Petro Poroschenko ist in der ersten Runde zum ukrainischen Präsidenten gewählt worden. Drei Monate nach dem Erfolg der Straße wird nun ein Oligarch Präsident. Was sagt das aus über die „Maidan-Revolution“?

Das Wahlergebnis zeigt, dass die Maidan-Revolution sehr schnell in der politischen Wirklichkeit angekommen ist. Bereits direkt nach der Bildung der neuen ukrainischen Regierung im Februar (die ja auch aus meist bekannten alten Politikern besteht) musste diese das Bündnis mit den regionalen Eliten suchen, um einige Orte ruhig und unter Kontrolle zu halten. In Dnjepropetrowsk und Charkiw ist das gelungen, im Donbass nicht.

Poroschenko wird in der derzeitigen Stimmung in der Ukraine insofern gewissermaßen als „guter Oligarch“ wahrgenommen. Schließlich stand er auch mit seinem Fernsehsender, dem 5. Kanal, schon sehr früh auf der Seite des „Maidans“. Aus deutscher Sicht scheint diese Wahrnehmung Poroschenkos als „guter Oligarch“ vielleicht ein wenig naiv. Doch wichtig ist es, ihm nun eine Chance zu geben.

Gemessen an dem gestrigen politischen Erdbeben in der EU ist klar, dass Rechtsextremismus in der Ukraine nicht das drängendste Problem ist.

Die ukrainischen Wähler haben gestern auch deutlich gemacht, dass sie die Lösung der jetzigen Situation nicht von Rechtsaußen erwarten. Bei einer Parlamentswahl hätten alle rechtsnationalen und rechtsextremen Kräfte zusammengenommen hier noch die Chance, die Hürde für den Einzug ins Parlament zu überwinden. Doch gemessen an dem gestrigen politischen Erdbeben in der EU ist klar, dass Rechtsextremismus in der Ukraine nicht das drängendste Problem ist.

Poroschenko will Frieden in eine „vereinte und  freie Ukraine“ bringen. In Teilen des Ostens jedoch konnten die Wahlen nicht stattfinden. Wird Poroschenkos angekündigte Reise in den Osten an der Spaltung etwas ändern?

Eine einzige Reise des neu gewählten Präsidenten wird an der faktischen Spaltung sicher nichts ändern. Es kommt jetzt vielmehr darauf an, ob Poroschenko bereit sein wird, ein langfristiges und  ernsthaftes Engagement in einem längeren Prozess an den Tag zu legen. Dazu kann der bereits begonnene Runde Tisch zur nationalen Verständigung unter Teilnahme von Vertretern aller Regionen wichtige Beiträge liefern.

Eine Verfassungsreform wäre in der jetzigen Lage aber noch wichtiger. Eine neue ukrainische Verfassung sollte dann starke Elemente einer wirtschaftlichen und demokratischen Dezentralisierung enthalten. Aber natürlich müssen außen- und verteidigungspolitische Befugnisse Sache der Regierung in Kiew bleiben.

Was für Auswirkungen hat das Ergebnis auf das russisch-ukrainische Verhältnis?

Poroschenko ist für Russland jedenfalls keine Reizfigur. Man kann dem neugewählten Präsidenten nun wirklich nicht vorwerfen, er persönlich stünde in der Tradition des von russischer Seite gebrandmarkten galizischen Nationalismus. Zudem besitzt Poroschenko eigene Fabriken und Wirtschaftsinteressen in Russland und hat sich schon in der Vergangenheit als politisch äußerst flexibel erwiesen. So hat er beispielsweise sowohl mit Präsident Janukowitsch als auch dessen Vorgänger Juschtschenko politisch zusammen gearbeitet. Diese Eigenschaft könnte sich in der Annäherung an den russischen Nachbarn als vorteilhaft erweisen. Der weitere Prozess hängt aber meines Erachtens maßgeblich von der russischen Reaktion ab. Hier geht im Kern um die Frage, ob Moskau weiterhin von einer illegitimen Regierung plus Präsidenten ausgeht.

Was können EU, OSZE etc. jetzt tun, um eine Verbesserung der Lage zu befördern?

Es ist jetzt entscheidend, weiterhin deeskalierend auf die Konfliktparteien einzuwirken. Etwa in Form Runder Tische und durch Gesprächsangebote. Die OSZE scheint mir immer noch und weiterhin der beste Gesprächsrahmen, weil alle maßgeblichen „Player“, die Ukraine, Russland, die EU und die USA Mitglied sind.