Am 18. Mai findet die erste Runde der polnischen Präsidentschaftswahl statt. Zwar verfügt der Präsident laut Verfassung nur über begrenzte Befugnisse, doch kann er – wie es der amtierende Präsident Andrzej Duda derzeit zeigt – die Arbeit der Regierung erheblich erschweren. Das Staatsoberhaupt spielt zudem traditionell eine zentrale Rolle in der Außenpolitik, insbesondere im Verhältnis zu den östlichen Nachbarn Polens und vor allem zur Ukraine.

Die beiden aussichtsreichsten Kandidaten für das Präsidentenamt sind der Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski von der regierenden Bürgerplattform (PO) und Karol Nawrocki, offiziell parteilos, de facto jedoch von der PiS unterstützt. Nawrocki ist derzeit Direktor des Instituts für Nationales Gedenken. Sieben Wochen vor dem Wahltag steht allerdings bereits ein erster Gewinner fest: Sławomir Mentzen von der rechtsextremen Konfederacja. Mit 15 bis 20 Prozent in den Umfragen konnte er seine rechtsextreme Partei zur drittstärksten politischen Kraft im Land machen.

Der Wahlkampf von Trzaskowski und Nawrocki ist vor allem ein Ringen um die Stimmen von Sławomir Mentzens Anhängern. Diese Wählerschaft ist mehrheitlich libertär geprägt, befürwortet einen Kapitalismus nach US-amerikanischem Vorbild und lehnt Diversität – und damit auch Migration – weitgehend ab. Dabei wird die polnische Gesellschaft zunehmend vielfältiger: Seit 2022 sind rund eine Million Arbeitsmigranten aus der Ukraine eingewandert, und etwa 950 000 Ukrainerinnen und Ukrainer verfügen über einen temporären Schutzstatus. Die zweitgrößte Diasporagruppe bilden rund 300 000 Menschen aus Belarus. Zudem wächst die Zahl der Migrantinnen und Migranten aus Indien, Zentralasien, Vietnam, Georgien und Moldawien stetig.

Was dem Wahlkampf bislang fehlt, ist ein zentrales Thema. Die regierende Bürgerkoalition hat es nicht geschafft, ein überzeugendes sozioökonomisches Programm zu entwickeln, und ist ebenso daran gescheitert, die von der PiS eingeführte Justizreform rückgängig zu machen. Die PiS wiederum hat seit der Parlamentswahl 2023 kaum neue Impulse gesetzt: Stattdessen schürt sie Ängste vor Deutschland, das angeblich kurz vor einem Abkommen mit Russland stehe – zeigt sich gleichzeitig aber offen für die außenpolitischen Initiativen Donald Trumps.

2022 engagierten sich die Menschen in Polen in beeindruckender Weise für die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter.

Noch vor zwei Jahren positionierte sich die Bürgerkoalition als migrationsfreundlich und menschenrechtsorientiert. Sie warf der PiS vor, an der polnisch-belarussischen Grenze gegen das Völkerrecht zu verstoßen. Heute jedoch herrscht parteiübergreifend – mit Ausnahme der Linken – weitgehende Einigkeit in einer skeptischen, teils feindseligen Haltung gegenüber Migration, sowohl in Bezug auf Arbeitsmigration als auch auf die Aufnahme von Geflüchteten. Diese politische Verschiebung wirkt umso paradoxer, als über 80 Prozent der Erwachsenen mit Migrationsgeschichte in Polen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Im Gegensatz zu Deutschland haben sie keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Polens Attraktivität liegt vielmehr in einem vergleichsweise unkomplizierten Verfahren zur Erlangung von Arbeits- und Aufenthaltstiteln.

2022 engagierten sich die Menschen in Polen in beeindruckender Weise für die Aufnahme ukrainischer Geflüchteter. Damals waren 90 Prozent der polnischen Bevölkerung dafür, dass sie staatliche Hilfe bekommen sollten. Heute unterstützen 88 Prozent das Vorhaben, Familienleistungen – das sind 180 Euro pro Monat für jedes Kind – für ukrainische Geflüchtete zu begrenzen. Mentzen brachte dieses Thema im vergangenen Jahr auf, und im Januar sprachen sich auch Trzaskowski und Nawrocki dafür aus.

Anspruchsberechtigt sollten laut Trzaskowski nur ukrainische Geflüchtete mit vorübergehendem Schutz sein, die in Polen arbeiten und Steuern zahlen. Die genauen Voraussetzungen, etwa das jährliche Mindesteinkommen und die Mindeststeuersumme, wurden jedoch noch nicht bekannt gegeben. Obwohl 70 Prozent der ukrainischen Geflüchteten erwerbstätig sind und ihre Steuerabzüge und Beiträge zum Rentenfonds die Kosten ihrer Unterstützungsleistungen decken, fand der Gedanke, die Mittel zu begrenzen, bei Polinnen und Polen immer mehr Anklang. Viele geben an, kriegsmüde zu sein, und wollen damit Unzufriedenheit mit der Ukraine ausdrücken – einem Land, das laut mehreren Umfragen in den Augen vieler Polinnen und Polen zu wenig für sie tue.

Während der Regierungszeit der PiS übte die Bürgerkoalition kaum Kritik an der Zurückweisung von Asylsuchenden an der polnisch-belarussischen Grenze. Als Umfragen zeigten, dass eine Mehrheit der Bevölkerung harte Maßnahmen befürwortet, übernahm auch die neue liberale Regierung das Narrativ vom „hybriden Krieg“ – geprägt von PiS und Konfederacja – und ließ den Grenzzaun weiter ausbauen. Seit das Lukaschenko-Regime im Sommer 2021 versucht, die EU mithilfe unkontrollierter Migration zu destabilisieren, ist die Lage angespannt. Die Krise dauert an: Zwischen dem 1. Januar und dem 10. März 2025 wurden rund 1 200 Menschen beim Versuch aufgegriffen, die Grenze zu überqueren – ein Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Mit Wirkung vom 28. März 2025 hat die Tusk-Regierung die Annahme von Asylanträgen an der polnisch-belarussischen Grenze vorübergehend ausgesetzt. Die entsprechende Gesetzesänderung war bereits vor einigen Wochen verabschiedet worden. Zwar versprach die Regierung, das Instrument nur in „Extremfällen“ anzuwenden, doch trat die Regelung unmittelbar nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten in Kraft. Proteste zahlreicher Menschenrechtsorganisationen wurden als „naiv“ und „verantwortungslos“ abgetan.

Der EU-Migrations-und-Asyl-Pakt spielt im polnischen Präsidentschaftswahlkampf bislang nur eine untergeordnete Rolle.

Der EU-Migrations-und-Asyl-Pakt spielt im polnischen Präsidentschaftswahlkampf bislang nur eine untergeordnete Rolle. Premierminister Donald Tusk weigert sich, den Pakt zu ratifizieren. Er lehnt insbesondere das vorgesehene Umsiedlungsverfahren für Geflüchtete ab – obwohl der Pakt Polen ausdrücklich davon ausnimmt. Zugleich leben weiterhin zahlreiche ukrainische Geflüchtete mit temporärem Schutzstatus im Land.

Trotz der ablehnenden Haltung der Regierung gegenüber dem EU-Migrationspakt und ihrer kritischen Sicht auf Rückübernahmeverfahren kam es in den vergangenen Monaten vermehrt zu Protestaktionen an der Grenze zu Deutschland. Sympathisanten der rechtsextremen Konfederacja blockierten dabei mehrfach Übergänge – mit dem Vorwurf, Deutschland schiebe im Rahmen des Dublin-Protokolls Migrantinnen und Migranten nach Polen ab. Einer der Wortführer bei den Protesten in Zgorzelec war der ultrarechte Aktivist Robert Bąkiewicz, der zuvor bereits antiukrainische Demonstrationen an der Ostgrenze organisiert hatte. Die Protestierenden forderten ständige Grenzkontrollen entlang der gesamten Landgrenze und nutzten das Migrationsthema, um antideutsche und EU-feindliche Ressentiments zu schüren.

Auf der Suche nach Themen, die bei rechten Wählerinnen und Wählern verfangen, verbreitet die polnische Regierung das Narrativ einer angeblich hohen Kriminalitätsrate unter Migranten. Dabei liegt der Anteil an Straftaten unter Zugewanderten laut offiziellen Statistiken unter dem in der einheimischen Bevölkerung. Dennoch machte Premierminister Tusk die Abschiebung von Migranten, die verhaftet und einer Straftat beschuldigt wurden, zum zentralen Thema seiner Social-Media-Kampagne. Das Innenministerium brachte bereits Dutzende georgische Staatsbürger in eigens bereitgestellten Militärflugzeugen außer Landes – eine Aktion, die öffentlichkeitswirksam inszeniert wurde.

Darüber hinaus vergibt die polnische Regierung weiterhin nur eingeschränkt Visa an Studierende und Arbeitssuchende aus Asien, Afrika und Lateinamerika. Der stellvertretende Innenminister, Professor Maciej Duszczyk, vertritt die Ansicht, Polen habe seine Integrationskapazitäten bereits ausgeschöpft. Es sei daher unverantwortlich, noch mehr aufenthaltsberechtigte Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ins Land zu lassen. Grundsätzlich plädiert Duszczyk für einen hochselektiven Ansatz in der Einwanderungspolitik: Ärzte, medizinisches Fachpersonal und bestimmte gering qualifizierte Arbeitskräfte sollen gezielt angeworben werden – andere Zuwanderungsoptionen hingegen eingefroren. Um die Einzahlungen in den polnischen Rentenfonds zu erhöhen, liegt ein Vorschlag auf dem Tisch, Arbeitserlaubnisse künftig nur noch an Personen zu vergeben, die in Polen im Rahmen eines regulären Arbeitsvertrags beschäftigt sind – eine Voraussetzung, die derzeit weniger als 40 Prozent der Migrantinnen und Migranten erfüllen.

Fachleute betonen zwar, Integration sei der Schlüssel zu erfolgreicher Migrationspolitik und sozialem Zusammenhalt, aber für dieses Ziel wird in Polen wenig getan. Vor den Präsidentschaftswahlen hatte die Regierung vor, ein landesweites Netzwerk von EU-finanzierten Einwanderungszentren aufzubauen. Zum ersten Mal hätte der polnische Staat Migrantinnen und Migranten Sprachkurse, psychologische Hilfe und Rechtsberatung angeboten. Nach Kritik von PiS und Konfederacja wurde das Projekt jedoch auf Eis gelegt.

Wie bereits in der PiS-Ära liegt die Aufgabe, Migrantinnen und Migranten das Ankommen in Polen zu erleichtern, weiterhin größtenteils bei der Zivilgesellschaft. Sollte Rafał Trzaskowski die Präsidentschaftswahl gewinnen, könnte die Bürgerkoalition einen entspannteren Kurs in der Migrationspolitik einschlagen und die längst versprochenen Integrationsprojekte tatsächlich auf den Weg bringen. Doch indem sie Migration im Wahlkampf mal als „Bedrohung“, mal als „notwendiges Übel“ darstellt, stärkt sie auf lange Sicht vor allem jene Kräfte, die diese Narrative schon immer vertreten haben: PiS und Konfederacja.

Aus dem Englischen von Christine Hardung