„Hier wird Menschen Hoffnung gegeben, die gar keine mehr hatten.“ Mit diesen Worten beschreibt Mohamed Malha die Unterstützung, die er und andere aus Mali geflüchtete Menschen im westafrikanischen Mauretanien erhalten. Und er bringt damit auf den Punkt, warum sich die internationale Gemeinschaft weiter in der Sahel-Region engagieren muss: Um den Menschen in der krisengeschüttelten Region Zukunftsperspektiven zu bieten. Und um dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen.
Mohamed Malha selbst ist – wie viele Tausende andere Menschen auch – vor dem Terrorismus und den gewaltsamen Konflikten aus seinem Heimatland Mali geflohen. In Mauretanien, einem der ärmsten Länder der Welt, erhält er Schutz und Unterstützung. Das Land hat etwa so viele Einwohner wie der Großraum Berlin – und bereits über 100 000 Menschen aus Mali aufgenommen. Damit bietet Mauretanien im Verhältnis mehr Menschen Zuflucht als die meisten anderen Länder der Welt – einschließlich Deutschland. Mohamed Malha und die anderen Flüchtlinge bekommen in Mauretanien die Chance auf eine bessere Zukunft. Zwar haben es die Flüchtlinge auf dem mauretanischen Arbeits- und Wohnungsmarkt nicht leicht, aber sie dürfen arbeiten und erhalten medizinische Versorgung. Der Schulbesuch für die Kinder ist kostenlos.
Die Bundesregierung unterstützt Mauretanien dabei, die Menschen aus Mali zu versorgen. Und sie setzt sich auch in den anderen Ländern der Sahel-Region dafür ein, den Menschen dort Zukunftsperspektiven zu bieten. Um dieses Engagement für die Menschen im Sahel weiter voranzubringen, habe ich letztes Jahr die Präsidentschaft der Sahel-Allianz übernommen. Das internationale Bündnis, bestehend aus zwölf Ländern und sechs internationalen Organisationen, koordiniert die internationale Entwicklungszusammenarbeit in den Sahel-Staaten Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger und Tschad.
Die international abgestimmte Unterstützung ist dringend nötig, denn im Sahel herrschen vielerorts Armut und Hunger. Gewalt und Konflikte sind an der Tagesordnung. Der Klimawandel trifft die Menschen dort zudem besonders hart, sie haben mit Dürren und Wasserknappheit zu kämpfen, mit Ernteausfällen und vertrockneten Böden. Das alles öffnet die Tür für den sich ausbreitenden Terrorismus. Denn die Menschen, die sich im Sahel Terrorgruppen anschließen, tun das meist nicht aus ideologischen Gründen. Sondern aus Verzweiflung und Perspektivlosigkeit. Weil die Terrorgruppen ihnen eine Einnahmequelle versprechen, die ihnen ansonsten fehlt. Und weil sie darin die einzige Möglichkeit sehen, ihre Familien zu ernähren.
Entwicklungspolitik ist elementarer Bestandteil einer nachhaltigen Sicherheitspolitik.
Dem stellt sich die Sahel-Allianz entgegen, indem sie die strukturellen Ursachen von Konflikten, Hunger und Armut angeht. Natürlich sorgen entwicklungspolitische Maßnahmen nicht allein für Sicherheit. Aber genauso klar ist: Es geht nicht ohne sie. Entwicklungspolitik ist elementarer Bestandteil einer nachhaltigen Sicherheitspolitik. Wenn es nicht gelingt, die Grundversorgung für die Bevölkerung im Sahel sicherzustellen und den Menschen durch Bildung und Jobs Perspektiven zu bieten, dann werden sich Krisen und Terror weiter ausbreiten. Und letztlich noch mehr Menschen in die Flucht getrieben. All das hätte nicht nur gravierende Auswirkungen für die gesamte Region, sondern auch für Deutschland und Europa. Denn wir brauchen eine stabile Nachbarschaft. Als rohstoffarme Exportnation sind verlässliche Partnerschaften und weltweite Handelsbeziehungen zudem essenziell.
Die Menschen im Sahel entwicklungspolitisch zu unterstützen, ist aus deutscher Perspektive deshalb absolut sinnvoll. Zumal wir damit auch dem russischen Einfluss in der Region etwas entgegensetzen. Russland hat seine Aktivitäten in der Region in den letzten Jahren erheblich ausgebaut und setzt dabei unter anderem auf gezielte Desinformation. Dem dürfen wir Europäerinnen und Europäer nicht tatenlos zuschauen. Wir dürfen Russland aus geopolitischen Gründen nicht das Feld überlassen, denn die Region ist Drehkreuz für Migrantinnen und Migranten und zudem energiepolitisch enorm wichtig. Es gilt zu verhindern, dass Russland Europa durch seinen Einfluss im Sahel unter Druck setzen kann – zum Beispiel, indem es Migration zur Destabilisierung einsetzt oder zukünftige Energielieferungen aus Afrika kontrolliert.
Am 15. und 16. Juli richtet das Bundesentwicklungsministerium in Berlin die Generalversammlung der Sahel-Allianz aus. Bei dem Treffen wird es darum gehen, wie die internationale Gemeinschaft den vielschichtigen Herausforderungen im Sahel am besten begegnen kann. Mein Präsidentschaftsprogramm sieht dafür drei zentrale Ansatzpunkte vor:
Erstens geht es darum, in den Ländern der Sahel-Region Bildung, Ausbildung und Beschäftigung zu fördern – und den Menschen damit ein verlässliches Einkommen und Chancen auf eine bessere berufliche Zukunft zu bieten. Zweitens sollen die Gesellschaften widerstandsfähiger gegenüber Krisen und klimabedingten Schocks – wie Dürren und Überschwemmungen – werden. Dazu gehören soziale Sicherungsnetze, die den Menschen in Krisensituationen schnelle finanzielle Hilfe bieten. Und dazu gehört auch, die Bäuerinnen und Bauern in der Region darin zu unterstützen, mit den immer schwierigeren klimatischen Bedingungen umzugehen. Denn mit angepassten Anbaumethoden können sie auch in trockenen Gebieten eine bessere Ernte einfahren. Und drittens sollen kommunale Strukturen gestärkt werden, damit sie den Menschen eine verlässliche Grundversorgung bieten. Dabei geht es um das Nötigste zum Leben wie etwa Wasser, Energie, Gesundheitsversorgung, Schulen und Marktplätze.
Unsere Partnerinnen und Partner haben das besserwisserische, koloniale Gehabe westlicher Staaten satt.
Der aktuelle Fünf-Jahres-Bericht der Sahel-Allianz zeigt, dass diese Ansätze erfolgreich sind. Durch die Initiativen der Mitglieder haben bereits über acht Millionen Menschen besseren Zugang zu Trinkwasser erhalten – in der heißen und von Dürren geprägten Sahel-Region von essenzieller Bedeutung. Mehr als 2,3 Millionen Menschen verfügen nun über eine bessere Stromversorgung, um ihre Häuser zu beleuchten, Felder zu bewässern und Maschinen zu betreiben. Und mehr als 160 000 kleine und mittlere Unternehmen wurden dabei unterstützt, vor Ort Arbeitsplätze zu schaffen und die lokale Wirtschaft anzukurbeln.
Bei der Generalversammlung der Sahel-Allianz in Berlin wird es auch darum gehen, den Dialog mit unseren Partnerinnen und Partnern in der Region weiterzuführen. Das wird nicht einfach, denn nach den Militärputschen in Mali, in Burkina Faso und im Niger in den letzten Jahren steht die Sahel-Allianz vor der Herausforderung, ihre Beziehungen zu den Sahel-Ländern neu zu definieren. Gemeinsam gilt es auszuloten, wie die Allianz die Menschen in der Region – trotz der schwierigen politischen Situation – bestmöglich dabei unterstützen kann, die Herausforderungen wie Armut, Hunger und Dürren zu bewältigen. Und wie es gelingen kann, eine weitere Ausbreitung von Gewalt und Terrorismus in der Region zu verhindern.
Damit Deutschland und die EU angesichts der geopolitischen Herausforderungen mitgestalten können, müssen wir die besseren Partnerinnen und Partner sein. Wir müssen Angebote machen, von denen beide Seiten langfristig profitieren und die keine neuen Abhängigkeiten schaffen. Hier kommt es auch auf unsere Haltung an, denn unsere Partnerinnen und Partner haben das besserwisserische, koloniale Gehabe westlicher Staaten satt. Gefragt ist weniger Zeigefinger und mehr ausgestreckte Hand. Das ist im Interesse der Menschen im Sahel – und im Interesse Deutschlands.