17 von 38 Vorstandsmitgliedern der spanischen Sozialisten sind zurückgetreten. Beobachter sprechen von einem Putsch gegen PSOE-Chef Pedro Sánchez. Wer sind die Putschisten und was wollen Sie?

Pedro Sánchez hatte die PSOE nach den Parlamentswahlen im Juni auf eine Ablehnung des konservativen PP-Ministerpräsidenten Mariano Rajoy eingeschworen: weder Koalition noch Stimmenthaltung – und damit Bestätigung des Minderheitskabinetts von Rajoy in einem zweiten Wahlgang, wo nur noch eine einfache Mehrheit benötigt wird – kamen für ihn in Frage. Zu Recht fürchtete er die Folgen für seine Partei: einen innerparteilichen Konflikt gar bis hin zur Spaltung sowie die Propagandamaschinerie der linkspopulistischen Podemos, die den Verrat der PSOE am anvisierten  Wechsel wieder und wieder angeprangert hätte. Zudem beruft er sich auf einen Beschluss des Bundesausschusses von Anfang Juli, der für eine Ablehnung Rajoys votiert hatte.

Stattdessen versucht Sánchez seit Wochen hinter den Kulissen erneut die liberale Ciudadanos und Podemos an Bord zu bekommen. Bislang vergeblich forderte er auch die beiden auf, aufeinander zuzugehen. Die Liberalen zeigten sich diesmal zugeknöpft – auch mit dem Verweis auf den internen Richtungsstreit der Sozialdemokraten.

Eine Koalition mit der in ihren Augen unberechenbaren Podemos unter Duldung oder gar Abhängigkeit von Regionalparteien – etwa mit den auf Unabhängigkeit drängen den katalanischen Parteien – ging vielen dann doch zu weit. Ein Block regierender PSOE Regionalpräsidenten unter Führung von Susana Díaz aus Andalusien machte deshalb Front gegen den Kurs von Sánchez: mit 85 Abgeordneten könne man nicht regieren, die Parlamentsfraktion solle deshalb bei einer erneuten Abstimmung eine PP-Minderheitsregierung im zweiten Wahlgang durch Enthaltung ins Amt bringen, damit das Land wieder eine handlungsfähige Regierung bekomme. Mehr noch: der seit 2014 amtierende Pedro Sánchez solle endlich die politische Verantwortung für das schlechte Abschneiden der Partei bei den beiden landesweiten Wahlen im Dezember 2015 und Juni 2016 sowie nun bei den Regionalwahlen in Galizien und dem Baskenland übernehmen.

Die 17 jetzt zurückgetretenen Vorstandsmitglieder kommen zum größten Teil aus den Landesverbänden, die die Kritik in den letzten Tagen angeführt haben. Der Vorstand ist damit wenn nicht de jure, so doch politisch handlungsunfähig. Das Kalkül: Sánchez bleibe letztlich nur der Rücktritt.

Pedro Sánchez wollte eigentlich Ende Oktober per Mitgliederentscheid über die Parteiführung entscheiden lassen, geht jetzt alles viel schneller?

Sánchez ging am Donnerstag in die Vorwärtsverteidigung und erneuerte seinen Vorschlag eines Mitgliederentscheids über den Parteivorsitz bis zum 23. Oktober und einem, terminlich nochmals vorgezogenen außerordentlichen Parteitag am 12.-13. November. Damit sei man bis zu einer möglichen dritten Neuwahlrunde am 18. Dezember wieder handlungsfähig.

Würde eine neue Parteiführung eine Regierungskoalition eingehen, oder muss mit Neuwahlen im Dezember gerechnet werden?

Nach der zweifach fehlgeschlagenen Amtsbestätigung des konservativen Premiers Rajoy haben die im Parlament vertretenen Parteien bis zum 31. Oktober Zeit, eine neue regierungsfähige Mehrheit auf die Beine zu stellen – danach gibt es automatisch eine dritte Neuwahlrunde im Dezember.

Mit Blick auf das dadurch befürchtete weitere Erstarken von Podemos dürfte PSOE eine formale Koalition mit PP ausschließen. Folgende Szenarien sind denkbar: Pedro Sánchez setzt sich mit seinem Ansinnen eines vorgezogenen Parteitages im November durch. Es kommt zu keiner Regierungsbildung bis Ende Oktober und einer Neuwahl im Dezember.

Oder aber Sánchez wird zum Rücktritt gezwungen und ein Übergangskandidat oder Susana Diaz  – vom stärksten Landesverband Andalusien – übernimmt geschäftsführend bis zum regulären Parteitag im März 2017 das Amt. Die Parlamentsfraktion wird auf eine Enthaltung im zweiten Wahlgang bei einer eventuell erneuten Amtsbestätigung von Manuel Rajoy eingestimmt.

Ob mit oder ohne Sánchez befindet sich PSOE in ihrer tiefsten Krise seit der Redemokratisierung Spaniens vor gut 40 Jahren. Sánchez hat die Partei durch drei schwierige Jahre mit einer veränderten politischen Landschaft geführt. Ein nun forcierter vermeintlicher Kurswechsel in der Frage der Regierungsbildung kratzt nur an der Oberfläche und löst nicht die grundlegenden Herausforderungen. 

 

Die Fragen stellte Hannes Alpen.