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In seiner letzten Neujahrsansprache erklärte der chinesische Präsident Xi Jinping, das Jahr 2020 werde „ein Meilenstein“. Damit lag er richtig, aber nicht so, wie er erwartet hatte. Weit davon entfernt, „Freunde in jedem Winkel der Welt“ zu haben, wie er prahlte, hat China seinen internationalen Ruf schwer beschädigt, seine Partner vor den Kopf gestoßen und sich selbst nur eine einzige Art von Machtmittel bewahrt: rohe Gewalt. Ob die Aussicht, sich international zu isolieren, Xi von seinen imperialistischen Ambitionen abbringt, bleibt allerdings abzuwarten.

Wahrscheinlich werden die Historiker das Jahr 2020 als Wendepunkt betrachten. Dank Covid-19 mussten viele Länder auf die harte Tour lernen, wie abhängig ihre Lieferketten von China sind, und die internationale Einstellung gegenüber dem kommunistischen System des Landes hat sich verändert. Das Blatt wendete sich, als bekannt wurde, dass die Kommunistische Partei Chinas der Welt wichtige Informationen über die erstmals in Wuhan aufgetretene Krankheit Covid-19 vorenthielt – eine Erkenntnis, die durch einen aktuellen US-Geheimdienstbericht bestätigt wird. Schlimmer noch: Xi versuchte, die Pandemie für sich auszunutzen, indem er zuerst medizinische Produkte hortete – deren Markt von China dominiert wird – und dann, insbesondere in der indopazifischen Region, seinen aggressiven Expansionismus verstärkte. Andere Mächte versuchen dem entgegenzuwirken, daher steht die geostrategische Landschaft der Region vor rapiden Veränderungen.

Zunächst einmal scheint Japan nun mit den „Fünf Augen“ zu kooperieren – der weltweit ältesten Allianz für die Weitergabe geheimdienstlicher Informationen, bestehend aus Australien, Kanada, Neuseeland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Ein neues Bündnis der „sechs Augen“ könnte zu einer entscheidenden Grundlage für die indopazifische Sicherheit werden. Darüber hinaus scheinen die sogenannten „Quad“-Länder – Australien, Indien, Japan und die USA – dabei zu sein, ihre strategische Zusammenarbeit zu vertiefen. Dies stellt insbesondere für Indien, das bereits seit Jahren versucht, China zu besänftigen, einen bemerkenswerten Wandel dar.

Dank Covid-19 mussten viele Länder auf die harte Tour lernen, wie abhängig ihre Lieferketten von China sind, und die internationale Einstellung gegenüber dem kommunistischen System des Landes hat sich verändert.

Wie Robert O’Brien, der nationale Sicherheitsberater der USA, kürzlich bemerkte, haben sich „die Chinesen gegenüber Indien zuletzt sehr aggressiv verhalten“. Seit Ende April hält die Volksbefreiungsarmee mehrere Gebiete in der nordindischen Region Ladakh besetzt, womit sie einen schon seit langem schwelenden Grenzkonflikt weiter anheizt. So hatte der indische Ministerpräsident Narendra Modi kaum eine andere Wahl, als seinen Kurs zu ändern.

Modi erwägt, Australien einzuladen, gemeinsam mit japanischen, amerikanischen und indischen Streitkräften an der jährlichen Malabar-Marineübung teilzunehmen. Australien hatte 2008, als sich die Übung noch auf die USA und Indien beschränkte, seine Beteiligung zurückgezogen. Obwohl seit 2015 auch Japan regelmäßig daran teilnimmt, hatte Indien aus Angst, China zu provozieren, gezögert, Australien wieder mit an Bord zu nehmen. Damit ist es nun vorbei. Jetzt, wo Australien wieder an Malabar beteiligt ist, verfügt die Quad-Gruppe über eine formale, praktische Plattform für die Ausbildung ihrer Marine.

Bereits heute bekommt die Zusammenarbeit zwischen den Quad-Mitgliedern strategisches Gewicht: Im Juni unterzeichneten Australien und Indien ein Abkommen zur gegenseitigen logistischen Unterstützung (Mutual Logistics Support Arrangement), um ihre militärische Kompatibilität durch bilaterale Verteidigungsaktivitäten zu verbessern. Ein ähnliches Abkommen hat Indien mit den USA abgeschlossen, und auch Japan wird bald folgen.

Auf diese Weise schmieden die indopazifischen Demokratien engere strategische Bündnisse gegen die immer stärkere chinesische Aggression.

Japan wiederum hat kürzlich Australien, Indien und Großbritannien zu seinen Partnern beim Austausch von Geheimdienstinformationen gemacht, indem es sein Gesetz über Staatsgeheimnisse von 2014 anpasste, das bisher nur den Austausch mit den USA vorsah. Dies wird die japanische Sicherheitszusammenarbeit gemäß der Rechtslage von 2016 stärken, anhand derer die von den USA nach dem Krieg im Pazifik auferlegte japanische Verfassung so umgestaltet wird, dass Japan jetzt seinen angegriffenen Verbündeten zu Hilfe kommen kann.

Auf diese Weise schmieden die indopazifischen Demokratien engere strategische Bündnisse gegen die immer stärkere chinesische Aggression. Der nächste logische Schritt für diese Länder wäre, sich bei der Förderung der regionalen Sicherheit besser abzustimmen und zu koordinieren. Das Problem dabei ist allerdings, dass die amerikanischen, australischen, indischen und japanischen Sicherheitsinteressen nicht völlig deckungsgleich sind.

Für Indien und Japan ist die Bedrohung der Sicherheit durch das Reich der Mitte viel akuter und unmittelbarer, wie die chinesische Aggression gegen Indien und das immer häufigere Eindringen Chinas in japanische Gewässer zeigen. Darüber hinaus ist Indien das einzige Quad-Mitglied, das eine landgestützte Verteidigungsstellung aufrechterhält, und es steht vor der sehr realen Gefahr eines ernsten Konflikts mit China an seiner Grenze im Himalaya.

Die USA hingegen haben einen Landkrieg gegen China nie in Betracht gezogen. Ihr Hauptziel besteht darin, Chinas geopolitischen, ideologischen und wirtschaftlichen Angriff auf die globale amerikanische Vorherrschaft abzuwehren. Dieses Ziel wird das folgenreichste außenpolitische Erbe von Präsident Donald Trump sein.

Die USA haben einen Landkrieg gegen China nie in Betracht gezogen. Ihr Hauptziel besteht darin, Chinas geopolitischen, ideologischen und wirtschaftlichen Angriff auf die globale amerikanische Vorherrschaft abzuwehren.

Australien wiederum muss ein empfindliches Gleichgewicht bewahren. Einerseits will das Land seine Werte und seine regionale Stabilität schützen, aber andererseits ist es weiterhin wirtschaftlich von China abhängig, da ein Drittel seiner Exporte dorthin gehen. Obwohl Australien also engere Verbindungen zu den Quad-Ländern geknüpft hat, ist es den Aufrufen der USA, sich an Marinepatrouillen im Südchinesischen Meer zu beteiligen, nicht gefolgt. Wie Außenministerin Marise Payne kürzlich erklärte, beabsichtigt Australien nicht, seine Beziehungen zu China „zu verletzen“.

Sollte China allerdings weiterhin eine expansive Strategie verfolgen, wird eine solche Abwägung nicht mehr zu rechtfertigen sein. Der japanische Verteidigungsminister Taro Kono erklärte kürzlich, der „Konsens der internationalen Gemeinschaft“ sei, dass China für seinen aggressiven Revisionismus im süd- und ostchinesischen Meer, im Himalaya und in Hongkong „einen hohen Preis zahlen muss“. Er hat recht – und die Betonung liegt auf „hoch“.

Solange die Kosten seines Expansionismus noch vertretbar sind, wird Xi auf Kurs bleiben und weiterhin versuchen, die Wahlpolitik und die Polarisierung in den bedeutenden Demokratien für sich auszunutzen. Die großen demokratischen Staaten im indopazifischen Raum dürfen dies nicht zulassen, d.h. diese Kosten dürfen für China nicht mehr lange tragbar sein.

Von Machiavelli stammt der berühmte Ausspruch, es sei besser, gefürchtet zu sein als geliebt. Xi wird nicht so sehr gefürchtet, sondern gehasst. Aber dies bedeutet nicht viel, wenn die großen indopazifischen Demokratien nicht handeln. Sie müssen Wege finden, mit dem chinesischen Expansionismus umzugehen, ihre Sicherheitsstrategien in Einklang zu bringen und zu einer geregelten, regionalen Ordnung beizutragen. Sie müssen ihre Vision entwickeln und in einen klar definierten politischen Ansatz überführen, hinter dem ernsthaftes strategisches Gewicht steht. Andernfalls wird Xi weiterhin rohe Gewalt einsetzen, um den Indopazifik noch mehr zu destabilisieren – und vielleicht sogar einen Krieg beginnen.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

© Project Syndicate