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Die Klimakrise und die vierte industrielle Revolution – mit ihren bahnbrechenden Technologien wie Künstliche Intelligenz und 5G-Netzwerke – bringen die Welt auf einen geopolitischen Kollisionskurs. Sowohl die Anstrengungen in Richtung Entkarbonisierung als auch der Kampf um die globale technologische Vorherrschaft hängen von kritischen Mineralien wie seltenen Erden, Lithium und Kobalt ab – die alle konzentriert an einigen wenigen Orten, wie etwa in China, vorkommen.

Das Ringen um die Kontrolle über die Lieferketten dieser Elemente spitzt sich zu. So werden beispielsweise die Elektrofahrzeuge von Tesla und anderen Automobilherstellern mit Lithium-Ionen-Batterien betrieben, doch der größte Teil des weltweit geförderten Lithiums kommt nur aus einer Handvoll Länder. Das Spannungsfeld zwischen der geografischen Konzentration kritischer Ressourcen und dem zunehmenden globalen Wettbewerb um die Belieferung mit diesen Rohstoffen wird die Geopolitik im 21. Jahrhundert weiter destabilisieren.

Damit kommt eine lange Ära des stabilen Wettbewerbs um Rohstoffe zu einem raschen Ende. Historisch betrachtet unterhielten Imperien geschlossene wirtschaftliche Versorgungsketten und steuerten den Wettbewerb. Und in dem langen Zyklus der Entkolonialisierung nach 1945 haben die Vereinigten Staaten als globaler wirtschaftlicher Hegemon die Regeln und Normen des Welthandels gestützt. Gleichzeitig verbreiterte sich das Angebot an kritischen Ressourcen – insbesondere an fossilen Brennstoffen –, weil verbesserte geologische Daten und neue Technologien (wie Tiefseebohrungen und Fracking) dazu beitrugen, den Einfluss der OPEC zu verringern.

Doch heute haben sich die Umstände geändert. Kritische Mineralien für die Digitalwirtschaft und die Post-Kohlenstoff-Ökonomie kommen geografisch stark konzentriert vor, während das Ende der amerikanischen Unipolarität und die zunehmende Ungewissheit im Welthandel einen Sturm der Länder auf diese Rohstoffe auslösten, um sich diese rechtzeitig zu sichern.

Diese Episode führte anderen führenden Ökonomien vor Augen, dass ein wichtiger Mitbewerber und Konkurrent 97 Prozent des weltweiten Angebots an entscheidenden Rohstoffen für Magnete, Glas, Elektronik, Verteidigungssysteme, Windturbinen und Elektrofahrzeuge kontrolliert.

Chinas globaler Aufstieg unterstreicht diese Spannung zwischen Wettbewerb und Lagerstätten-Konzentration. Industrielle Innovation und Produktion fallen nicht mehr ausschließlich in den Wirkungsbereich der OECD-Länder, insbesondere der USA, der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und Japans. Diese Großmächte sicherten sich in der Vergangenheit kritische Rohstoffe durch koloniale Expansion und Aufteilung der Ressourcen, doch aufgrund der Exportambitionen Chinas und seiner Kontrolle über entscheidende Lieferketten haben sich die Verhältnisse geändert. Außerdem stellt Chinas Belt and Road Initiative (BRI) – ein grenzübergreifendes Infrastrukturinvestitionsprogramm mit teilnehmenden Ländern in Afrika, Eurasien und Südamerika – frühere Modelle des Zugangs und der Zusammenarbeit offen infrage.

Regierungen im globalen Süden, wo sich zahlreiche Lagerstätten kritischer Ressourcen befinden, sind häufig bereit, exklusive Vereinbarungen zu treffen. Sie begrüßen Chinas zentrale Finanzierungsprogramme, sein zunehmendes Engagement und das Narrativ der „Win-Win-Partnerschaften“, die eine zuverlässige Alternative zu westlicher Finanzierung und Normsetzung bieten.

Chinas Vorherrschaft im Rohstoffbereich sorgt für eine Umgestaltung der Geopolitik. Nach einem Zwischenfall mit einem Fangschiff in der Nähe der japanischen Senkaku-Inseln, die China für sich beansprucht und als Diaoyu-Inseln bezeichnet, halbierte China im Jahr 2010 seine Exportquoten für seltene Erden und verbot Berichten zufolge auch deren Verkauf nach Japan. Diese Episode führte anderen führenden Ökonomien vor Augen, dass ein wichtiger Mitbewerber und Konkurrent 97 Prozent des weltweiten Angebots an entscheidenden Rohstoffen für Magnete, Glas, Elektronik, Verteidigungssysteme, Windturbinen und Elektrofahrzeuge kontrolliert.

Die USA, die EU und Japan haben immer noch keine wirksamen Strategien entwickelt, um sich aus Chinas Zugriff auf die Ressourcen zu befreien.

Die USA, die EU und Japan reagierten darauf bestenfalls bruchstückhaft, und zehn Jahre später haben sie immer noch keine wirksamen Strategien entwickelt, mit Chinas Zugriff auf die Ressourcen umzugehen. Im Jahr 2019 gerieten die seltenen Erden erneut in die Schlagzeilen, als China andeutete, man könnte sie im Handelsstreit mit den USA als „Waffe einsetzen“. Unterdessen zeigen hitzige Medienberichte über die Entdeckung von seltenen Erden in Afghanistan, in Grönlands schmelzenden Gletschern, in der Tiefsee sowie auf Asteroiden und Planeten, dass magisches Denken weiterhin über effektiver Politikgestaltung steht.

Darüber hinaus erfordert die Entkarbonisierung auch einen weiteren Durchbruch in der Technologie und Lagerung von Batterien, weswegen die weltweite Lithium-Förderung von 32 500 Tonnen im Jahr 2015 sprunghaft auf 95 000 Tonnen im Jahr 2018 angestiegen ist. Zwei der drei politisch und wirtschaftlich instabilen Länder im sogenannten „Lithium-Dreieck” – nämlich Chile und Bolivien – beteiligen sich an der Belt and Road Initiative und sind auch Empfänger erheblicher chinesischer Investitionen. Das dritte Land, Argentinien, denkt über einen Beitritt nach. Weil keines der Länder über die Möglichkeiten zur vertikalen Integration verfügt, kontrolliert China über 60 Prozent der weltweiten Herstellungskapazitäten für Lithium-Ionen-Batterien. Nicht einmal Australien, wo sich beträchtliche Vorkommen an seltenen Erden und Lithium befinden, ist es bisher gelungen, zu einem „unabhängigen“ alternativen Anbieter zu werden.

Kobalt, ein weiterer unerlässlicher Rohstoff für Batterien, wird vorwiegend in der Demokratischen Republik Kongo gefördert. Dieses Land verfügt über die weltgrößten Kobaltreserven – dreimal mehr als das an zweiter Stelle liegende Australien – und liefert 60 Prozent des weltweit abgebauten Kobalts. In der Demokratischen Republik Kongo wird nach wie vor am kostengünstigsten abgebaut. China ist der vorherrschende Investor, wobei aufgrund eines Aufschreis wegen der dort herrschenden Arbeitsbedingungen Fragen hinsichtlich ethisch vertretbarer Abbaubedingungen aufgeworfen wurden.

China hat seine wachsende Wirtschaftskraft durch die systematische Errichtung eines globalen Netzwerks an Partnern unter Beweis gestellt. Die alten Mächte müssen nun neue Wege mit den Entwicklungsländern beschreiten.

Wie könnten die Regierungen der reichen Länder nun am besten mit der Spannung zwischen Wettbewerb und Lagerstätten-Konzentration im Bereich kritischer Mineralien umgehen, insbesondere angesichts des schwindenden Einflusses traditioneller globaler Institutionen? Eine Möglichkeit besteht darin, das alte koloniale Modell der Aufteilung von Regionen zur Steuerung des Wettbewerbs wiederzubeleben. Doch obwohl es China gelungen ist, seinen weltweiten wirtschaftlichen Einfluss auszuweiten, ohne jemals eine Kolonialmacht gewesen zu sein, können die EU, die USA und Japan dieses Spiel nicht mehr länger erfolgreich weiterspielen. Kleinere Entwicklungsländer verfügen mittlerweile über andere Optionen und Präferenzen und stellen sich oftmals an die Seite Chinas, Russlands, Indiens oder anderer Mächte.

Alternativ könnten die traditionellen Mächte damit beginnen, einen neuen Rahmen für die Zusammenarbeit zu schaffen. Dem steht jedoch das „America-First“-Gehabe von US-Präsident Donald Trump ebenso entgegen wie ein Mangel an Koordinierung unter früheren Verbündeten. Hinzu kommt, dass Unternehmen nicht bereit sind, Geopolitik über ihre Gewinne zu stellen. Wiederholte Aufrufe von Regierungen, die Rolle Chinas in den Lieferketten zu beschneiden, bringen wenig. Minister sprechen viel über den Wettbewerb, gehen aber nicht auf die Bedürfnisse und Interessen der Länder ein, in denen die wichtigsten strategischen Ressourcen lagern. Außerdem wird der Klimawandel die Ausgabenkürzungen noch verschärfen, insbesondere in den rohstoffreichen, aber wirtschaftlich, sozial und politisch anfälligen Regionen.

China hat seine wachsende Wirtschaftskraft durch die systematische Errichtung eines globalen Netzwerks an Partnern unter Beweis gestellt. Die alten Mächte müssen nun neue Wege für den Aufbau von Vertrauen und Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern beschreiten. Dies nicht nur, um sich kritische, für die Energieversorgung der Welt im Anthropozän unerlässliche Bodenschätze zu sichern, sondern auch, weil ein gefährlicher Planet eine Bedrohung für alle darstellt.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

(c) Project Syndicate