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Die Fragen stellten Claudia Detsch und Nikolaos Gavalakis.
In den USA wurde Joe Biden zum Präsidenten gewählt. In welchen konkreten Politikfeldern ist nun wieder eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten möglich?
Ich hoffe sehr auf eine Kehrtwende in der Klimapolitik. Die Erwartung, dass Biden sehr schnell zum Pariser Abkommen zurückkehrt, ist sehr hoch. Das zweite ist die Abrüstung; das Muskelspiel von Trump muss aufhören. In Wirtschaftsfragen ist es Zeit, Abstand von Wagenburgmentalität und Protektionismus zu nehmen. Dennoch gilt: Kein Freihandel um jeden Preis. Die Frage muss sein, inwieweit im wirtschaftlichen Miteinander auch ethische Fragen eine Rolle spielen. Aber hier stimmen mich seine ersten Reden und auch das, was er im Vorfeld gesagt hat, verhalten optimistisch. Ihm ist außerdem auch bewusst, dass im Umgang miteinander wieder ein anderer Stil einkehren muss. Ich warne aber vor naiver Euphorie: Joe Biden ist zum Präsidenten der Vereinigten Staaten und nicht zum Weltpräsidenten gewählt worden. Angesichts der von Trump weiter vertieften Spaltung der US-amerikanischen Gesellschaft muss er sehr unterschiedliche Erwartungen im eigenen Land bedienen. Die Frage ist, wie er dafür auf Augenhöhe eine Verständigung mit seinen Partnern sucht.
Sie sprechen es an: Sicherlich wird ein US-Präsident Biden in Zukunft primär amerikanische Interessen vertreten. Muss Europa nicht auch unabhängig vom Amtswechsel in den USA wieder vermehrt auf eigenen Beinen stehen?
Das hätte schon viel früher geschehen müssen. Ich finde, dass wir uns viel zu arglos darauf verlassen haben, dass die USA immer ein Hort von Stabilität und Verlässlichkeit bleiben und unsere Interessen immer gleich mitdenken. Es gab ja auch schon vor Trump Anlass, daran zu zweifeln. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Digitalisierung und Datenschutz. Da hätte Europa mit seiner Wirtschaftskraft gut daran getan, sich auf eigene Füße zu stellen. Das haben wir versäumt. Der Schock mit der Wahl von Trump hat ja nur deutlich gemacht, was wir zuvor vernachlässigt haben. Wir haben einer Entwicklung dahin zugesehen, dass wir in einem wichtigen Feld wie der Digitalisierung nur wählen können zwischen einer Anlehnung an China oder an die USA. Das ist für einen Kontinent mit der Wirtschaftskraft und der Größe Europas völlig unangemessen. Wir müssen digital unabhängiger werden.
Wird die multilaterale Zusammenarbeit mit der Präsidentschaft Bidens wieder wichtiger werden? In den letzten Jahren war es ja oft so, dass das Recht des Stärkeren – wenn man zum Beispiel Richtung Türkei oder nach Russland guckt – sich durchgesetzt hat.
Ja, auf jeden Fall. Trump hat ja nicht nur das bilaterale Verhältnis zu den USA belastet, er hat auch Autokraten der zweiten und dritten Reihe ermutigt, ihm nachzueifern. Das, was wir zum Teil in anderen Staaten erleben, ist durch Trumps Agieren als Elefant im Porzellanladen begünstigt worden. Deswegen habe ich nach seiner Abwahl die Hoffnung, dass einige Zweitliga-Muskelprotze ohne Trumps Rückendeckung etwas kooperativer werden.
Durch die Corona-Pandemie werden viele Fortschritte in den Ländern des Globalen Südens wieder zunichte gemacht, in einigen Ländern drohen Armuts- und Hungerkrisen. Wie können die Industrieländer hier konkret einen Beitrag leisten, um die Weltwirtschaft widerstandsfähiger zu machen?
Es fängt damit an, dass wir viel mehr Fairness in den Welthandel bringen müssen. Gerade an unserem Umgang mit den Ländern des Globalen Südens zeigt sich, dass das reine „Laufen-Lassen“ von Marktkräften ohne einen ordnenden Rahmen dazu führt, dass die Schwächeren in die Röhre gucken. Nehmen wir als Beispiel die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen am Ende mancher Lieferkette, mit der wir unseren Wohlstand sichern. Wenn wir etwas ordnen, dann vornehmlich zwischen den Industriestaaten im Rahmen der OECD, zum Beispiel beim schwierigen Versuch, Steuerlücken zu schließen. Dabei liegen viele Steueroasen außerhalb der OECD. Oder die vom Norden diktierten Bedingungen für Saatgut, Nahrungsmittelproduktion und Verwendung der Überschüsse bei uns. Die Missachtung der Staaten des globalen Südens führt zu Perspektivlosigkeit, Konflikten und Migration. Uns muss klar sein, wie viel wir von der Arbeit der Menschen in diesen Ländern profitieren. Wenn wir für gerechte Preise und nachhaltige Produktionsbedingungen und mehr internationale Entwicklungszusammenarbeit sorgen, dann heißt das nicht einfach nur abgeben, sondern das dient auch der Sicherung von Frieden und Wohlstand bei uns.
Sie haben das Lieferkettengesetz angesprochen – aktuell ein heikles Thema im politischen Berlin. Worum geht es konkret und warum ist das Thema für die Sozialdemokraten so wichtig?
Ich finde es völlig legitim, dass die Politik sich darum kümmert, die Lebensverhältnisse der Menschen im eigenen Land so gut und verlässlich wie möglich zu gestalten. Aber unser Lebensstandard darf nicht darauf gründen, dass Menschen in anderen Regionen unter unwürdigsten Bedingungen leben und arbeiten, dass die Umwelt in diesen Staaten zerstört wird, dass Zivilisation zurückgeworfen wird. Ich möchte den Wohlstand sichern, indem wir fair mit allen umgehen. Wohlstand und Anstand gehören zusammen. Was heißt das konkret? Unternehmen, die im Ausland produzieren und in Deutschland Geschäfte machen, müssen ein Augenmerk darauf haben, unter welchen Bedingungen Rohstoffe gewonnen und Waren hergestellt werden. Mit dem Lieferkettengesetz wollen wir sicherstellen, dass Unternehmen hier haftbar gemacht werden können, wenn sie Geschäfte mit ausbeuterischen Zulieferern machen.
Ich möchte den Wohlstand sichern, indem wir fair mit allen umgehen.
Es geht aber nicht nur um den Warenimport. Unternehmen, die in Deutschland produzieren, dürfen nicht etwa die Lieferkette umdrehen und sich die Arbeiter aus dem Ausland liefern lassen, die sie dann hier ausbeuten. Sehen wir uns die Fleischindustrie an: Das Fleisch wird zwar in Deutschland verarbeitet, aber die Mitarbeiter werden importiert. Hier arbeiten viele unter unwürdigsten Bedingungen. Das geht nicht. Da sind wir entschlossen hineingegrätscht. Mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz haben wir Sozialdemokraten in der Koalition einen enormen Fortschritt durchgesetzt.
Nun wird aber bemängelt, dass durch ein Lieferkettengesetz die Wirtschaft in einem Moment ausgebremst wird, in dem sie wegen Corona ohnehin schon stark gebeutelt ist. Können wir uns das in der jetzigen Situation überhaupt leisten?
Wenn Menschlichkeit und Anstand zum Wettbewerbsnachteil würden, hätten wir vor der Werteblindheit entfesselter Märkte kapituliert. Märkte brauchen einen Rahmen, der Wohlstand und Anstand beieinander hält. Ich glaube, dass die Krise auch Augen öffnet. Die Krise gefährdet nicht nur in Deutschland Existenzen. Sie tut das mindestens im selben Maße in anderen Teilen Europas und in anderen Teilen der Welt. Selbstverständlich müssen wir dafür sorgen, dass in Deutschland die Wirtschaft so schnell wie möglich wieder in Gang kommt. Aber wir müssen auch die Chance ergreifen, beides zu machen: Wir müssen Weichen stellen, damit mit der Bekämpfung von Corona nicht andere Krisen aus dem Blick geraten. Die Pandemie ist das eine. Die Krise von Armutsflucht und Armutsmigration aber hängt unmittelbar zusammen mit der Ungerechtigkeit der Handelsbeziehungen. Das gleiche gilt für die weltweite Zerstörung des Klimas. Es wäre fatal, jetzt nicht darüber nachzudenken, wie wir uns in Zukunft stabil und verantwortungsvoll aufstellen.
Was würde ein Lieferkettengesetz nach den Vorstellungen der SPD konkret bedeuten für Beschäftigte und Konsumenten?
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es Importeure gibt, die mit Appellen leider nicht erreichbar sind. Gleichzeitig zeigen die Erfahrungen in anderen Staaten, dass schon die glaubhafte Androhung einer Haftung Wirkung zeigt. Wir brauchen auch bei uns ein Gesetz mit Zähnen. In einer sozialen Marktwirtschaft sollte man erwarten, dass soziale und ethische Fragen nicht der puren Gewinnmaximierung geopfert werden. Es gibt Unternehmen, die hohe Wertmaßstäbe im Umgang mit Mensch und Natur anlegen. Leider bei weitem nicht alle. Diese Unternehmen dürfen für ihre Verantwortungslosigkeit nicht auch noch belohnt werden. Deshalb brauchen wir eine Haftungsregelung. Wir wollen, dass die Betroffenen oder hiesige Organisationen, die ihre Interessen vertreten, Klagebefugnis erhalten. Ich finde es beschämend, dass Parteien mit einem „C“ im Namen menschlichen Anstand für wettbewerbsschädigend halten und eine wirksame Regelung verhindern wollen. Anstatt wie von uns gefordert Firmen ab 500 Beschäftigten wollen CDU und CSU nur Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten zur Rechenschaft ziehen. Und anstatt auch die Hintermänner der Lieferanten zu packen, soll die Haftung der Importeure sich auf den direkten Partner beschränken. Die Folge ist abzusehen: Es wird kleine, anständige Zwischenhändler geben. Woher die dann ihre Waren beziehen, ist egal. Wir wollen aber kein Alibi-Gesetz. Wir wollen, dass Schluss ist mit Profitmaximierung auf dem Rücken von Mensch und Natur.
Sie haben es angesprochen: Das Thema Lieferkettengesetz sorgt für Streit innerhalb der Koalition, eine Einigung ist nicht in Sicht. Wie geht es jetzt weiter?
Wenn ein Schiff in rauer See zu kentern droht, dann braucht man auf der Brücke Leute, die in der Lage sind, den Kahn über Wasser zu halten. Das erleben wir derzeit. In dieser unmittelbaren Krisenphase der Pandemie stimmen die Interessen von CDU/CSU und SPD stark überein. Dafür wird der Bundesregierung auch eine gute Bewertung der Bürgerinnen und Bürger zuteil. Ich sähe es natürlich lieber, wenn dabei noch deutlicher würde, wie viel Anteil die Ministerinnen und Minister der SPD daran haben. Es scheint doch sehr stark nur auf die Kapitänin abzufärben, die Bundeskanzlerin. Aber Tatsache ist, diese Zusammenarbeit funktioniert.
Wenn Menschlichkeit und Anstand zum Wettbewerbsnachteil würden, hätten wir vor der Werteblindheit entfesselter Märkte kapituliert.
Sobald sich das Wetter aber wieder etwas beruhigt hat, stellt sich die Frage: Wohin fährt der Kahn? Wenn man dann feststellt, dass man einen Partner an Bord hat, der immer im Kreis oder rückwärtsfahren will, ist das ein Problem. Dieses Problem ist durch Corona etwas in den Hintergrund getreten, aber es wird wieder auftauchen. Wir müssen Kurs nehmen in Richtung eines verantwortlichen wirtschaftlichen Handelns mit Rücksichtnahme auf die, mit denen wir Handel treiben. Hier liegt der Unterschied zwischen der SPD und einer hauptsächlich auf das wirtschaftliche Gewinnstreben orientierten CDU und CSU. Wir sagen, dass sich die ethische Grundhaltung im Welthandel wiederfinden muss. Ein Land kann dabei nicht alles allein machen. Aber man kann vorangehen.
Sie haben von Armutsmigration gesprochen. Was hat das Lieferkettengesetz oder der Kampf gegen internationale Steuerhinterziehung mit Afrika und der Armutsmigration zu tun?
Auf der einen Seite werden in den reichen Industrieländern durch die Arbeits- und Produktionsverhältnisse, die in den Ländern des globalen Südens herrschen, hohe Gewinne erwirtschaftet. Nehmen wir als Beispiel die Gewinnung seltener Erden im Kongo oder die Situation von Näherinnen in Bangladesch. Wir wissen doch, unter welch miserablen Bedingungen die leben, die diese Rohstoffe erzeugen oder diese Kleidungsstücke nähen. Wie kann es uns wundern, dass in diesen Ländern Konflikte ausbrechen und sich die Menschen in den gelobten Norden aufmachen. Dieses Problem lösen wir nicht mit Grenzpatrouillen und der Verweigerung von Seenotrettung, das lösen wir nur mit massiver Entwicklungszusammenarbeit und fairem Handel.
Gleichzeitig werden oft aber gerade diese Länder auch als Steueroasen missbraucht.
Richtig! Oder es wird Geld einer korrupten Oberschicht dort in die Länder der OECD verschoben. Deshalb würden wir nie zur Lösung der weltweiten Finanzkriminalität beitragen, wenn wir internationale Abkommen nur auf die Industriestaaten begrenzen. Es ist gut, dass sich die UN des Phänomens der weltumspannenden Korruption und Finanzkriminalität angenommen haben. Wir dürfen uns nichts vormachen bei allem Wohlwollen gegenüber den Ländern des globalen Südens: Sie haben zum Teil Regierungen, Machthaber, Eliten, die sich ebenfalls darauf verstehen, ihre Länder auszunehmen. Das gehört bei uns zum Allgemeinwissen. Was allerdings viele verdrängen, ist, dass das ohne helfende Hände in den Industriestaaten gar nicht möglich wäre.
Auf dem Schattenfinanzindex des Tax Justice Networks, der globale Intransparenz und Steuervermeidungsmöglichkeiten von Staaten misst, befindet sich Deutschland mit Platz 14 relativ weit oben auf der Liste. Was muss getan werden, um auch hierzulande diesbezüglich Fortschritte zu erzielen?
Das, was ich eben zu Lieferketten gesagt habe, gilt in gleicher Weise für die Steuerpolitik. Es gibt in Deutschland sehr starke Kräfte, die alles dafür unternehmen, die Intransparenz aufrechtzuerhalten. Ein öffentlich zugängliches Country-by-Country-Reporting würde Aufschluss darüber geben, wie sich Umsätze, Gewinne und Steuerzahlungen globaler Unternehmen über die Welt verteilen. Dann würden wir schnell sehen, dass die Gewinne oft da verbucht werden, wo keine Steuern anfallen. Wenn man Teile der Industrie darauf anspricht, dann sagen sie: Wenn wir das ganz offen darstellen würden, dann gäbe es Ansprüche von Staaten an Steuern, die bislang auch in Deutschland gezahlt werden. Es stimmt: Gerechter heißt nicht immer, dass wir mehr bekommen, es kann auch bedeuten, dass wir etwas abgeben müssen.
Ich würde es für richtiger halten, wenn wir zu einer faireren Verteilung von Steuereinnahmen kämen, als es von unserem Good Will abhängig zu machen, wieviel Almosen in Form von Entwicklungshilfe Staaten erhalten.
Ich würde es für richtiger halten, wenn wir zu einer faireren Verteilung von Steuereinnahmen kämen, als es von unserem Good Will abhängig zu machen, wieviel Almosen in Form von Entwicklungshilfe Staaten erhalten. In Wirklichkeit überweist man nur einen kleineren Teil dessen, was man eigentlich hätte abgeben müssen, wenn Steuern gerecht verteilt worden wären. Da ist Deutschland alles andere als ein Musterknabe.
Sie haben angesprochen, dass wir als Europäer schlecht positioniert sind, beispielsweise im Bereich der Digitalisierung. Die EU versucht sich immerhin an einer Aufholjagd und möchte dabei eine Alternative zu den USA und China bieten. Nehmen wir nun die Fragen gerechter Handel, gerechte Produktionsbedingungen, Kampf gegen Steuerhinterziehung – wie gut ist Europa positioniert, um tatsächlich global als die bessere Alternative wahrgenommen zu werden?
Wir müssen in Deutschland wieder mehr darüber reden, wie wir die nationalen Egoismen auf dem eigenen Kontinent überwinden. Im Moment geben wir extrem viel Handlungsfähigkeit auf, weil wir untereinander nicht zu einer Regelung finden. Für fast alle substanziellen Entscheidungen brauchen wir in Europa Einstimmigkeit. Natürlich könnte im Fall von Mehrheitsentscheidungen auch Deutschland überstimmt werden. Aber wenn wir Europa ernstnehmen, dann müssen wir zu einer europäischen Willensbildung kommen. Gelingt das nicht, dann haben multinationale Konzerne viel größere Möglichkeiten, sich jeweils bei einem zu bedienen, im schlimmsten Fall ihn auch mit wirtschaftlichen Vorteilen gefügig zu machen. Wir erleben ja, wie zum Beispiel Irland mit den Steuerprivilegien gegenüber Apple nicht gerade in europäischem Zusammenhang gedacht hat.
Ein anderes Beispiel: Wie exportieren von Europa unsere landwirtschaftliche Überschussproduktion in afrikanische Staaten und zerstören Strukturen. Wir müssen an der inneren Struktur Europas etwas ändern, wenn wir wirklich eine Politik machen wollen, die ethische Vorstellungen und Fairness ernst nimmt.
Eine solche Korrektur bedeutet aber nicht nur Verzicht. Wir gewinnen dadurch auch Sicherheit. Wenn sich die Menschen in diesen Staaten auf den Weg machen, wird es soziale Unruhen und Konflikte geben. Daran kann auch den reichen Staaten des globalen Nordens nicht gelegen sein.
Wie soll die Bewältigung der aktuellen Krise finanziell gestemmt werden. Ist eine Reichensteuer eine gangbare Option?
Hier stellt sich wieder die Frage: Was macht man gleich und was macht man später? Jetzt muss der Staat erstmal Geld in die Hand nehmen, um die Gesellschaft und die Wirtschaft durch die gröbste Krise zu bringen. Es gibt gute Gründe, die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse zu beanspruchen und Kredite aufzunehmen, um die Wirtschaft in Gang zu setzen. Aber irgendwann muss man darüber reden, wie man mit den aufgenommenen Krediten umgeht. Sicher, einiges wird durch Wirtschaftswachstum aufgefangen. Das war auch nach der Finanzkrise so. Aber bei der aktuellen Größenordnung müssen wir auch darüber reden, wie die Last für die Zukunft verteilt wird. Es gibt in dieser Krise extreme Krisengewinner und es gibt extreme Krisenverlierer. Lassen wir das laufen, wird diese Krise die Gesellschaft noch tiefer spalten. Jemand, der in Kurzarbeit ist, der nicht weiß, ob sein Unternehmen überlebt, ob er seinen Arbeitsplatz behält, der wird sich anders verhalten müssen als jemand, der eine halbe Million auf dem Konto hat und sich überlegt, in welche Immobilien und in welche Aktien er investiert. Also muss man den einen sagen: Von diesen Gewinnen müsst ihr auch ein Stück in den gemeinsamen Topf zahlen. Das gilt zum Beispiel für die Digitalwirtschaft.
Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit. Wie man das am Ende praktisch macht, ob über eine höhere Besteuerung der Einkommen oder über eine deutlich höhere Besteuerung von Vermögen oder Erbschaften, darüber müssen wir nach der Krise entscheiden.