Letzte Woche fand der mit Spannung erwartete sechste Gipfel der EU und der Afrikanischen Union (AU) statt. Beide Seiten hatten ein Ziel: einen Neustart der Beziehungen zwischen der EU und Afrika. Die letzten Jahre waren von Misstrauen, unterschiedlichen Erwartungen und vielen Ängsten bestimmt. Zuletzt war unter afrikanischen Entscheidungsträgern der Frust über die EU deutlich gestiegen. Eine Umorientierung hatte eingesetzt. Die Beziehungen funktionierten nicht mehr. Angesichts der neuen Akteure auf dem afrikanischen Kontinent wie Russland und China bemüht sich die EU um eine Neuordnung der Beziehungen.

Seit Gründung der EU spielte Afrika eine wichtige Rolle für die Entwicklung der EU zum globalen Akteur in internationalen Entwicklungsfragen, später auch in der Friedens- und Sicherheitspolitik. Diese Beziehung war jedoch seit jeher asymmetrisch. Denn die EU legte mehr oder weniger die Bedingungen ihres Engagements fest, auch wenn sie rhetorisch immer wieder den Partnerschaftsgedanken beteuerte. Die Chancen, das Verhältnis im Laufe der Jahre neu auszutarieren, konnten nie genutzt werden, weil die EU stets die Oberhand zu behalten schien. Immerhin verfolgte die EU eine einigermaßen kohärente Strategie gegenüber Afrika. Hinzu kamen ihre materielle Macht, ein großer Markt, Wohlstand und ihr Status im internationalen Gefüge.

Im Kontrast dazu waren die Bemühungen um regionale Integration, die beispielsweise von der AU ausgingen, auf die Großzügigkeit externer Akteure – so auch der EU – angewiesen. Wie jung der Integrationsprozess der AU noch ist, zeigt sich oft in den widersprüchlichen Positionen. Das macht es der EU leicht, einige AU-Mitgliedstaaten durch bilaterale Abkommen zu beeinflussen, und erlaubt es diesen, von einheitlicheren Positionen abzurücken.

Angesichts der neuen Akteure auf dem afrikanischen Kontinent wie Russland und China bemüht sich die EU um eine Neuordnung der Beziehungen.

Im Vorfeld des Gipfels wurden die Möglichkeiten der EU, dies ohne weiteres zu tun, jedoch nicht zuletzt dadurch infrage gestellt, dass sich den afrikanischen Ländern immer mehr Optionen jenseits von Brüssel und anderen europäischen Hauptstädten boten. In den vergangenen Jahren wuchs die Zahl der Partnerschaften Afrikas mit China, Russland, der Türkei, Japan und anderen Ländern. Diese neuen Akteure in Afrika bieten brauchbare, wenn auch teils fragwürdige, Alternativen zum bisherigen Einfluss der EU in Afrika. Vor allem aber eröffnen sie afrikanischen Entscheidungsträgern größere Handlungsspielräume. Sie können in der Politik gegenüber ihrem Kontinent afrikanische Interessen, Normen und Werte zur Geltung bringen – was die EU in Verhandlungen zwar immer wieder verspricht, dann aber nicht einhält.

Indem die Afrikaner durch ihre Zusammenarbeit mit anderen Akteuren das Heft in die Hand nehmen, gerät die EU ins Hintertreffen. Das löst in Europa verständliche Besorgnis aus. Die EU nimmt Afrika als Schauplatz geopolitischer Rivalitäten wahr, und vor allem das beeinflusst ihr jüngstes Vorgehen auf dem afrikanischen Kontinent. So kündigte die EU kurz nach dem China-Afrika-Gipfel im Dezember ihre Initiative Global Gateway als Gegenmodell zur chinesischen Belt and Road Initiative an. Global Gateway ist ein Investitionsprogramm mit einem Volumen von 300 Milliarden Euro, mit dem bis 2027 die Infrastruktur in der ganzen Welt verbessert werden soll. Die Hälfte dieser Summe ist für Afrika vorgesehen. Hiermit rückt die EU deutlich von ihrer bisherigen Herangehensweise in Afrika ab, bei der trotz des starken Engagements für Frieden und Sicherheit in Afrika immer noch Entwicklung und Handel dominieren.

Indem die Afrikaner durch ihre Zusammenarbeit mit anderen Akteuren das Heft in die Hand nehmen, gerät die EU ins Hintertreffen.

Der neue Ansatz rückt die Konkurrenz zu anderen Akteuren in den Vordergrund. Er ist insofern problematisch, als dabei nicht Afrika selbst, sondern andere Global Players in Afrika im Mittelpunkt des Interesses stehen. Afrika kann das allerdings zu seinem Vorteil nutzen.

Die EU präsentiert sich als Partner, der mit den neuen Akteuren auf einer Stufe steht. Damit will sie deutlich machen, dass es durchaus möglich ist, die bisherigen Beziehungen zu ändern, und gleichzeitig ihre Position als vorrangiger Partner wahren. Dies geht auch aus der neuen Strategie EU-Afrika 2020 hervor und war die eigentliche Kernbotschaft, die die EU auf dem Gipfel vermittelt hat. Für Afrika bleibt die EU wichtig, ist aber inzwischen nur noch einer von vielen Akteuren. Und aufgrund der Enttäuschung über die ungleiche Verteilung des Covid-Impfstoffs hat die AU einen klaren Forderungskatalog formuliert.

Aber hat der Gipfel tatsächlich die Voraussetzungen für den eingangs erwähnten Neustart geschaffen? In der gemeinsamen Abschlusserklärung äußerten sich beide Seiten dem Ton nach optimistisch. Sie richteten den Blick ins Jahr 2030 und stellten einen Plan vor, der es mit den Plänen anderer um Afrika werbender Länder aufnehmen kann. Der Gipfel füllte die EU-Initiative Global Gateway mit Substanz – durch ein klares Bekenntnis zu den Prioritäten Afrikas im Rahmen der nachhaltigen Entwicklungsziele und des Konzepts der AU für inklusive und nachhaltige sozioökonomische Entwicklung, der Agenda 2063.

Unterm Strich wiederholte sich ein bekanntes Muster: Es gab das ein oder andere Zugeständnis, aber die Erwartungen wurden einmal mehr nicht erfüllt.

Aus naheliegenden Gründen zählten auch Gesundheit und wirtschaftliche Erholung zu den Prioritäten. So wurden zum Beispiel mehr Impfstoffspenden zugesagt, die direkt über die AU und die internationale Impfstoffplattform COVAX vergeben werden sollen. Das ist eine bedeutende Maßnahme. Sie bleibt aber hinter den Forderungen der AU zurück, dass die EU sich für die Aufhebung geistiger Eigentumsrechte einsetzen und damit die Impfstoffproduktion in Afrika unterstützen solle. Die Forderung Afrikas an die EU, die Economic Partnership Agreements ad acta zu legen und stattdessen Handelspartnerschaften einzugehen, die Afrikas Interessen berücksichtigen, fand ebenso wenig Gehör wie die nach einer gerechteren Migrationspolitik. Unterm Strich wiederholte sich ein bekanntes Muster: Es gab das ein oder andere Zugeständnis, aber die Erwartungen wurden einmal mehr nicht erfüllt. Und dies in einer Gesamtsituation, in der alles Verhandlungssache ist und ein harter Wettbewerb herrscht.

Ein Grundfehler der EU besteht darin, dass sie sich nicht vorstellen kann, Afrikaner als Partner zu akzeptieren. Dieser Mangel an Vorstellungskraft hat seine Ursprünge in der kolonialen Attitüde eines überlegenen Europas, die sich in der Weltordnungspolitik im Allgemeinen und in den Beziehungen zwischen Afrika und der EU im Besonderen manifestiert. Solange sich Europa weigert, sich dieser Realität zu stellen, treibt es die Länder Afrikas in die Arme von Partnern, die mit ihrem Engagement ganz klare Absichten verfolgen. Auch wenn die EU im Rahmen des Gipfels zwangsläufig zuhören musste, blieb der Neustart in den Beziehungen zwischen Afrika und der EU aus. Klar ist: Weder die AU noch ihre Mitgliedstaaten werden den Status quo aufrechterhalten, denn es gibt inzwischen Alternativen.

Aus dem Englischen von Christine Hardung