Es könnte doch so schön sein: Irgendwann in den kommenden Wochen – vielleicht schon früher als gedacht – wird Donald Trump Geschichte sein. Angewidert von immer neuen grotesken Politikfehlgriffen im Weißen Haus wird sich nicht nur eine breite Koalition progressiver US-Bürger, sondern endlich auch das republikanische Parteienestablishment gegen den Präsidenten wenden. Der Schulterschluss von Bürgerrechtlern über Minderheitenvertreter bis hin zu liberalen Kulturschaffenden und Aktivisten wird Trump aus dem Amt jagen und die Fackel der Freiheit in den Vereinigten Staaten neu entflammen. Deshalb gilt als Gebot der Stunde: Auf die Straße! Sich einmischen und protestieren, wo immer es geht.

Das Problem ist nur: So wird es nicht geschehen. Davon jedenfalls zeigt sich Julian E. Zelizer in einem aktuellen Meinungsbeitrag für die Washington Post überzeugt.

Zelizer ist politischer Historiker an der Universität Princeton und seine historische Perspektive erweist sich als ein für Trump-Gegner deprimierendes Stelldichein mit der Realität. Denn für Zelizer lautet die bittere Wahrheit, dass sich Donald Trump ebenso wenig von Plakate schwenkenden Demonstranten ins Bockshorn jagen lassen wird, wie der Prototyp republikanischer Hauruck-Präsidenten – Ronald Reagan.

Medien und progressive Kreise waren fassungslos über Reagans Wahlsieg. Wie konnte das nur passieren? Kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor?

Tatsächlich sind die Ähnlichkeiten zwischen beiden Amtsinhabern frappierend. Auch Reagan galt fortschrittlichen Amerikanern – und bei weitem nicht nur ihnen – seinerzeit geradezu als Inkarnation des Bösen. Breitbeinig, ganz bewusst anti-intellektuell und aggressiv-draufgängerisch mutierte er zum Lieblingsfeind progressiver Kräfte dies- und jenseits des Atlantiks. Ebenso wie Trump war auch Reagan fast fortwährend mit katastrophal niedrigen Zustimmungswerten konfrontiert. 34 Prozent der US-Bürger unterstützten ihn im Jahre 1982, eine Kette von Anti-Reagan Protestmärschen inbegriffen. Wo Reagan auch hinkam, die Protestierenden warteten schon. Zehntausenden demonstrierten regelmäßig in Europa, Millionen in den USA. Was folgte aber war weder ein Impeachment noch eine Abstrafung an der Wahlurne. Im Gegenteil: Die Konsequenz des Reagan-Bashings war ein triumphaler Erdrutschsieg bei den Wahlen 1984. Medien und progressive Kreise waren fassungslos. Wie konnte das nur passieren? Ein Schuft, wer Böses dabei denkt.

Denn was die Reagan-Gegner damals geflissentlich übersahen, war der nicht ganz unwesentliche Umstand, dass der Präsident zwar bei Ihnen verschrien, bei Republikanern aber gerade deshalb hochgradig beliebt blieb. Für Zelizer wiederholt sich diese Geschichte derzeit eins zu eins. Nur an die Stelle der Reagan-Gegner von einst sind nun die Trump-Verächter von heute getreten.

Denn die Meinungsforschung zeigt, dass das Entsetzen über die präsidialen Verordnungen aus dem Weißen Haus alles ist, aber nicht universell. So verweist Zelizer auf Umfragen, denen zufolge der Trump-Ansatz von seiner Kernwählerschaft und darüber hinaus von fast 90 Prozent der Republikaner nach wie vor mitgetragen wird. Lediglich 10 Prozent der Republikaner zeigen sich bislang mit Trump unzufrieden. Und immer noch 88 Prozent der Republikaner verteidigen selbst die umstrittenen Verordnungen über Flüchtlinge, die nicht nur in deutschen Medien nahezu unisono abgelehnt werden. Das Bild spiegelt sich bei den Demokraten, die Trump geschlossen ablehnen. Das Resultat: „Die Koalition, die Trump 2016 den Wahlsieg eingebracht hat, zeigt sich bisher alles andere als unzufrieden“, schreibt Zelizer. „Deshalb stehen seine Chancen für eine Wiederwahl 2020 nicht schlecht.“

Besonders bedenklich an dieser Entwicklung: Gerade die schrillen Proteste könnten dazu beitragen, dass sich die Reihen der Republikaner im Kongress und Senat noch fester um Trump schließen. Denn die Demonstrationen und der anhaltende polarisierende Kulturkampf, so meint jedenfalls Zelizer, könnten zwar die allgemeinen Zustimmungsraten beeinträchtigen, Trumps Wahlkoalition von 2016 aber umso stärker zusammenschweißen. Und auf die kommt es zumindest einem geborenen Polarisierer wie Trump ohnehin lediglich an. Wenn Zelizer Recht hat, ist mit dem Abtritt Trumps vor diesem Hintergrund für’s erste nicht zu rechnen. Leider.

Den Beitrag aus der Washington Post finden Sie hier.