Seit Dezember protestieren zehntausende Menschen in Sudan. Auslöser war die von der Regierung geplante Erhöhung der Brot- und Benzinpreise. Die Proteste haben sich mittlerweile zu einem Aufstand gegen das Regime von Omar Al-Baschir ausgeweitet. Was sind die Forderungen der Demonstranten?
Der Aufstand begann am 19. Dezember in der Stadt Atbara, 350km nördlich der Hauptstadt Khartum. Auslöser war die Verdreifachung des Brotpreises. Die Proteste sprangen innerhalb weniger Tage auf das ganze Land über und erreichten schließlich am 25. Dezember Khartum. Ursprünglich entlud die Bevölkerung in den Protesten ihren Frust über die wirtschaftliche Situation. Benzin, Kochgas, Brot und Bargeld sind nicht verfügbar oder nur nach stundelangem Anstehen. Die offizielle Inflation beträgt über 70 Prozent, und obwohl die Erntezeit 2018 die beste der letzten Dekade war, sind Preise für landwirtschaftliche Produkte teilweise um 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Mittlerweile hat sich allerdings eine Allianz zwischen der notleidenden Bevölkerung und der progressiven Mittelschicht gebildet, welche auf demokratische Reformen setzt. Berufsverbände und illegale Gewerkschaften rufen gemeinsam zu den Demonstrationen auf. Die zentrale Forderung ist das Ende des islamistischen Regimes Al-Baschirs.
Wie reagiert das Regime auf die Proteste?
Das Regime versucht, die Allianz zu zerbrechen. Einerseits äußert das Regime Verständnis für die Demonstranten und ihre schwere wirtschaftliche Lage. Der Brotpreis wurde mittlerweile wieder gesenkt und verschiedene nationale Reserven angezapft. Andererseits werden Proteste durch Tränengas und scharfe Munition aufgelöst. Bei jeder Demonstration kommt es zu Toten und Verletzten. Die Rapid Support Forces - Milizen aus Darfur, welche auch für Saudi Arabien im Jemen kämpfen – wurden nach Khartum verlegt und bilden zusammen mit dem Geheimdienst eine Drohkulisse. Das Regime hofft durch dieses Vorgehen die notleidende Bevölkerung von weiteren Demonstrationen abzuhalten. Gleichzeitig gibt es Gesprächsangebote an die progressive Mittelschicht. Das Regime war schon in der Vergangenheit sehr erfolgreich darin, die Reputation der Oppositionsparteien bei der Bevölkerung durch nationale Dialoge und Verhandlungen zu zerstören.
Erlebt Sudan damit seine Version des Arabischen Frühlings?
Diese Frage ist schwer zu beantworten. In der Geschichte des Sudans wurde niemals ein religiöses Regime ohne die Unterstützung einer externen Macht gestürzt – und an dieser fehlt es derzeit. Die arabischen Regierungen der Golfstaaten mögen Al-Baschir nicht, haben aber kein Interesse an seinem Sturz. Der Emir von Katar hat bereits am 22. Dezember mit Al-Baschir telefoniert, um ihn politisch zu unterstützen. Andere regionale Akteure haben seit längerem wirtschaftliche Beziehungen mit dem sudanesischen Regime aufgebaut. Insbesondere Russland erhofft sich durch den Sudan, einen Brückenkopf in Afrika zu etablieren. Die westlichen Regierungen haben Angst vor Instabilität und brauchen den Sudan als Partner für ihre Migrationspolitik. Aus Mangel an externen Partnern hoffen die progressiven Kräfte, zumindest den Abgang Al-Baschirs und die Bildung einer Regierung aus Technokraten unter Einbindung von Kräften des derzeitigen Regimes zu erreichen. Der Haftbefehl des internationalen Strafgerichthofs gegen Al-Baschir macht für diesen einen Abgang jedoch höchst risikoreich.
Die Fragen stellte Joanna Itzek.