Wer dem neuen Präsidenten bei seiner Amtsübernahme zuhörte, dem fiel zu allererst seine düstere Bestandsaufnahme auf. Die Washington Post hat dazu eine faszinierende Liste von Worten angefertigt, die bisher in keiner anderen Inauguration vorkamen. Auf ihr finden sich „Massaker“ (carnage), „Verfall“ (disrepair), „verrostet“ (rusted), „stehlend“ (stealing), „Grabsteine“ (tombstones), „Bürger in der Falle“ (trapped).
Mehr Niedergang geht nicht. Und wer schuld daran hat, ist schnell benannt. Zum einen die politische Elite in Washington, die nichts tut gegen schließende Fabriken, den Verlust von Arbeitsplätzen und eine marode Infrastruktur, die degenerierende Streitkräfte zulässt und den Kollaps der öffentlichen Ordnung hinnimmt. Nicht einmal die eigenen Grenzen kann das Establishment angemessen sichern, weil es für das Wohl der anderen sorgt und dadurch rechtschaffene Amerikaner zurücklässt.
All dies möchte Donald Trump ändern. Er ist Prophet des Niedergangs und der Erneuerung zugleich. Seine Therapie heißt nationale Entfesselung. Abgewanderte Jobs und Industrien müssen zurück ins Land geholt werden, die Streitkräfte vor Kraft nur so strotzen und die Grenzen undurchlässig sein. Das Ausland muss wieder mit Ehrfurcht und Respekt auf die Vereinigten Staaten blicken, und dazu müssen wahre Patrioten her. Wer zu dieser Gruppe gehört, bestimmt aber nur einer: der US-Präsident. „Buy American, hire American!“, für Rücksichtnahme auf andere ist da kein Platz.
Die Welt des Präsidenten ist eine der Gegensätze: Es sind „wir oder sie“, es wird „gewonnen oder verloren“. Demnach muss die Rückerlangung von Amerikas Großartigkeit zu Lasten anderer gehen.
Der neue Mann im Weißen Haus setzt dazu auf das Primat der Ökonomie. Außenpolitik wird zur Wirtschaftsförderung und zum Nullsummenspiel. Alle Projekte müssen sich finanziell lohnen. Ganz egal ob Handelsabkommen oder Militärinterventionen, die Kosten und Nutzen für die USA werden gegeneinander aufgerechnet. Die Welt des Präsidenten ist eine der Gegensätze: Es sind „wir oder sie“, es wird „gewonnen oder verloren“. Demnach muss die Rückerlangung von Amerikas Großartigkeit zu Lasten anderer gehen. Was die Folgen für die internationale Politik und Ordnung sind, ist nachrangig.
„America first“ darf aber nicht als Isolationismus missverstanden werden. Das Imperium bleibt, bloß seine Definition wird enger und seine Instrumente kruder – im Inneren wie im Äußeren. Wie im Wirtschaftsleben möchte Donald Trump seine Gegner auf allen Ebenen dominieren. Regeln dürften gebrochen und auch Kriege geführt werden, einzige Voraussetzung: Sie rechnen sich. Dazu passt sein Bedauern, dass besiegte Länder heute nicht mehr ausgebeutet und behalten werden dürfen. Und wenn er seine Vorgänger kritisiert, dann fordert er nicht etwa weniger Engagement ein, sondern ein Mehr an Selbstsucht und Eigennutz. Im Fall von Libyen, so Kandidat Trump, „würde ich das Öl nehmen und den ganzen Kinderkram lassen. Ohne Öl bin ich nicht interessiert“.
Donald Trump gehört keiner der beiden Gruppen an, die über Jahrzehnte für das ideelle Fundament der amerikanischen Außenpolitik sorgten. Er ist weder ein Neokonservativer noch ein liberaler Internationalist. Stattdessen muss er der Jackson’schen Tradition zugeordnet werden. In Anlehnung an Andrew Jackson, US-Präsident von 1829-37, steht sie für: Anti-Elitismus, ein exklusives Verständnis des Volkes, keine Sympathie für den Aufbau anderer Nationen oder die Verbreitung von Demokratie und Freiheit. Aber für eine Militanz, die ihresgleichen sucht, wenn es um die Durchsetzung eigener Interessen geht.
Und darauf hat Präsident Trump in seiner Rede mehrmals hingewiesen. Von nun an geht es „nur“ noch um Amerika. Die Zeiten, in denen andere Nationen amerikanische Produkte produzieren, Firmen „stehlen“ und Jobs „zerstören“ sind vorbei. Es gilt das Recht des Stärkeren, und jeder ist sich selbst der Nächste. Die Vereinigten Staaten werden sich von niemandem „stoppen“ lassen. Eskaliert wird dort, wo es nötig ist. Ob für Deutschland, Europa oder China, die Botschaft ist die gleiche: „Don’t fuck with us!“
20 Leserbriefe
Mich irritiert die Rigorosität, mit der dieser neue Präsident schon jetzt - erstmal nur medial - bekämpft wird. Dabei waren seine Vorgänger auch keine Waisenknaben. Und das diese keine US amerikanischen Interessen durchgesetzt haben, wer glaubt denn sowas. Eine Regierung hat primär national zu denken. Dafür wird sie gewählt. Sollten wir Deutschen uns zu sehr daran gewöhnt haben, dass der große Bruder in Washington D.C die Entscheidungen für uns trifft, sollte uns die Rolle am Katzentisch auch gut gefallen haben, wer sagt denn, dass es nicht auch anders geht. Ich bin gespannt.
Aber wir müssen ja mehr Verantwortung übernehmen...
China und Teile der EU sind auf einem Weg hin zu alternativen Energien. Trump vertritt den Teil der US-Wirtschaft, der weiter am Öl hängt - das kann eine große Chance für den Teil der Welt sein, der erkannt hat, dass die Zukunft bei den alternativen Energien liegt - es werden aber auch US-Bundesstaaten den Öl-Kurs nicht unterstützen. So werden neue Allianzen entstehen.
America first ist absolut nichts Neues und der Patriotismus in Amerika ist immer schon überzogen.
Mehr Niedergang geht nicht, findet der Autor und meint Trumps Rede. Etwas weniger Niedergang, was die Beurteilung von Herrn Trump anbetrifft, würde unseren Politiker und Medien gut tun. Wohl noch nie ist ein demokratisch gewählter Politiker so abgeurteilt worden. Nur gut, dass sich die inhaltsleere Politik unserer Volksvertreter so positiv dagegen abhebt!
jetzt haben sich die Ultrareichen unmittelbar und ohne Umschweife die Regierungsmacht unter den Nagel gerissen. Sie propagieren ungeniert und brutal: Jeder gegen Jeden, Kapitalismus pur, ohne jegliche Schminke: vulgar, abstoßend und unmenschlich.
Sorry, aber das waren keine "ideellen", sondern sehr materialiatische "Fundamente der amerikanischen Außenpolitik" gewesen.
Ihre Idealisierung des "Imperiums" grenzt schon an eine Unterwerfungsgeste., weiß doch jeder, dass auch die Obama-Regierung ein Instrument der Interessen des finanzkapitalistisch-rüstungsindustriell-militärbürokraischen Syndikast gewesen ist - und dass die Trump-Regierung genau das bleiben wird. Trump ist genau so eine puppet wie Obama: im "Westen" nichts Neues!
Keine Agenda 2010, keine neue Mitte => keine AfD
Kein New Labour => kein UKIP
Insofern danke Sozialdemokratie!
Richtig wäre es, seine Schritte gelassen zu analysieren und dort, wo sie eine denkbare Alternative zum Bisherigen sind, die Gemeinsamkeit zu suchen. Aber Medien und Politik in EU befinden sich ja permanent im geistigen Urlaub im Märchenland. Selbstgerecht wie immer.
Vielen Dank für den tollen Beitrag!