Am 27. April 2016 hielt der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump die erste außenpolitische Rede seines Wahlkampfs. Darin versprach Trump, „Weltfrieden” herzustellen, das US-Militär neu aufzubauen, den Islamischen Staat (IS) zu beseitigen und die Haltung Washingtons zur NATO zu ändern. Sein Programm ist so ehrgeizig wie widersprüchlich und unplausibel. Er plädiert für einen Rückzug der USA aus internationalen Konflikten und will gleichzeitig die Rolle Washingtons als Friedensstifter weltweit stärken. Damit trennen ihn Welten von der wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidatin der Demokraten Hillary Clinton, die ein stärkeres Eingreifen der Vereinigten Staaten in globale Konflikte fordert.
Mit ihrem jeweiligen außenpolitischen Programm liegen Clinton und Trump nicht nur weit auseinander, sie unterscheiden sich auch beträchtlich von der Außenpolitik Präsident Obamas. Nach der „Obama-Doktrin“, wie sie gern genannt wird, hielten sich die USA aus Konflikten heraus, die aus Sicht des Weißen Hauses keine unmittelbare Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen. Das blieb nicht ohne Konsequenzen. Obama feierte mit dieser Politik Erfolge, etwa, als der frühere al-Qaida-Anführer Osama bin Laden bei der Erstürmung seines Hauses getötet wurde. Aber es gab auch Fehlschläge: So verpasste er die Gelegenheit, das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu stürzen und damit zu verhindern, dass aus dem Bürgerkrieg weitere Gefahren entstanden. Egal, wer im November die Wahl gewinnt, er oder sie wird die diversen Aufgaben in der Welt anders anpacken. Daher wird die Außenpolitik im Wahlkampf ein wichtiges Thema sein.
Clintons außenpolitisches Programm ist von allen drei Ansätzen wohl der fundierteste. Ihre Strategie ist robuster als die Obamas bei jeglicher größeren sicherheitspolitischen Krise, und sie ist besser geeignet, um in vielen globalen Konflikten ein für die Vereinigten Staaten günstigeres Ergebnis zu erzielen. Die Aufgaben in der Welt brauchen keinen Isolationismus, sondern ein entschiedenes und führungsstarkes Auftreten der USA. Und auf den Gebieten, auf denen Obama mit seiner Zurückhaltung gescheitert ist, könnte die resolutere Hillary-Clinton-Doktrin (nicht zu verwechseln mit der Doktrin für humanitäre Intervention, die ihr Mann, der früheren US-Präsident Bill Clinton, entwickelte) ihre Ziele erreichen.
Die Hillary-Clinton-Doktrin würde der russischen Aggression durch eine Stärkung der „European Reassurance Initiative“ (ERI) begegnen, wodurch dauerhaft mehr Soldaten und Waffen des Bündnisses in Osteuropa stationiert würden. Obamas ERI beschränkte sich auf die Stationierung von Ausrüstung und rotierenden multinationalen Verbänden in einem eher bescheidenen Rahmen. Vor allem aber versäumte es seine Regierung, ein Abkommen mit den europäischen Verbündeten zu schließen.
Als die Freie Syrische Armee das Assad-Regime auf legitime Weise hätte lahmlegen können, sprach sich Clinton für eine Flugverbotszone aus.
Als die Freie Syrische Armee das Assad-Regime auf legitime Weise hätte lahmlegen können, sprach sich Clinton für eine Flugverbotszone aus, um den Angriff zu unterstützen. Das hätte Russland davon abgehalten, in den Krieg einzutreten und ihn zu Assads Gunsten zu beeinflussen. Clinton forderte auch eine Schutzzone für Flüchtlinge, wodurch die Migrationskrise vermutlich schon im Ansatz hätte verhindert werden können. Wäre der Regimewechsel in Syrien von Obama betrieben worden, so hätte Clinton vermutlich die bislang größte UN-Friedensmission in die Wege geleitet. Der IS hätte sich in Syrien nicht festsetzen können, und ein stabiler und erfolgreicher Machtübergang wäre im Bereich des Möglichen gewesen. Jedenfalls hätte man einen langjährigen Bürgerkrieg, der sich mittlerweile zu einem Stellvertreterkrieg entwickelt hat und die Sicherheit im Nahen Osten und in Europa gleichermaßen gefährdet, wahrscheinlich vermeiden können. Noch heute spricht sich Clinton für die Einrichtung einer Flugverbotszone und einer Schutzzone für Flüchtlinge aus. Nach ihren Plänen würde die NATO den Luftraum sichern, die Türkei würde Bodentruppen stellen, die Europäer würden die Flüchtlingsschutzzonen und die Vereinten Nationen die diplomatischen Kanäle Syriens überwachen.
Der ehemaligen Außenministerin wurden Fehler bei der Belagerung Bengasis vorgeworfen, doch ihre Einschätzung, welche Aufgaben sich in Libyen nach dem Sturz Muammar al-Gaddafis stellten, war durchaus korrekt. Die libysche Regierung und der Sicherheitsapparat zeigten erst nach zwei Jahren Schwäche. Die internationale Gemeinschaft hatte genügend Zeit, eine zivile Stabilisierungsoperation zu unterstützen, mit deren Hilfe die Milizen im Land hätten entwaffnet und aufgelöst werden können. Stattdessen konnten die westlichen Alliierten nach der erfolgreichen NATO-Militäroperation den Frieden nicht sichern, und es entwickelte sich ein Bürger- und Stellvertreterkrieg. Ebenso wenig konnten sie verhindern, dass Waffen des Regimes in die gesamte Region gelangten. So geschah es zum Beispiel in Mali: Dort wurde mit den Waffen ein brutaler Konflikt ausgefochten, der erst durch eine verlustreiche Intervention der Franzosen beendet werden konnte. Als Präsidentin würde sich Clinton Libyen wieder stärker zuwenden und nicht nur die dortigen IS-Ausbildungslager zerstören, sondern auch die Koalitionsregierung des Landes unterstützen.
Eine Clinton-Regierung hätte der Ukraine gleich zu Beginn der Krise Waffen geliefert.
Die Ukraine bietet ein weiteres Beispiel dafür, dass Obamas Politik der Zurückhaltung den Westen teuer zu stehen kam. Weil die Obama-Regierung die Ukraine im Kampf gegen Russland allein ließ, konnte der Westen Moskau nicht von weiteren Aggressionen abhalten. Eine Clinton-Regierung hätte der Ukraine gleich zu Beginn der Krise Waffen geliefert. Das hätte verhindert, dass Russland separatistische Rebellen auf der Krim unterstützte, und Putin hätte sich auch eine Intervention in Syrien gründlich überlegt. Außerdem würde Clinton dafür sorgen, dass für Russland bei jeglichem Angriff deutlich mehr auf dem Spiel steht, und in Europa würde sie wieder stärker auf konventionelle Abschreckung setzen. Der ukrainischen Regierung würde sie das vollständigere Instrumentarium an die Hand geben, damit das Land seine Freiheit von Moskau wiedererlangen kann.
Obama versäumte es auch, seine Verbündeten dazu zu zwingen, im Sicherheitsbereich mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Regierung verzichtete auf die Neuverhandlung europäischer Militärhilfe-Abkommen, die die Verbündeten dazu verpflichtet hätten, mehr Soldaten und Waffensysteme bereitzustellen. Stattdessen ließ sich das Weiße Haus auf zwei Hilfspakete ein, die nicht dazu angetan waren, die Verbündeten zu einem größeren Engagement für ihre eigene Verteidigung anzuhalten.
Eine Clinton-Regierung würde die Verbündeten stärker für ihre eigene Sicherheit in die Verantwortung nehmen.
Eine Clinton-Regierung würde die Verbündeten stärker für ihre eigene Sicherheit in die Verantwortung nehmen, indem sie maßvoll, aber hartnäckig auf einen Ausgleich zwischen bedeutenden Verpflichtungen der Amerikaner und der Europäer hinarbeiten würde. Clintons Strategie hätte wahrscheinlich eine größere Wirkung als Trumps aggressive Forderungen; Amerikas Verbündete sind jetzt schon verärgert über Trumps wahrscheinliche Nominierung.
Natürlich verdient die Clinton-Doktrin keine Bestnote. Hillary Clinton hätte es schwer, im amerikanischen Volk ausreichend Unterstützung für ihr robustes außenpolitisches Programm zu erhalten. Doch gegen ihre durchaus vielversprechende Politik fallen Obamas Anstrengungen und Trumps widersprüchliche Aussagen deutlich zurück.
Nach Obamas Amtszeit wird die Welt weiterhin instabil bleiben, vermutlich sogar noch unsicherer werden. Der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin kann sich bei der Lösung dieser Probleme nur wenige Fehler erlauben. Hätte aber die Clinton-Doktrin in den letzten vier Jahren schon gegriffen, so hätten die USA Saudi-Arabien und den Golf-Kooperationsrat vermutlich weiter bei Laune gehalten, Putin von einer Intervention in Syrien abgehalten, das Assad-Regime entmachtet und dafür gesorgt, dass die UN nach seinem Sturz die Regierungsbildung begleiten. Libyen wäre ein stabileres Land (auch wenn es sicher zu kämpfen hätte). In Asien hätte Washington den Einfluss der Hardliner in Peking auf die chinesische Politik geschmälert, und in Europa hätte Clinton die Verbündeten der USA stärker an der Gewährleistung ihrer eigenen Sicherheit beteiligt. Eine Clinton-Regierung hätte ein erfolgreiches Atomabkommen mit dem Iran auch aushandeln können. In den nächsten Jahren werden die Sicherheitskrisen vermutlich zunehmen, und die Clinton-Doktrin ist besser als Obamas oder Trumps Programm geeignet, sie zu bewältigen.
Dieser Text ist eine gekürzte Übersetzung von: „The Hillary Clinton Doctrine“, erschienen in: Foreign Affairs, 17. Mai 2016, © Council on Foreign Relations, Inc.
28 Leserbriefe
Syrien waere und ist das selbe dilemma wie Libyen, oder den Irak den die USA ist ja weit entfernt, und Europa wird das schon irgendwie richten. Was auch nicht geht.
Die USA hat die Syrische Opposition gesponsert und mit Waffen beliefert, aus welchen Gruenden auch immer, und das ist komplett daneben gegangen, und liefertdie Waffen auch weiterhin, obwohl Obama "zusammen" mit Russland Frieden stiften will. Alles Luege der USA. Auch Assad als Praesident muss weg sind Clintons Worte. Das ist eine syrische Angelegenheit und ihre Aussagen sind kriegsgeilheit.
Quelle: Jeffrey D Sachs, "Hillary is the Candidate of the War Machine", Huffington Post, 2/5/2016
Vom Republikaner Trump glaube ich nicht, dass er all seinen Wahlkampfblödsinn über Bord werfen und ein guter Präsident werden kann...Und Sanders hat ohnehin keine Chance auf die Demokraten-Kandidatur.
Wird also Hilary Clinton, in meinen Augen die wahrscheinliche nächste Inhaberin des US-Präsidentenamtes, außenpolitisch wirklich wieder den Hammer herausholen, an den auch wir weltpolitisch handlungsunfähigen Europäer jahrzehntelang gewöhnt waren, und wieder die neoimperialistische Weltpolizistin spielen? Militärisch, zu Lande und aus der Luft? Gibt es Alternativen?
Und wo bleibt ein Kommentar zu Sanders? Die US-amerikanischen Studierenden in meinen Kursen äußern sich mehrheitlich für Sanders.
Auf klare friedenspolitische Initiativen sollte die FES doch endlich einmal hinweisen - aus den USA können wir sie aber leider nicht erwarten...
- der Ukraine hätten die USA gleich Waffen liefern sollen,
- in Ostedauerhaft sollten mehr Soldaten und Waffen des Bündnisses stationiert werden,
- in Europa würde Hilary Clinton wieder stärker auf konventionelle Abschreckung setzen,
dann muss man sich fragen, ob es Egon Bahrs Aussage "Amerika ist unverzichtbar" weiter gebetsmühlenartig wiederholt und gelebt werden muss.
Am Lustigsten sind die Schlussfolgerungen, wie z.B., dass die sog. Syrische Freie Armee, Assad zum Sturz gebracht hätte, wenn man ihr ein bisschen mehr Unterstützung hätte zukommen lassen. Die SFA hatte zu keinem Zeitpunkt irgendeine wichtige Rolle im syrischen Konflikt gehabt: De militärische Macht gegen Assad hatten zunächst die Al Nusra-Front und ihre sonstigen radikal-islamistischen Verbündeten und schließlich die ISIS, beide ordentlich zunächst einmal unterstützt und bewaffnet von Saoud Arabien, die Türkei, den USA und den sonstigen sog. "Freunden Syriens".
Kurz gesagt: Es muss eine Abkehr von Amerika stattfinden, gleichgültig wer dort Präsident wird.
Auch der Autor traegt viel verwirrendes mit sich herum - Clinton ist kein Friedensengel und die Situationen werden falsch eingeschaetzt! Es zaehlt nur eins - Gut ist, was Amerika nutzt!
Nur, das ist nicht so! Das sagen auch eindeutig die staendigen UN-Sicherheitsratmitglieder China und Russland! Man sollte auch auf sie und die anderen hoeren. Macht das Clinton ? Macht sie nicht ... daher sind ihre Doktrin - kriegerisch und dem Weltfrieden abgewandt! Durchgefallen ... lassen wir nun den Waehler sprechen! Die Welt braucht keine Mrs. Clinton! Ob es die Ehe diesmal aushaelt, der ehemalige wird doch nicht einfach nur zusehen!
Und da liegen die Meriten: die nützliche Aufschlüsselung der "Clinton Doktrin" . Ausserdem hat mich die Reaktion der meisten Kommentatoren bezüglich der geistig-moralischenen Verfassung einer-hoffentlich grossen -Gruppe von Lesern in Deutschland beruhigt. Als im Ausland lebende Deutsche informiere ich mich via Kommentare in der Deutsche Presse über das politische Klima östlich des Rheins.
Die Kommentare überwiegend wie immer, jämmerlich.