Interview von Joanna Itzek
Der westliche Multilateralismus befindet sich in einer Krise, sogar im Westen selbst. Unterdessen tritt China selbstbewusst mit seinem eigenen Ansatz auf die Weltbühne. Ist das der Beginn des asiatischen Jahrhunderts?
In Asien spüren wir vor allem den Wettbewerb zwischen den Vereinigten Staaten und China. Aber wir hoffen, dass mehr multilaterale Akteure bereit sind, sich gegen diese Entwicklung zu stellen. Denn es gibt andere Akteure: Japan, Australien, sogar den Iran, Russland und weitere Länder wie Malaysia, Indonesien und Vietnam. Lassen Sie uns die aktuelle Situation nicht als reinen Wettbewerb zwischen den USA und China verstehen.
Aber wo positionieren sich diese asiatischen mittelgroßen Mächte innerhalb dieser beiden Pole: China auf der einen Seite und dem Westen auf der anderen?
Wir suchen nach Raum, damit wir nicht zerquetscht und gezwungen werden, uns zwischen den beiden zu entscheiden. Und wir wollen, dass China als gütige Macht aufsteigt. Wir verfolgen nicht den Ansatz, dass China schlecht ist. Wir sagen, dass wir China nahe stehen und hoffen, dass wir China zu einem bestimmten Verhalten bringen können, von dem alle profitieren.
Würden Sie sagen, dass die Nachbarn Chinas die chinesische Vision teilen?
Die Nachbarn Chinas wollen, dass das Land versteht, dass allein aufgrund seiner Größe alle seine Handlungen Auswirkungen auf seine Nachbarn haben. Und wir versuchen, den Chinesen dabei zu helfen, zu verstehen, dass sie es vermeiden sollten, Ängste unter den kleineren Staaten um sich herum zu erzeugen.
Wie werden Europa und die EU in der Region wahrgenommen?
Deutschland war im Vergleich zu Frankreich in der Region bisher nicht sonderlich engagiert. Frankreich ist viel stärker eingebunden. Großbritannien wendet sich vor dem Hintergrund des Brexits jetzt viel stärker Asien zu.
Aber ich denke, es ist wichtig, dass wir mehr Dialog und mehr Engagement aus Europa haben, damit wir nicht das Gefühl haben, es gäbe nur China und die USA.
Sehen Sie gemeinsame Interessen zwischen den Europäern und den asiatischen mittelgroßen Mächten?
Es gibt gemeinsame Interessen. Wir wollen sicherstellen, dass die Welt sich nicht mehr und mehr voneinander entkoppelt. Wir wollen sicherstellen, dass das Handelssystem intakt bleibt. Wir wollen sicherstellen, dass wir einige gemeinsame Regeln haben, gemeinsame Grundlagen, damit wir in Frieden leben können.
Aus dem Englischen von Marius Mühlhausen.