Die Ausplünderung des Planeten Erde ist seit langem im Gange – und schreitet weiter fort. Schon die Kolonialgeschichte war geprägt von Ressourcenkonflikten, von Plünderung, Gewalt und Übervorteilung. Konflikte nehmen zu und werden heftiger, wenn die Ressourcen knapper werden oder die Zahl der Nachfrager steigt. Wir sind, so Ugo Bardi, in einer neuen Phase der Konfliktverschärfung angelangt – im Zeitalter schwindender Ressourcen, wie der Untertitel des Buches lautet.

Bei vielen nicht-erneuerbaren Ressourcen ist die maximale Extraktion (peak) überschritten, steht unmittelbar bevor oder ist bereits in absolute Knappheit übergegangen, während die Nutzung erneuerbarer Ressourcen vielfach überzogen wurde (wie bei den Fischbeständen), erst noch aufgebaut werden muss (bei der Energieversorgung) oder zu neuartigen Konflikten führt (bei der Flächennutzung). Der Wettbewerb um Ressourcen wird weiter zunehmen: Die Weltbevölkerung nimmt jährlich um 80 Millionen Menschen zu, dynamische Länder tauchen auf dem Weltmarkt auf und unternehmen vielfältige Anstrengungen, diesen Wettbewerb zu ihren Gunsten zu entscheiden.

Wenn Wettbewerb entsteht, kommt es gelegentlich aber auch zu neuen Konzepten. „Steigerung der Ressourceneffizienz“ und „Erhöhung der Materialproduktivität“ wurden inzwischen zu Leitideen. Bei den erneuerbaren Ressourcen wurde „Schonung“ zum Thema, bei den nicht-erneuerbaren steht „Recycling“ seit geraumer Zeit oben an – neuerdings gar in Kategorien, für die es im Deutschen noch gar keine Begriffe gibt, wie beim „urban mining“.

Bisher ist aber noch kein internationales Abkommen beschlossen worden, das die weltweite Ausbeutung der Rohstoffe quantitativ beschränkt oder qualitativ steuert. Und ob die Zivilgesellschaft die Bedeutung der neuen Phase der Ressourcenausbeutung in ihrer vollen Tragweite schon erkannt hat, wird angezweifelt. So stimmt es denn tröstlich, wenn Bardi noch einmal an die Grenzen des Wachstums (1972) und deren Aufruf zum Handeln erinnert. Er selbst beschreibt die anstehende Aufgabe so: „Wir müssen der Zerstörung des Ökosystems und dem Schwinden der Mineralvorräte mit höherer Effizienz in allen Bereichen der Industrie begegnen – mit dem verstärkten Einsatz erneuerbarer Ressourcen und der Entwicklung effektiver Recyclingverfahren“ (S. 15 f.).

Das Buch ist der 33. Bericht an den Club of Rome. Zusammen mit der englischen Originalausgabe wird das Buch hoffentlich die ihm gebührende Leserschaft finden – und dazu beitragen, der weiteren Plünderung des Planeten Einhalt zu gebieten.

Keine Katastrophe ist vom Moment ihres Eintretens an („3/11“) so umfassend dokumentiert worden wie die Dreifach-Katastrophe aus Erdbeben, Tsunami und Kernschmelze in der japanischen Region Tohoku. Nun gibt es dazu sogar ein „Lesebuch“ auf Deutsch – ein Werk mit Übersetzungen, Kommentaren und Essays. Es ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts der Japanologien der Universitäten von Frankfurt am Main und Leipzig. Zwei Professorinnen haben es konzipiert, 13 junge Wissenschaftler und 16 (!) Wissenschaftlerinnen haben sich zwei Jahre lang mit japanischen Quellen befasst, Dokumente übersetzt, Interviews mit Aktivisten geführt und Analysen der Debatte um die Folgen der Katastrophe vorgenommen.

Was hat „Fukushima“ über die menschlichen Tragödien hinaus in Japan bewirkt? Ist die These einer durchgreifenden Zäsur verifizierbar? Haben sich Chancen eines grundlegenden Wandels ergeben – und wurden sie genutzt? In vier Teilen gibt das Buch Antworten auf diese Fragen: von der Einführung der Atomenergie in Japan und der Rolle der USA dabei, über die Repräsentation des Themas „Fukushima“ in Literatur, Film, Theater, Fotografie und im Manga, der akuten Medienmanipulation bis zu den politischen Diskussionen in Japan, den Protesten der Bevölkerung und der neuen kritischen Öffentlichkeit.

Die Bilanz der Dreifach-Katastrophe ist aus Sicht der Herausgeberinnen verheerend. Ja, sie meinen sogar, dass es „… kein ‚davor‘ und ‚danach‘ (gibt), sondern nur ein Kontinuum der an der Plutokratie ausgerichteten Strukturen und Verhaltensweisen“ (S. 10). Doch das „Lesebuch“ soll der intellektuellen Isolierung Japans entgegenwirken; man will die Japaner nicht allein lassen mit ihren ungelösten gesellschaftlichen Problemen und politischen Widersprüchen – und hierzu präsentiert es eine Fülle an spektakulären Einblicken.

Es beginnt mit einem Bericht von Takeshi Kawakami, einem Schweißer, der in vielen japanischen Atomkraftwerken gearbeitet hat. Mir ist inhaltlich wie politisch kein vergleichbarer Bericht eines deutschen Kraftwerkarbeiters je zur Kenntnis gekommen. Ausgehend von der Grundidee des Buches, japanische Quellen dem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen, werden zwei grundlegende Dokumente über die Entwicklung der Atomenergie in Japan kommentiert, einschließlich der Geschichte des AKW Fukushima. Der Beitrag, der die Verschiebung in der Wahrnehmung der Atomkraft von der alles bedrohenden Bombe hin zur friedlichen und vermeintlich sauberen Energie nachvollzieht, liest sich wie ein Krimi: über die Akteure, ihre Interessen und die (raffinierten) Methoden, die zur Erhöhung der Akzeptanz dieser Technik eingesetzt wurden.

Eine der vielbeachteten Folgen von Fukushima war die Wiederentdeckung eines Textes von Norio Hirai aus dem Jahr 1996: „Ich möchte, dass die Leute erfahren, was Atomkraftwerke wirklich sind.“ In diesem Text verweist der frühe „Whistle-blower“ auf die entscheidende Hürde, die es der japanischen Regierung erschwert, ja unmöglich macht, einen Atomausstieg zu befürworten: „Der Grund, warum Japan nicht aussteigt, ist der, dass es nicht den Mut hat, bei einer einmal entschiedenen Sache auf halbem Weg umzukehren“ (S. 68).

Die Herausgeberinnen sind mit eigenen Analysen im Buch vertreten, die eine mit einer Skizze der kritischen japanischen Öffentlichkeit, die andere mit einem Bericht über die Situation „vor Ort“ – in der Stadt Fukushima.

Das Buch endet mit einem ausführlichen Sachregister, das belegt, worauf im Buch Bezug genommen wurde: auf die japanische Atom-Lobby, die Anti-Atom-Bewegung, die Dreifach-Katstrophe selbst und die Verflechtung von Politik, Medien und Wirtschaft. Dieses Register zeigt aber auch, was fehlt: Der Begriff „Energiewende“ taucht nirgendwo auf, auch nicht das Potential der erneuerbaren Energien. In der Annahme, dass das Projekt der Japanologien von Frankfurt und Leipzig fortgeführt wird, dürfte es dazu in Zukunft aber bestimmt ein weiteres „Lesebuch“ geben.

Das Konzept der Erinnerungsorte gibt es schon länger – und es hat eine eigene Magie. Seit 2001 erschienen Bücher über deutsche Erinnerungsorte, Erinnerungsorte der Antike, Erinnerungsorte des Christentums, Europäische Erinnerungsorte. Es waren meist sehr umfangreiche Werke, zwei davon in drei Bänden. Das in Arbeit befindliche Projekt über Deutsch-Polnische Erinnerungsorte ist gar auf acht Bände angelegt. Die natürliche Umwelt spielte in all diesen Büchern aber bestenfalls eine Nebenrolle. Das sollte anders werden durch das Projekt „Umwelt und Erinnerung“ am Rachel Carson Center in München.

Mit Hilfe seiner Studenten und externer Wissenschaftler hat der Leiter des Projekts ein faszinierendes Buch vorgelegt – und gut begründet: Auch bei Umweltthemen leben wir inzwischen in einer erinnerungsgesättigten Gesellschaft. Nach Jahrzehnten ökologischer Debatte findet sich kaum noch ein Thema, das nicht einschlägig vorgeprägt ist. Wenn der Albdruck der Geschichte stark wird, ist der Ausstieg aus der Geschichte also keine Option mehr.

Was ökologische Erinnerungsorte sind, definiert der Herausgeber so: „Ökologische Erinnerungsorte sind geographisch und zeitlich begrenzte Ereignisse, in denen die Interaktion von Mensch und Natur in ihrer ganzen Vielfalt eine wesentliche Rolle spielt“. Diese Ereignisse zeichnen sich durch Folgen aus, die über die Zeit des Ereignisses weit hinausreichen und bis in die Gegenwart nachwirken. Auf diesem Grundverständnis erfolgt die Auswahl von 11 Erinnerungsorten, die in drei Kategorien sortiert werden: in deutsche, grenzüberschreitende und globale Erinnerungsorte.

Es beginnt mit der Geschichte des „Knechtsandes“, einer Sandbank in der Wesermündung, die in den 1950er Jahren im Zentrum eines aufsehenerregenden Nutzungskonflikts stand, dann unter Naturschutz gestellt wurde und im Nationalpark Wattenmeer aufging. Das zweite Beispiel ist GAU, das Kürzel für den größten anzunehmenden Unfall. Verfolgt man die Spur des Begriffs, landet man bei den Paradoxien der Atomkontroverse: Der GAU verkörperte zunächst das Streben nach Regeln für den Umgang mit den Risiken der Atomkraft, dann jedoch das Umkippen der Zweifel innerhalb der Atomgemeinde in eine öffentliche Kontroverse, in der GAU von einem technischen Begriff zu einer Chiffre für die Entgrenzung aller bekannten Gefahren wurde.

Beim dritten Beispiel, dem „Wintersport“, geht es um ein andersartiges Schlüsselthema der Moderne: Diese sportliche Betätigung brachte viele Menschen mit der Natur in Kontakt, warf zugleich aber die Frage auf, wie viel menschlicher Einfluss mit diesem Naturerlebnis ökologisch verträglich ist.

Diese spezifische Auswahl von Erinnerungsorten zeigt nicht nur, wie umfassend der Begriff ist, sondern auch, wie er ausgelegt werden kann, was konsequenterweise zu der Frage führt, welche Beispiele der Leser stattdessen anführen möchte. Waren da nicht auch Wyhl und Wendland, Rinderwahn und Gentechnik, die bis heute kräftig nachwirken oder andernorts neu auftauchen?

Die grenzüberschreitenden Erinnerungsorte, die ausgewählt wurden, beginnen mit der Betrachtung der Rolle des Films: „Serengeti darf nicht sterben“, einem überzeitlichen Bekenntnis zum Schutz der afrikanischen Natur, der zugleich Projektionsfläche deutscher Phantasien war und ist. Beim deutsch-russischen „Erdgasprojekt“ geht es nicht nur um wirtschaftliches Kalkül und potentielle Meeresverschmutzung, sondern auch um europäische Geschichte. „Tschernobyl“ ist der wohl konfliktträchtigste Erinnerungsort, weil er die permanente Bedrohung aber auch die regional unterschiedlichen Einstellungen zur Atomenergie symbolisiert.

Auch bei den globalen Erinnerungsorten gelingt dem Herausgeber eine Überraschung. Das koloniale „Erdnuss-Projekt“ im heutigen Tansania gilt als Manifestation planerischer Hybris, die zum Inbegriff eines aus dem Ruder laufenden Großprojekts wurde – und die sich im Landgrabbing andernorts in Afrika wiederholen könnte. Der „Assuan-Staudamm“, das andere Beispiel, steht in einer konfliktreichen Ahnenreihe, die von der Tennessee Valley Authority bis zum Drei-Schluchten-Damm in China reicht. Mit „Tambora und Krakatau“ nimmt das Buch zwei Vulkanausbrüche in den Blick, die im wörtlichen wie im übertragenen Sinn globale Erschütterungen auslösten, aber nicht menschengemachte sondern natürliche Erinnerungsorte sind.

Auch nach Lektüre dieser Kapitel drängt sich die Frage auf, welche ökologischen Erinnerungsorte der Leser selbst erinnert und behandelt sehen möchte. Der Rezensent darf dazu seine Präferenzen nicht äußern. Er darf aber an Jared Diamonds „Kollaps“ erinnern: ein Buch, das Beispiele gesellschaftlicher Zusammenbrüche beschreibt, die ganz wesentlich ökologisch bedingt waren – von den Maya, der Osterinsel, den Wikingern bis zu Gesellschaften von heute.