Als ich mit der Parlamentariergruppe Östliches Afrika im Februar dieses Jahres nach Burundi reiste, besuchten wir einen regimekritischen Journalisten im Gefängnis, der uns über die schwierige politische Lage in seinem Land berichtete. Schon damals war zu erkennen, dass weder Rechtsstaatlichkeit noch Demokratie in diesem ostafrikanischen Land funktionieren. Dennoch: Kurz nach dem Gespräch erfuhren wir, dass der Journalist freigelassen wurde. Dieses Ereignis zeigte uns einmal mehr, wie sehr es sich lohnt, politisch Verfolgte zu unterstützen. Es blieb unsererseits nicht nur bei dieser Aktion: Wir, die Mitglieder der Parlamentariergruppe, schrieben auch einen Appell an den Botschafter der Republik Burundi in Deutschland, um über die Probleme in seinem Land in einen offenen und konstruktiven Dialog zu treten – leider wurden unsere Erwartungen nicht erfüllt. Und dies, obwohl die aktuelle Lage in Burundi aus den Fugen geraten ist.

Burundi steht seit Monaten an der Schwelle zum Bürgerkrieg. Die Verschleppung, Verhaftung und schließlich auch Tötung von Journalisten, Oppositionellen und Vertretern der Zivilgesellschaft sind an der Tagesordnung. Menschenrechte werden massiv missachtet. Die unüberhörbare verbale Hetze fördert Gewalt in der bereits angespannten Lage. Der burundische Innenminister verbot zehn Nichtregierungsorganisationen, ihre für die Gesellschaft wichtigen Aktivitäten durchzuführen. Büros und Stationen der freien Medien wurden geschlossen; ihre Einrichtungen teilweise zerstört. Exilmedien im Kongo wurden durch politischen Druck aus Burundi und mithilfe der dortigen Behörden stark zensiert. Etwa 220 000 Menschen sind bereits aus Burundi in die Nachbarländer geflohen. Es handelt sich hier bisher nicht um einen ethnischen Konflikt, sondern um das kompromisslose Festhalten der burundischen Regierung und des Präsidenten Pierre Nkurunziza an der politischen Macht. Dieser hatte in diesem Jahr zum dritten Mal als Präsident kandidiert, wohlwissend, dass er damit gegen die Verfassung verstößt. Seitdem kommt Burundi nicht zur Ruhe. Anstatt alte Wunden der Kriegstraumata zu heilen und den Vertrag von Arusha umzusetzen, droht die Lage jederzeit zu eskalieren. Dabei würde ein erneuter Bürgerkrieg nicht nur Burundi, sondern die ganze Region ins Chaos stürzen – nicht zuletzt deswegen, weil es mit einzelnen Nachbarstaaten der Region starke Spannungen gibt.

Die Verschleppung, Verhaftung und schließlich auch Tötung von Journalisten, Oppositionellen und Vertretern der Zivilgesellschaft sind an der Tagesordnung.

Ob in naher Zukunft das Nkurunziza-Regime zum Dialog bewegt werden kann, ist fraglich. Dabei wurde schon vieles getan, um die burundische Regierung zu einer politischen Lösung zu bewegen: In der UN-Sicherheitsratsresolution 2248 wurden im November 2015 klare Forderungen an die Regierung formuliert, um einen innerburundischen Dialog und Friedensprozess in Gang zu bringen; es wurde auch der Vorschlag gemacht, ein Team nach Burundi zu entsenden, mit dem Ziel, Möglichkeiten zur Bewältigung der Krise auszuarbeiten. Zudem beschloss die Europäische Union Sanktionen gegen Vertraute des Präsidenten. Und auch die regierungsnahe Entwicklungszusammenarbeit und Folgeverhandlungen um neue Gelder, die für das Land wichtig sind, wurden durch Deutschland eingestellt. Fortgeführt wurde jedoch die lokale Unterstützung, die für die ärmere Bevölkerung bestimmt ist. Ferner erklärte die Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof, Fatou Bensouda, gegen burundische Akteure ermitteln zu wollen. Gerade eine Anklage und mögliche Aussicht auf Bestrafung der Verantwortlichen wäre ein wichtiger Schritt zur Durchsetzung von Rechtstaatlichkeit und Demokratie und ein deutliches Signal an die Regierung in Bujumbura.

Trotzdem muss mehr getan werden, um einen politischen Prozess zur Lösung der Krise in Gang zu bringen und einen Dialog zwischen der burundischen  Regierung und der Opposition zu schaffen. Selbst wenn es jetzt unmöglich erscheint, alle Akteure an einen Verhandlungstisch zu bringen, wird dies früher oder später eintreten müssen. Gezielte Sanktionen sind eine Methode, um die burundische Regierung aufzurütteln. Jedoch muss der politische Druck seitens der Europäischen Union, der Afrikanischen Union, der Vereinten Nationen, aber auch durch Russland und China geschaffen werden.

In diesem Zusammenhang ist es äußerst kritikwürdig, wenn sowohl die OPEC als auch die Organisation für Islamische Zusammenarbeit mit Burundi Kreditgeschäfte betreiben. Stattdessen wäre es sinnvoll, ausländische Konten von burundischen Regierungsvertretern zu blockieren sowie weitreichende Reiseverbote zu erteilen, wie dies bereits, aber eben nur teilweise, erfolgt. Zudem sollten die Vereinten Nationen prüfen, ob das Geld für 1 256 burundische Polizisten, Militärexperten und Missionssoldaten der Vereinten Nationen dem Zugriff der Regierung entzogen werden könnte. Aktuell werden von diesen Finanzquellen vor allem Gehälter hoher Kader von Militär, Polizei und Verwaltung bezahlt – so kann sich die Regierung deren Loyalität weiterhin sichern.

Auch Frauen sollten in diesem Konflikt als ein Schlüssel zur Friedenslösung begriffen werden.

Die zivilgesellschaftlichen Gruppen, die trotz allem weiterhin in Burundi geblieben sind, müssen in ihrer mutigen Arbeit weiterhin unterstützt werden. Der Zivile Friedensdienst ist für Burundi eine Säule für die Stärkung der Demokratie und daher von großer Wichtigkeit. Und auch Frauen sollten in diesem Konflikt als ein Schlüssel zur Friedenslösung begriffen werden. Burundische Frauen haben nach dem Putschversuch im Mai 2015 mehrere Demonstrationen durchgeführt und riskierten dadurch, verhaftet und sogar gefoltert zu werden. Für ihren Mut verdienen sie nicht nur Anerkennung, sondern auch das Recht auf politische Teilhabe. Deswegen sollten sie auch in künftige Friedensgespräche einbezogen werden, wie dies in der Resolution 1325  des UN-Sicherheitsrates verankert wurde.

Dass wir bei der Debatte um eine politische Lösung in Burundi einen langen Atem brauchen werden, ist jetzt schon erkennbar. Um solche Krisen jedoch rechtzeitig zu unterbinden, sollten wir in Zukunft die zivile Konfliktprävention stärker ausbauen. Unabdingbar wird es auch sein, afrikanische Organisationen darin zu stärken, ihre eigenen Strukturen in Bezug auf Konfliktlösungen und Schutz von Menschenrechten weiter zu entwickeln. Es kann nicht riskiert werden, dass auf Konflikte zu spät reagiert wird, weil immer noch notwendige Methoden von Früherkennung fehlen bzw. diese nicht rechtzeitig wahrgenommen werden. Wenn ein Krieg in Ostafrika ausbrechen sollte, dann würde dies auch bedeuten, dass hier die internationale Gemeinschaft versagt hat. Deswegen müssen wir jetzt alles tun, um das Schlimmste zu verhindern.