Was kommt raus, wenn Vertreterinnen und Vertreter von 193 Staaten die Bedürfnisse und Interessen von heute und zukünftig lebenden Menschen weltweit in Einklang bringen möchten? Kurz gesagt: ein widersprüchlicher Text mit teils kontraproduktiven Vorschlägen. Das Anliegen des UN-Zukunftspakts, allen Menschen heute wie in Zukunft gleichermaßen gerecht zu werden, ignoriert die Ursachen von zunehmenden sozial-ökologischen Krisen, etwa der Erderhitzung und ihrer massiven Folgen. Die Krisen werden zudem durch extreme Ungleichverteilungen an Einkommen, Vermögen, materiellen Ressourcen und Sorgearbeitszeit begünstigt.

Trotzdem werden mit dem Zukunftspakt ungleiche Betroffenheiten, Ressourcen, Verantwortungen und Verursachungen weitestgehend verwischt. Es allen recht machen zu wollen und niemanden durch zielgruppenspezifische Regulierung auf der Grundlage der Menschenrechte benachteiligen zu wollen, führt letztendlich zum Erhalt des Status quo. Statt Gleichmachung bräuchte es ein Abkommen im Sinne einer Gleichstellung aller Menschen, dem Schutz Benachteiligter und der natürlichen Umwelt, welcher durch eine globale Regulierungsinstanz hergestellt würde.

Ein wesentlicher Impuls für den Pakt war der Aufschrei junger Menschen. Die Initiative des Zukunftspakts wurde unter anderem von Jugendbewegungen wie Fridays for Future mitgetragen. Hierin zeigt sich auch der Wunsch nach politischen Handlungen über staatliche Souveränitäten hinaus. Bezeichnend ist, dass Greta Thunberg sich inzwischen primär um den nächsten Klimastreik auf der Straße statt um den UN-Verhandlungsprozess kümmert. Inhaltlich baut der Pakt teilweise auf der UN-Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung auf, teilweise ergänzt er diese.

Bis zuletzt opponierten 20 Staaten gegen die Textentwürfe (darunter Ägypten, Bolivien, China, Iran, Pakistan, Russland, Syrien und Venezuela). Diese Gruppe lehnt etwa eine aktive Rolle von zivilgesellschaftlichen Akteuren ab. Zentrale Streitpunkte bei den Verhandlungen waren Klima, Abrüstung, die internationale Finanzarchitektur, Geschlechtergerechtigkeit und Menschenrechte. Das Niveau der Verhandlungen ist daran zu erkennen, dass es bereits als Erfolg gilt, dass Menschenrechte als Grundprinzip im Pakt benannt werden. Anhand von vier Aspekten werden nachfolgend die Leerstellen und Widersprüche aufgezeigt.

Erstens: Mit dem Fokus auf Armut vernebeln die Vereinten Nationen die zugrunde liegenden Probleme wie etwa die extreme Ungleichverteilung von Bewegungsfreiheiten, Einkommen und Vermögen. Armut sei laut dem UN-Pakt die größte Krise der Menschheit. Jedoch bleiben entscheidende Regulierungsmaßnahmen außen vor. Um beispielsweise eine globale Bewegungsfreiheit für alle Menschen und die Umverteilung von Vermögen weltweit voranzutreiben, bräuchte es zunächst eine globale Regulierungsinstanz frei von zwischenstaatlichen, insbesondere von nicht-demokratischen Einflussnahmen.

Eine erste Forderung zur Vermögensbesteuerung von Einzelpersonen findet sich bereits im Text (Aktion 4:23). Hier sind Initiativen wie die internationale Milliardärssteuer von Gabriel Zucman anschlussfähig, mit der Gelder etwa auf die Bereiche Bildung, Ernährung, Gesundheit und Klimaschutz umverteilt werden könnten. Auch ein Schuldenschnitt wird nicht im Pakt erwähnt, obwohl inzwischen 54 Staaten mehr als zehn Prozent ihres Haushalts für Schuldenrückzahlungen aufbringen müssen. Im Pakt wird lediglich auf Bemühungen um Umschuldungen verwiesen. Bei diesem Ansatz wird etwa die natürliche Umwelt für den Treibhausgas-Handel in Wert gesetzt und so getan, als hätten jene Flächen zuvor nicht bereits Treibhausgase eingespart und könnten sie demnach neue Treibhausgase einsparen.

Das Vorgehen von transnationalen Konzernen führt vielfach zur Auslagerung von Umweltschäden in wirtschaftlich schwächere Länder.

Zweitens: Der Pakt behandelt umfänglich ökologische Aspekte, obwohl entscheidende Probleme wie nötige Maßnahmen nicht adressiert werden.  Es wird allen voran auf den vieldeutigen, oftmals widersprüchlichen Begriff der Nachhaltigkeit rekurriert, sodass selbst jene Personengruppen und Unternehmen, die die Umwelt zerstören, sich als „nachhaltig“ positionieren können. Die konfligierenden Bedürfnisse und Interessen von auf der einen Seite überkonsumierenden Menschen, wie die Mehrheit im Globalen Norden, und auf der anderen Seite der Mehrheit der Weltbevölkerung werden nicht herausgearbeitet. Die ökologische Schuld müsste auf globaler Ebene erfasst und aufgearbeitet werden.

Die Umsetzung bestehender Verträge zur Regulierung und Kontrolle planetar verträglicher Konsum- und Produktionsweisen, etwa das Klimaabkommen von Paris, stockt. Das 1,5-Grad-Ziel ist bereits gescheitert. Sanktionsmöglichkeiten gibt es nicht. Zudem wird im Pakt vielfach auf Lösungsansätze verwiesen, die auf neue Technologien vertrauen. Diese vergrößern jedoch meist die Probleme, sodass es einer weltweiten Regulierung dieser technologischen Ansätze bedarf. Das Vorgehen von transnationalen Konzernen führt vielfach zur Auslagerung von Umweltschäden in wirtschaftlich schwächere Länder. Dies basiert auf einem Machtgefälle zwischen Staaten und einem daraus resultierenden ungleichen wie unfairen Wettbewerb. Eine global gerechte Agenda müsste diese systemischen Fehlstrukturen angehen. Das leistet der Zukunftspakt nicht.

Drittens: Der Text problematisiert nicht die Ausgrenzung von Menschen durch Staatsgrenzen. Grenzen behindern Migration und machen die Flucht aus bewaffneten oder strukturellen Konflikten, vor Naturkatastrophen oder vor akuter Armut lebensgefährlich. Sie verweigern damit Arbeits-, Freiheits- und Sozialrechte, die seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 eigentlich eine selbstverständliche Selbstverpflichtung aller Staaten sind. Das Recht auf Asyl steht nicht mal im Zukunftspakt, und Migration wird auf „reguläre“ Migration verkürzt.

Viertens: Verhandlungen bei den Vereinten Nationen sind gekennzeichnet von einem umfassenden Repräsentationsproblem. Viele Delegierte vertreten die Interessen autoritärer Machthaber in ihren Ländern oder repräsentieren lediglich die Oberschicht. Man kennt sich noch von den Eliteuniversitäten. Einige Delegationen sprechen nur für einen kleinen, bessergestellten Teil der Weltgesellschaft.

Im Gegensatz zu diesen Netzwerken werden in mehreren Ländern Verteidigerinnen und Verteidiger von Menschenrechten politisch unterdrückt und verfolgt, sodass sie auch an den UN-Verhandlungen nicht teilnehmen können. Außerdem fehlt im Zukunftspakt eine Politik für ältere Menschen etwa mit Blick auf die massiven Herausforderungen bei Staatsausgaben und Care-Arbeit, die bereits heute bestehen und sich in den kommenden Jahrzehnten weiter zuspitzen könnten. Die LGBTIQ-Community existiert im Text gar nicht. Dieser ist rein binär ausgelegt. Dabei sind die Auswirkungen von Machtasymmetrien, politischer Unterdrückung, Ausbeutung und Umweltzerstörung für diese Gruppe besonders gravierend.

Der Zukunftspakt ist ein Spiegelbild widersprüchlicher Interessen, welches aufgrund der Gleichmachung einem Recht der Stärkeren gleicht. Nationale Souveränitäten, privatwirtschaftliche Gewinninteressen und eine wachstumsgetriebene Bedürfnisgenerierung konkurrieren mit globalen Gemeinwohlinteressen. Dieser ungleiche Wettbewerb der Rechte und Interessen von gegenwärtig und zukünftig lebenden Menschen wird von den selbst sehr ungleichen Mitgliedstaaten ausgespielt. Die Vereinten Nationen müssten im Kern eine ausdifferenzierte, menschen- wie naturrechtsbasierte Regulierung zum Schutz vor ausbeuterischen wie umweltzerstörenden Handlungen anleiten und garantieren.