Im pazifischen Inselstaat Fidschi kam es zuletzt zum Machtkampf zwischen zwei ehemaligen Putschisten um die Ausrichtung des Landes. Diesen konnte Premierminister Sitiveni Rabuka klar für sich entscheiden. Großer Verlierer sind dagegen sein Amtsvorgänger, der im Dezember 2022 abgewählte Langzeit-Premierminister Voreque Bainimarama, und wieder einmal die Demokratie im Land. Rabuka und seine Getreuen gehen mit denselben Methoden gegen Bainimarama vor, wie dieser sie zuvor jahrelang zur Gängelung der Opposition angewandt hat. Mittlerweile sitzt Bainimarama im Gefängnis, die parlamentarische Opposition ist zerschlagen.

Da Rabuka als Verfechter einer ethno-nationalistischen Spaltungspolitik gilt, macht sich in Teilen der Bevölkerung Sorge vor einem Rückfall in die rassistische Politik früherer Jahrzehnte breit. Diese hatte zu massiver Diskriminierung und einem Exodus der Fidschianerinnen und Fidschianer mit indischen Wurzeln geführt, die einst die Hälfte und mittlerweile nur noch ein Drittel der Bevölkerung ausmachen. Bereits 1987 verübte Rabuka zwei Militärputsche und stürzte die damalige Regierung, die stärker für die Rechte nicht-indigener Fidschianerinnen und Fidschianer eintreten wollte. Von 1992 bis 1999 amtierte er ein erstes Mal als gewählter Premierminister, gab sich gemäßigter und ermöglichte einen friedlichen Regierungswechsel zugunsten seines Nachfolgers Mahendra Chaudhry. Im letzten Wahlkampf trat er allerdings erneut mit der Forderung auf, das Christentum zur Staatsreligion zu erklären – ein Affront gegen die nicht-christliche Bevölkerung. Zudem führte er mit dem Great Council of Chiefs die Institution wieder ein, die einst besonders für die Vorherrschaft der indigenen Bevölkerung stand.

Seit der Wahl 2022 wird Fidschi von einer Koalitionsregierung aus Rabukas Peoples’ Alliance Party, seiner ehemaligen Partei SODELPA und der moderaten National Federation Party regiert. Auch wenn Bainimaramas FijiFirst-Partei stärkste Fraktion blieb, feierten viele Menschen den Regierungswechsel nach 16 Jahren Bainimarama-Herrschaft und den Ausblick auf eine sich ausgleichende Drei-Parteien-Koalition als Sieg der Demokratie. Doch davon ist nicht viel übriggeblieben: Schon kurz nach der Wahl begann die neue Regierung, die Opposition in ähnlicher Weise zu schikanieren, wie es die vorherige Regierung getan hatte.

Innerhalb von zwei Monaten wurde Bainimarama für drei Jahre von der Parlamentsarbeit suspendiert und musste sein Mandat ganz niederlegen. Wenig später wurde er wegen Amtsmissbrauchs angeklagt. Der Prozess und sein Zeitpunkt können, trotz des unbestritten großen Fehlverhaltens Bainimaramas in seiner Amtszeit, als politisch motiviert verstanden werden. Im Mai 2024 wurde Bainimarama schließlich in einem Justiz-Krimi zu einem Jahr Haft verurteilt, was ihn aufgrund der von ihm selbst erlassenen Verfassung von jeglicher weiterer politischer Betätigung ausschließt – ein Schachzug, den er in der Vergangenheit selbst oft genug angewandt hat.

Bis heute sind die Ereignisse von 2000 ein nationales Trauma.

Mittlerweile sind Bainimaramas FijiFirst-Partei und die entsprechende Parlamentsfraktion wegen Verstößen gegen das Parteiengesetz vollständig aufgelöst worden. Neun der 26 Oppositionsabgeordneten schworen dem einstigen Erzfeind Rabuka die Treue, während die verbliebenen FijiFirst-Abgeordneten ihre Mandate zunächst als fraktionslose Mitglieder mit eingeschränkten Rechten behalten dürfen. Rabuka ist damit nicht mehr auf seine bisherigen Koalitionspartner angewiesen, auch wenn die Zusammenarbeit formal weiterbesteht.

Nach der weitgehenden Zerschlagung der Opposition ist Rabukas Macht so weit gefestigt, dass seinem strittigsten Wahlversprechen, der Begnadigung von George Speight von seiner lebenslangen Haft, nichts mehr im Weg stand. Speight führte im Jahr 2000 einen bewaffneten Aufstand nationalistischer Indigener an, die Häuser und Läden indisch-stämmiger Fidschianerinnen und Fidschianer anzündeten. Sie hielten Premierminister Chaudhry, seine Minister und zahlreiche Abgeordnete 56 Tage lang als Geiseln im Parlament fest. Mindestens acht Menschen verloren ihr Leben. Bis heute sind die Ereignisse von 2000 ein nationales Trauma.

Ausgesprochen wurde die Begnadigung vom fidschianischen Präsidenten Ratu Wiliame Katonivere, doch der wahre Strippenzieher dürfte Rabuka sein. Dieser plant bereits ein persönliches Treffen mit Speight – und zwar explizit nicht im Rahmen eines nationalen Versöhnungsprozesses, sondern als „Freund“. Speights Freilassung löst nicht nur Angst und Schrecken in der indisch-stämmigen Bevölkerung aus, sondern ist ein weiterer Schritt, um das Bainimarama-Erbe zurückzudrehen. Bainimarama hatte einst als Militärchef nach langem Zögern Speights Aufstand beendet und 2006 die Macht im Land übernommen, weil die damalige – ursprünglich von ihm selbst eingesetzte – Regierung eine Amnestie für Speight plante. Bainimarama gewann die Unterstützung der nicht-indigenen Bevölkerung durch eine klare Positionierung gegen den ethno-nationalistischen Politikstil, festigte seine Macht jedoch auch durch äußerst repressives Vorgehen. Als Vorsitzender der 23. UN-Klimakonferenz wurde Bainimarama 2017 in Bonn trotz allem wie ein Rockstar gefeiert.

Im Pazifik tobt seit Jahren ein Machtkampf zwischen den USA und China.

Von Europa aus betrachtet mögen die Entwicklungen in Fidschi auf den ersten Blick wenig Bedeutung haben. Doch ihre Relevanz für die Pazifik-Region und darüber hinaus sollte nicht unterschätzt werden. Denn im Pazifik tobt seit Jahren ein Machtkampf zwischen den USA und China, für dessen Verlauf Fidschi eine wichtige Rolle spielt. Nachdem die traditionellen Partner Australien und Neuseeland das Land nach der Machtübernahme Bainimaramas mit Sanktionen belegt hatten, wandte sich Fidschi als erstes Land der Region im großen Stil strategisch an China – und ebnete damit auch Chinas diplomatischen Vormarsch in andere Inselstaaten. Ende August reiste nun auch Rabuka für zehn Tage nach China, wo er mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping betonte, dass Fidschi die enge Zusammenarbeit mit China fortsetzen werde. Zuvor hatte sich Rabuka teils kritisch über Chinas Einfluss geäußert – davon ist nun nichts mehr zu hören. In Canberra, Wellington und Washington dürfte dies durchaus für Bauchschmerzen sorgen.

Verbindungen gibt es auch zum Konflikt im Nahen Osten. Ähnlich wie andere pazifische Inselstaaten zählt Fidschi zu den Ländern, die bei den Vereinten Nationen regelmäßig bei strittigen Abstimmungen mit Israel votieren. Im Februar war Fidschi neben Israel und den USA das einzige Land, das sich gegen die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs und gegen die Einholung eines Rechtsgutachtens zum Israel-Palästina-Konflikt aussprach. Begründet wird diese Haltung weniger mit politischen als mit religiösen Motiven, insbesondere einer wörtlichen Auslegung der Bibel, die eine uneingeschränkte Unterstützung von „Gottes auserwähltem Volk“ erfordere. Anders als in den nahezu vollständig christlich geprägten benachbarten Inselstaaten, stößt diese Argumentation in Fidschi auf lautstarken Protest der nicht-christlichen Bevölkerung, insbesondere der muslimischen Minderheit (circa sechs Prozent). Bainimarama kritisierte zudem, dass diese Haltung im Widerspruch stehe zu Fidschis langjähriger Rolle als neutraler Truppensteller für UN-Friedensmissionen im Nahen Osten, etwa auf den Golan-Höhen sowie für die UNIFIL-Mission im Libanon, die in den letzten Tagen mehrfach unter israelischen Beschuss geriet.

Im letzten Jahr hat Deutschland in Fidschi eine Botschaft eröffnet, ein zentraler Bestandteil der deutschen Annäherung an die Pazifik-Region. Im Mai dieses Jahres besuchte Außenministerin Annalena Baerbock Fidschi. Diese erst zweite Reise einer deutschen Außenministerin in einen pazifischen Inselstaat (nach Baerbocks Besuch in Palau 2022) war von enormer Bedeutung, um die steigende Relevanz der Region anzuerkennen und die deutsche Klimaaußenpolitik voranzutreiben. Konnte man im Mai gewisse Entwicklungen in Fidschi noch mit einem Grummeln im Bauch ignorieren, ist mittlerweile klar, dass bei weiteren Konsultationen auch die Bedeutung von Demokratie und die Achtung der Menschenrechte wieder ganz nach oben auf die Tagesordnung gehört.

Fidschi verdient eine Perspektive jenseits derselben Putschisten, die seit Jahrzehnten die Geschicke des Landes bestimmen wollen. Angesichts äußerer Bedrohungen benötigen die Menschen im Pazifik mehr denn je Einheit und nicht Spaltung – auf regionaler Ebene ebenso wie innerhalb ihrer Gesellschaften. Da viele der Inselstaaten sich an Fidschi orientieren, könnte ein erneutes Abdriften in einen autoritären Regierungsstil Symbolwirkung auf Länder wie Kiribati oder die Salomonen haben, die seit einigen Jahren ähnliche Tendenzen zeigen. Die Auswirkungen für die Stabilität der gesamten Pazifik-Region könnten verheerend sein.