Bei einem offiziellen Abendessen in Washington, D.C., im Vorfeld des im November in Brisbane stattfindenden G-20-Gipfels, belehrte der in Australien geborene Medienmogul Rupert Murdoch die anwesenden Minister über die Gefahren des Sozialismus und des übermäßigen staatlichen Einflusses. Als glühender Gegner des australischen Kohlenstoffpreises und kampferprobter Kontrahent von US-Präsident Barack Obama lobte Murdoch die Vorzüge von Sparpolitik und minimaler Regulierung und wetterte gegen die zersetzende Wirkung sozialer Sicherheitsnetze.
Die Minister befanden sich in Washington, um an der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank teilzunehmen, wo sie versuchten, Differenzen auszudiskutieren und vor dem bevorstehenden Gipfel eine gemeinsame Basis zu schaffen. Doch der von Murdoch angeschlagene Ton deutet darauf hin, dass es schwierig werden wird, eine Einigung im Hinblick auf nachhaltiges und inklusives Wachstum zu erreichen.
Murdochs Äußerungen decken sich mit den Ansichten seines Freundes, des australischen Premierministers Tony Abbott, sowie Abbots derzeitiger Regierung. Im Januar beispielsweise teilte Abbott den verblüfften Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums in Davos mit, dass die globale Finanzkrise nicht durch unregulierte globale Märkte ausgelöst wurde, sondern vielmehr durch ein Übermaß an staatlichem Einfluss. Eine absolute Neuigkeit für die anwesenden Finanzminister, die in den vergangenen fünf Jahren mit den toxischen Auswirkungen der Exzesse auf dem Finanzsektor zu kämpfen hatten.
Welche Strukturreform ist angemessen?
Im Lichte derartiger Äußerungen ist Australiens Weigerung, Themen wie den Klimawandel oder inklusiven Wohlstand auf die Brisbane-Agenda zu setzten, leichter zu verstehen. Natürlich ist die Ankurbelung des globalen Wachstums auch ohne die Berücksichtigung von Inklusivität oder ökologischer Nachhaltigkeit schon Herausforderung genug. Bestätigt wird diese Tatsache durch die düsteren Wachstumsprognosen des IWF. Und viele politische Entscheidungsträger betrachten Australiens G-20-Vorsitz als Chance, neue Energien zu mobilisieren und die Mission der Gruppe zu stärken – nämlich für globales Wachstum, Arbeitsplatzschaffung und steigenden Lebensstandard zu sorgen. Die G-20-Finanzminister haben sich bereits auf ein jährliches Wachstumsziel von zwei Prozent bis zum Jahr 2018 verständigt. Um dieses Ziel zu erreichen, sichten sie derzeit über 900 Vorschläge für Strukturreformen.
Werden Strukturreformen nicht richtig umgesetzt, wird der Gipfel in Brisbane als Fehlschlag zu betrachten sein.
Es bleibt abzuwarten, welche Reformvorschläge die G-20-Mitglieder in Brisbane vorbringen und wie ernsthaft sie deren Umsetzung betreiben werden. Die größere Herausforderung besteht jedoch darin, diese Wachstumsziele in nachhaltiger und inklusiver Weise zu erreichen. Werden Strukturreformen nicht richtig umgesetzt, wird der Gipfel in Brisbane als Fehlschlag zu betrachten sein.
Strukturreformen, im Rahmen derer gewisse Interessen dem übergeordneten Wohl geopfert werden, sind immer umstritten und schwierig in der Umsetzung. Wenn man mit derartigen Reformen allerdings von den gewöhnlichen Bürgern Opfer fordert und die privilegiertesten Gruppen der Gesellschaft von diesen Reformen profitieren, sind politischer Stillstand und Instabilität unweigerlich die Folge.
In den letzten zwei Jahren stellten Wissenschaftler, Regulierungsbehörden, Ökonomen und Finanzinstitutionen einen Zusammenhang zwischen säkularer Nachfragestagnation und größerer Einkommensungleichheit fest. Die Ironie dabei: Zu einem Zeitpunkt, da viele Menschen in den Entwicklungsländern in die Mittelschicht aufsteigen oder dies anstreben, beginnt sich der Wohlstand in weiten Teilen der Industrieländer auf die obersten Bevölkerungsschichten zu konzentrieren.
Ungleichheit für G-20 nicht im Fokus
Sowohl in den Schwellenländern als auch in den Industrieländern verschärfte sich die Ungleichheit innerhalb der Generationen und auch zwischen den Generationen. Australiens Weigerung, in Brisbane über inklusives Wachstum zu diskutieren, mag vielleicht Plutokraten wie Murdoch gefallen, aber die Rede von unregulierten Märkten, niedrigeren Steuern und der Beseitigung sozialer Sicherheitsnetze deuten stark darauf hin, dass der Gipfel keine wesentlichen Maßnahmen zur Senkung der Ungleichheit bieten wird.
Lediglich wenige Tage vor der Zusammenkunft in Brisbane übersehen die G-20 die wichtigsten langfristigen Bedrohungen für die Weltwirtschaft. Wie der Gouverneur der Bank of England, Mark Carney (der, wie ich meine, Murdochs Belehrungen ebenfalls hörte) Anfang dieses Jahres bemerkte: „[U]nkontrollierter Marktfundamentalismus kann das für die langfristige Dynamik des Kapitalismus wesentliche soziale Kapital verschlingen.“ IWF-Chefin Christine Lagarde formulierte es kürzlich drastischer, wobei sie anmerkte, dass die 85 reichsten Menschen der Welt mehr Reichtum kontrollieren als die 3,5 Milliarden ärmsten Menschen zusammen. Dieses Ausmaß an Ungleichheit werfe einen dunklen Schatten auf die Weltwirtschaft.
Ungleichheit ist kein Randthema. Der Kampf gegen ihren Anstieg ist von entscheidender Bedeutung, um nachhaltiges Wirtschaftswachstum und politische Stabilität zu erreichen.
Ungleichheit ist kein Randthema. Der Kampf gegen ihren Anstieg ist von entscheidender Bedeutung, um nachhaltiges Wirtschaftswachstum und politische Stabilität zu erreichen. Die wahre Macht der G-20 besteht darin, derartige Herausforderungen herauszustreichen und als Auftakt für konkrete Maßnahmen eine informierte Debatte über diese Themen in Gang zu setzen. Die Frage lautet nun, welcher politische Entscheidungsträger, wenn überhaupt, in Brisbane das globale Megaphon ergreifen und seine Stimme erheben wird.
© Project Syndicate