Joseph Stiglitz gehört seit Beginn der Eurokrise zu den Kritikern der vorherrschenden Krisen- und Austeritätspolitik. In seinem neuen Buch befasst sich Stiglitz mit den institutionellen Voraussetzungen der Eurozone sowie ihren ökonomischen Ergebnissen und kommt zu einem ernüchternden Fazit: Der Euro, stark beeinträchtigt durch neoliberale Ideen, hat seine ökonomischen Ziele nicht erreicht und es zugleich versäumt, die Eurozone politisch zu einen. Statt zu mehr Prosperität führte der Euro, wie Stiglitz empirisch deutlich nachvollzieht, vor allem zu mehr Ungleichheit, sowohl innerhalb der Staaten als auch zwischen ihnen. Statt in Wohlstandszuwächsen besteht die ökonomische Bilanz des Euros eher aus Arbeitslosigkeit und auseinanderdriftenden Handelsbilanzen.

Das größte Problem der Eurozone ist, so Stiglitz, wie derzeit mit ökonomischen Schocks umgegangen werden kann, die die Mitglieder der Eurozone unterschiedlich stark betreffen. Auf- und Abwertungen sind, ebenso wie regionale Zinsanpassungen, zum Abbau ökonomischer Ungleichgewichte institutionell nicht möglich. Zugleich ermöglicht das aktuelle institutionelle Design kaum eine expansive Fiskalpolitik, um das Wachstum anzukurbeln. Stattdessen setzt die Eurozone auf interne Abwertungsprozesse. Hier zeigt sich, wie die ökonomische der politischen Integration vorgegriffen hat. Am Fall Griechenland zeigt er exemplarisch auf, wie negativ die Krisenprogramme auf die wirtschaftliche Entwicklung der Krisenstaaten einwirken.  Nicht nur, dass eine verlorene Generation geschaffen werde, zugleich werde das Wachstumspotenzial der Eurozone durch den Wertverlust des sozialen Kapitals dauerhaft reduziert, so Stiglitz.

So wie es ist, kann es also nicht bleiben. Es kann allein deswegen nicht so bleiben, weil die Lebensperspektive vieler Unionsbürger sich erheblich verschlechtert hat. Zusätzlich aber hat die wirtschaftliche Lage politische Konsequenzen. Europa steht daher vor der Entscheidung, die ökonomische und die politische Integration wieder zusammenzuführen: Mehr Europa – das heißt auch, den Euro zu retten und den politischen Rahmen zu erweitern, um der Währungsunion die Instrumente für mehr Wohlstand und Vollbeschäftigung an die Hand zu geben. Dieses progressive Szenario skizziert Stiglitz in seinem Buch. Oder man entscheidet sich für weniger Europa: Das würde bedeuten, langfristig den Euro durch nationale oder mehrere zwischenstaatliche Währungen zu ersetzen.

Institutionen und politische Entscheidungen entstehen nicht im luftleeren Raum: Politische Ideen spielen eine wichtige Rolle, wie Markus K. Brunnermeier, Harold James und Jean-Pierre Landau in ihrem neuen Buch argumentieren. Sie zeigen auf, dass der Ausbruch der Eurokrise zu einer Auseinandersetzung zwischen zwei ökonomischen Perspektiven geführt hat, die idealtypisch als deutsche beziehungsweise französische wirtschaftspolitische Traditionen benannt werden können. Dieser Konflikt besteht zwar nicht erst seit dem Ausbruch der europäischen Krise. Er nimmt durch die krisenbedingte Machtverschiebung von den europäischen Institutionen zunächst auf die europäischen Regierungen und schließlich auf Berlin und Paris jedoch eine bedeutendere Rolle ein. Die Autoren markieren das Treffen von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy am 18. Oktober 2010 in Deauville als entscheidenden Moment dieses Konflikts unterschiedlicher Philosophien, der die Krise in der Folge prägen sollte. Diese ideelle Auseinandersetzung zeichnen die Autoren innerhalb der unterschiedlichen Krisenentscheidungen nach.

Mit ihrer Darstellung der deutschen und französischen Wirtschaftstraditionen ermöglichen Brunnermeier, James und Landau die politischen Differenzen zur Krisendefinition und Krisenbewältigungsstrategie tiefergehend zu analysieren. Sie zeigen, wie unterschiedlich das Haftungsprinzip und die europäische Solidarität gesehen werden. Die deutsche Position setzt vor allem ex ante auf haushaltspolitische Disziplin und sieht maßgeblich fiskalisches Fehlverhalten als Grund der Krise. Aus dieser Tradition heraus entsteht die Forderung nach Austeritätsmaßnahmen in Krisenzeiten. Im Gegensatz dazu hebt die französische Seite hervor, dass zunächst ex post ökonomische Gleichgewichte wiederherzustellen seien. Die Krise wird hier weniger als Solvenz- denn als Liquiditätskrise gesehen. Statt Haftungsprobleme zu betonen, wird die Solidarität zwischen den europäischen Staaten hervorgehoben und die Notwendigkeit von Wachstumspaketen betont. Dieser Streit lässt sich, wie in diesem Buch detailreich belegt wird, an verschiedenen Punkten der Eurokrise erkennen und findet Einzug in die während der Krise geschaffenen Instrumente und Institutionen – zumeist, indem sich die deutsche Philosophie durchsetzt.

Brunnermeier, James und Landau sind der Ansicht, dass ein Wandel innerhalb der Denktraditionen durchaus möglich ist. Sowohl Deutschland als auch Frankreich haben nach dem Zweiten Weltkrieg erhebliche Veränderungen ihrer wirtschaftspolitischen Philosophien erlebt. Die Differenzen sind daher nicht in Stein gemeißelt. Zugleich, so die Autoren, müssen sich beide Positionen nicht gegenseitig ausschließen. Vielmehr benötigen sie einander, um zu einer nachhaltigen Entwicklung zu gelangen. Ob es jedoch zu einer Synthese beider Ansätze kommen kann und wie diese aussehen würde, ist fraglich, da die ideellen Unterschiede tief sind und der Konflikt schon lange dauert.

Alexander Schellinger und Philipp Steinberg widmen sich in dem von ihnen herausgegebenen Sammelband – angesichts anhaltender Krisenprozesse des europäischen Projekts – der schwierigen Aufgabe, konkrete und pragmatische Reformperspektiven für eine in ihren Grundfesten erschütterte Union aufzuzeigen. Längst ist deutlich, dass Reformbedarf besteht: Die Eurozone steht vor erheblichen politischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen. Sich des schwierigen Umfelds bewusst, führen Schellinger und Steinberg drei wesentliche Punkte zusammen: Bestehende Probleme, politische Konstellationen sowie konkrete Reformvorschläge.

Anhand der herausgegebenen Beiträge zeigen sie auf, dass die Eurokrise eine multiple Krise ist. Dies offenbart sich einerseits in schwierigen politischen Entscheidungsprozessen auf europäischer wie nationaler Ebene und andererseits in institutionellen Konstruktionsfehlern der Eurozone sowie einem nicht eingelösten Wohlstandsversprechen in Teilen der Währungsunion. Eine Lösung der Währungskrise, ohne die soziale und politische Dimension Europas zu stärken, wäre demnach möglicherweise kurzfristig erfolgreich. Langfristig sorgt dies jedoch nicht für eine Stabilisierung Europas. Deutlich wird, dass die Eurozone umfassende Reformen benötigt. Doch der Blick auf die politische Situation innerhalb der Bundesrepublik zeigt, dass dies ideell, politisch und rechtlich kein einfaches Unterfangen ist. Die Autoren zeigen auf, dass der bisherige Reformprozess zwar durch nationale Akteurskonstellationen und ideelle Faktoren bedingt ist. Zugleich ist ihnen zufolge die Eurozone jedoch durch eine Vielzahl von Vetospielern gekennzeichnet, die zu gemeinsamen Kompromissen kommen müssen.

Die Reformvorschläge, die im Sammelband dargelegt werden, skizzieren Schritte in Richtung einer Fiskalunion, die den Erhalt der Vielfalt europäischer Produktionssysteme ermöglicht und zugleich einen europäisch koordinierten Reformprozess ermöglicht. Sie schlagen vor, dass mittels einer Veränderung des wirtschaftspolitischen Rahmens, eines gemeinsamen Eurozonenbudgets oder eines europäischen Schuldenrestrukturierungsrahmens makroökonomische Steuerungsmöglichkeiten geschaffen werden, die der Eurozone derzeit fehlen und den Mitgliedstaaten größere fiskalische Spielräume für Wachstums- und Beschäftigungsimpulse ermöglichen würden. Zudem könnte ein demokratisch legitimierter Eurozonen-Finanzminister die Governance der Eurozone verbessern und politische Entscheidungsprozesse im Interesse der gesamten Eurozone prägen. Darüber hinaus sehen die Reformvorschläge eine Stärkung der sozialen Dimension vor, die der Heterogenität sozialpolitischer Modelle Rechnung trägt und trotzdem zur sozialen Kohäsion beiträgt. Wie weitreichend diese Reformen sein könnten, skizzieren die Herausgeber in zwei Szenarien, die gegen einen Rückbau der Eurozone argumentieren. Dieser würde die bestehenden Probleme nicht lösen. Im Rahmen auf einander aufbauender Veränderungen könnten einige Vorschläge lediglich in Teilen umgesetzt werden. Dies wird als realistischeres Szenario bezeichnet. Ein zweites, wünschenswerteres Szenario sieht eine weitreichende Umsetzung der Reformen in Richtung der dargestellten Fiskalunion vor.