, und ein Preisdeckel von 60 US-Dollar pro Barrel soll Russlands Einnahmen begrenzen. Ergänzend dazu wurden mehrere russische Banken aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT ausgeschlossen, Vermögenswerte von Oligarchen und politischen Entscheidungsträgern eingefroren sowie Exportbeschränkungen für Schlüsseltechnologien eingeführt, die für die Modernisierung der russischen Industrie entscheidend sind.

Diese Sanktionspakete stellen die umfassendsten Maßnahmen seit dem Kalten Krieg dar und sollen Russland wirtschaftlich isolieren. Doch trotz ihrer Breite zeigt sich die russische Wirtschaft widerstandsfähiger als erwartet. Zwar hat der Rubel an Wert verloren und einige Branchen, wie die Automobil- und Technologieindustrie, verzeichnen Rückschläge, doch insgesamt bleibt die russische Wirtschaft relativ stabil.

Besonders der Energiesektor, das Rückgrat der russischen Wirtschaft, konnte durch hohe Öl- und Gaspreise sowie Handelsumlenkungen nach Asien weiterhin bestehen. Ein Drittel der russischen Staatseinnahmen stammt nach wie vor aus dem Öl- und Gashandel. Russland hat es zudem geschafft, Alternativen zu westlichen Märkten zu finden, insbesondere durch verstärkte Handelsbeziehungen zu China und Indien. Indien bezieht nach aktuellen Schätzungen 40 Prozent seines Ölbedarfs aus Russland und hat den Import in den letzten zwei Jahren um mehr als das zehnfache ausgebaut.

Damit Sanktionen ihre volle Wirkung entfalten können, müssen sie grundlegende Bedingungen erfüllen. Erstens bedarf es einer möglichst breiten internationalen Koalition. Je mehr Staaten sich beteiligen, desto größer wird der Druck auf das Zielland. Besonders wichtig ist die Unterstützung von Ländern mit engen wirtschaftlichen Verbindungen zu Russland. Solange diese Länder nicht mitziehen, bleibt der Schaden für Russland begrenzt.

Zweitens müssen Sanktionen umfassend alle wichtigen Wirtschaftssektoren betreffen. Einseitige oder lückenhafte Maßnahmen lassen dem Zielland die Möglichkeit, sich über alternative Handelswege zu versorgen und wirtschaftliche Verluste abzufedern. Dazu gehören Handel, Investitionen, Logistik und Mobilität – zentrale Bereiche, die getroffen werden müssen, um den wirtschaftlichen Druck zu maximieren.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die konsequente Durchsetzung der Sanktionen. Auch gut konzipierte Sanktionen verlieren ihre Wirkung, wenn sie nicht ausreichend durchgesetzt werden. Schlupflöcher und Grauzonen erlauben es dem Zielland, die wirtschaftlichen Auswirkungen zu mildern.

Insbesondere China und Indien haben ihre Handelsbeziehungen zu Russland ausgeweitet.

Die Sanktionen gegen Russland erfüllen diese Bedingungen nur teilweise. Ein zentrales Problem ist die fehlende globale Koordination. Eine UN-Resolution zur Verhängung globaler Sanktionen scheiterte im Sicherheitsrat am Veto Russlands. Damit gibt es keine weltweit abgestimmte Sanktionspolitik, die den Druck auf Moskau signifikant erhöhen könnte. Die Sanktionen bleiben lediglich auf die EU, die USA und einige Verbündete beschränkt, während andere große Wirtschaftsmächte wie China, Indien und Brasilien sich nicht beteiligen.

Insbesondere China und Indien haben ihre Handelsbeziehungen zu Russland ausgeweitet und profitieren von den Sanktionen, indem sie russisches Öl und Gas zu günstigen Preisen kaufen. Diese mangelnde globale Beteiligung schwächt die Wirkung der Sanktionen erheblich, da Russland weiterhin auf bedeutende Märkte zugreifen kann, die wichtige Devisen liefern.

Auch der Ölpreis ist ein Problem. Trotz des Preisdeckels von 60 US-Dollar pro Barrel bleibt der globale Ölpreis hoch, was es Russland ermöglicht, weiterhin hohe Einnahmen zu erzielen. Einige Staaten ignorieren obendrein den Preisdeckel und kaufen russisches Öl zu höheren Preisen. Zusätzlich betreibt Russland eine eigene Schattenflotte von Tankern, um seine Ölexporte in neue Märkte zu organisieren.

Auch innerhalb der EU gibt es Abweichungen bei der Umsetzung der Sanktionen. Griechenland spielt hierbei eine zentrale Rolle: Ein Großteil des russischen Ölexports wird von griechischen Reedereien abgewickelt. Griechenland konnte durchsetzen, dass die Verschiffung von russischem Öl nicht vollständig verboten wurde. Diese Abweichung innerhalb der EU zeigt, dass wirtschaftliche Interessen mancher Mitgliedsstaaten der Durchsetzung der Sanktionen entgegenstehen.

Eine umfassende Überwachung der Handelsströme wäre politisch schwer durchsetzbar.

Darüber hinaus hat die Türkei, ein NATO-Mitglied, die Sanktionen nicht in vollem Umfang übernommen. Aufgrund ihrer Abhängigkeit von russischen Energieexporten fungiert sie oft als Transitland für den Handel zwischen Russland und westlichen Märkten. So hat die Türkei ihre Exporte nach Russland seit der Einführung der Sanktionen signifikant erhöht. Der Anteil der Exporte nach Russland stieg von 2,5 Prozent der türkischen Gesamtexporte vor dem Krieg auf etwa vier Prozent. Besonders in den Bereichen, in denen zuvor europäische Exporteure dominierten, konnte die Türkei ihre Marktposition stark ausbauen. Diese Handelsverlagerungen führten zu höheren Preisen und Margen für türkische Exporteure.

Besonders problematisch ist der indirekte Verkauf von EU-Gütern über Drittländer wie die Türkei und Kasachstan, die diese Produkte nach Russland weiterverkaufen. Obwohl die EU 2023 die Möglichkeit von Sekundärsanktionen eingeführt hat, um den Weiterverkauf von Gütern an Russland zu verhindern, wurden diese Maßnahmen bislang nicht aktiviert. Eine umfassende Überwachung der Handelsströme wäre politisch schwer durchsetzbar und würde die exportstarken Länder in der EU vor erhebliche Herausforderungen stellen. Ohne solche Maßnahmen bleiben die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Russland jedoch begrenzt, und die erhofften wirtschaftlichen Verwerfungen bleiben offenkundig aus.

Zusammengefasst zeigt sich, dass die westlichen Sanktionen gegen Russland nicht die notwendigen Bedingungen erfüllen, um maximalen wirtschaftlichen Druck auf das Land auszuüben. Die fehlende globale Koordination, insbesondere durch das Scheitern einer UN-Resolution, sowie die Beteiligung wichtiger Wirtschaftspartner wie China und Indien verhindern eine vollständige Isolation Russlands.

Auch die hohen Energiepreise und die Umgehung der Sanktionen über Drittstaaten mindern die Wirkung erheblich. Während westliche Staaten auf einen wirtschaftlichen Zusammenbruch Russlands hofften, hat sich das Land bislang als widerstandsfähig erwiesen. Die Handelsumlenkung nach Asien und die Nutzung von Schlupflöchern haben Russland geholfen, weiterhin Einnahmen zu generieren und den Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren. In einer zunehmend multipolaren Welt mit geopolitischen Verwerfungen zeigt der Fall Russland, wie schwierig es ist, durch Sanktionen signifikante politische und wirtschaftliche Veränderungen zu erzwingen.