Es ist allgemein bekannt, aber es kann nicht oft genug betont werden: Die Demokratie und das Regierungssystem der USA sind in größter Gefahr. Donald Trump weigert sich, für den Fall seiner Wahlniederlage eine friedliche Machtübergabe zuzusagen, und für den Fall seines Wahlsieges kündigt er an, einen rachsüchtigen und ultra-parteiischen Regierungsstil zu pflegen. Dabei bezeichnet er die Demokraten als „Feinde im Inneren“ und „linksradikale Irre“ und erwägt, möglicherweise sogar die Nationalgarde gegen sie einzusetzen.
Ein Wahlsieg Trumps könnte die Gesellschaft in ernsthaftes Chaos stürzen, zumal der Supreme Court ihm weitreichende Immunität für seine Amtshandlungen zugesprochen hat. Mit diesem Gerichtsentscheid im Rücken signalisiert er seine Entschlossenheit, nach Gutsherrenart zu regieren und seine vermeintlichen Feinde rigoros zu verfolgen. Es besteht das Risiko, dass die USA – eine Demokratie, die bereits unter Druck steht und zunehmend illiberale Züge zeigt – in eine Staatsform abgleiten, die man gemeinhin als Diktatur bezeichnet.
In einer zweiten Amtszeit würde Trump kaum noch oder gar nicht mehr den bürokratischen Zwängen unterliegen, die während seiner ersten Amtszeit seine autoritären Impulse noch in Schach hielten. Auch auf juristischer, politischer und gesetzgeberischer Ebene gäbe es für ihn nur wenige Hindernisse. Wie er den Sicherheitsapparat der US-Regierung umkrempeln würde, sodass Vergeltungsmaßnahmen erleichtert würden, ist bereits offensichtlich geworden: Trump plant, die professionelle, parteiunabhängige Beamtenschaft abzuschaffen und stattdessen den Staatsapparat mit loyalen Unterstützern zu besetzen. Der entsprechende Entwurf ist Teil seines Wahlprogramms Agenda47, die dazugehörige Blaupause liefert das Project 2025 der Heritage Foundation.
Ein kürzlich bekannt gewordener interner Vorschlag zeigt zudem, dass Trump die gängigen Personalverfahren umgehen will. So plant er, Sicherheitsüberprüfungen für politische Bewerber mithilfe privater Sicherheitsfirmen zu beschleunigen, anstatt die traditionellen gründlichen Hintergrundüberprüfungen durch das FBI durchführen zu lassen. Durch eine so radikale Umpolung der US-Regierungsstrukturen könnten der Justizapparat und die für Terrorismusbekämpfung zuständigen Behörden – die schon jetzt durch einige Konservative behindert werden, die sich weigern, gegen rechtsextreme Kräfte vorzugehen – in die Hände parteitreuer Fanatiker fallen.
In seiner ersten Amtszeit hat Trump deutlich gezeigt, dass er gewillt ist, die präsidiale Macht als Druckmittel einzusetzen.
In seiner ersten Amtszeit hat Trump deutlich gezeigt, dass er gewillt ist, die präsidiale Macht als Druckmittel einzusetzen. Ein anschauliches Beispiel war 2020 seine Reaktion auf die Proteste nach der Tötung von George Floyd. Als Vertreter des Pentagon sich gegen seinen Plan stellten, das Militär im Inland einzusetzen – ein Vorgehen, das nach dem Posse Comitatus Act nur in Ausnahmefällen zulässig ist –, griff Trump auf eine eng gefasste Bestimmung zurück, die dem Heimatschutzministerium erlaubt, Bundeseigentum und -mitarbeiter zu schützen.
Diese Bestimmung interpretierte er so, dass das Ministerium eine paramilitärische Einheit aufstellen könne, um Protestierende von Bundesgebäuden fernzuhalten. Das Heimatschutzministerium entsandte Hunderte Mitarbeiter, die normalerweise ganz andere Aufgaben wahrnehmen, in überwiegend demokratisch geprägte Städte, um dort die Proteste zu unterbinden. Einige dieser Kräfte waren in nicht gekennzeichneten Fahrzeugen unterwegs, trugen Kampfanzüge und waren nicht eindeutig als Strafverfolgungsbeamte der Bundesebene zu erkennen. Viele waren nicht für das Bekämpfen von Unruhen oder den Umgang mit Massendemonstrationen ausgebildet, und einige hielten sich nicht an das verfassungsmäßig vorgeschriebene Vorgehen bei Festnahmen und Inhaftierungen.
2020 regten Trumps besonders extremistisch gesonnene Berater mehr als einmal an, unter Berufung auf den Insurrection Act (Aufstandsgesetz) den Ausnahmezustand zu verhängen. Trump hat bereits durchblicken lassen, dass er in seiner zweiten Amtszeit von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werde, und hätte dabei auch leichteres Spiel. Wenn Trump gewinnen sollte, würde er dafür sorgen, dass es in seinem Umfeld keine „adults in the room“ – also keine „Erwachsenen im Raum“ – mehr gibt, die ihn an die Kette legen, wie sein früherer Stabschef General John Kelly, der Trump öffentlich als Faschisten einstufte.
Wahrscheinlich würde Trump alle ranghohen Militärs, die seine weitreichende Vorstellung von Exekutivgewalt teilen, auf hohe Posten hieven – auch wenn es von diesen Militärs möglicherweise nur wenige gibt. Zudem müsste er sich dieses Mal keine Gedanken mehr über eine Wiederwahl oder mögliche Konsequenzen nach seiner Präsidentschaft machen. Ohne Sorge vor rechtlichen Folgen könnte er verschiedene Modelle nach Belieben ausprobieren, da er nur schwache institutionelle und politische Kontrollen zu fürchten hätte, insbesondere falls die Republikaner die Mehrheit im Senat gewinnen und dadurch die Bestätigung wichtiger Ernennungen kontrollieren würden.
Man stelle sich vor, CIA oder FBI würden von einem unqualifizierten Kriecher wie Kash Patel oder das Heimatschutzministerium würde von dem obsessiven Zuwanderungsgegner Stephen Miller geleitet. An der Spitze von staatlichen Stellen, die entweder durch neu eingestellte Sympathisanten oder durch das Ausscheiden unzufriedener beziehungsweise ausgesonderter Fachkräfte geschwächt sind, würden sie bei der Umsetzung einer Agenda, die das alltägliche Leben im ganzen Land zutiefst erschüttern könnte, auf wenig Gegenwehr stoßen.
Dass ein etablierter Politiker rechte Selbstjustiz wohlwollend toleriert, ist ein absolutes Novum.
Die Folgen könnten massive Deportationen und die rigorose Durchsetzung von Abtreibungsverboten sein, wobei Übergriffe durch Strafverfolgungsbehörden stillschweigend toleriert würden. Solche Maßnahmen würden gesellschaftliche Spannungen verschärfen, wie es bereits zu sehen war, als die Trump-Regierung an der Grenze Familien trennte oder als nach der Entscheidung des Supreme Court, das landesweite Recht auf Abtreibung (Roe v. Wade) aufzuheben, medizinische Behandlungen für Schwangere verweigert wurden.
Ereignisse wie im Sommer 2020 bieten einen Vorgeschmack: Massenhafte Deportationen könnten übergriffige Rasterfahndungen und gefährliche Konfrontationen zwischen Polizei und Immigranten – sowie allen zufällig Betroffenen – nach sich ziehen. Wahrscheinlich würde die Regierung jede Form von linkem Aktivismus, die auf breite Unterstützung trifft, als Vorwand für gewaltsame und umfassende Gegenmaßnahmen nutzen, ähnlich wie Trump es in seiner ersten Amtszeit im Umgang mit den Black Lives Matter-Protesten vormachte.
Falls Trump zu der Einschätzung käme, dass die föderalen Institutionen nicht ausreichen, könnte er Bürgerwehren ermutigen, in seinem Sinne aktiv zu werden – einschließlich Milizen, die einige republikanische Gouverneure und Bezirksregierungen kürzlich aufgestellt haben. Dass ein etablierter Politiker rechte Selbstjustiz wohlwollend toleriert, ist ein absolutes Novum.
In einer zweiten Amtszeit Trumps könnten Strafverfolgungsbehörden in Bundesstaaten und Kommunen – wie die wachsende Bewegung der sogenannten „Verfassungs-Sheriffs“ (constitutional sheriffs) – durch seine Ideologie ermutigt werden, Vergehen von Bürgerwehren zu dulden oder sogar heimlich zu unterstützen. Dies wiederum könnte das Risiko erhöhen, dass die Linke als Reaktion irgendwann zu den Waffen greift, die sie sich schon jetzt verstärkt zulegt. Unter Trump würden auf der Landkarte der Vereinigten Staaten viele potenzielle Brennpunkte entstehen, die sich zu einem Flächenbrand ausweiten könnten.
Ohne Leitplanken wie einen zuverlässigen Rechtsstaat, die sprichwörtlichen „adults in the room“ und einen professionellen Beamtenapparat, der präsidiale Launen abwehrt oder ausbremst, wird es ein schwieriges Unterfangen werden, Trumps Bestrebungen einzudämmen. Die demokratisch regierten Bundesstaaten oder Städte könnten versuchen, rechtliche Schutzräume zu bieten, aber Trump hat bereits fest angekündigt, dass er gemeinsam mit dem Kongress allen „Sanctuary Cities“ (Zufluchtsstädten) per Gesetz ein Ende bereiten will. Die daraus resultierenden Konflikte bergen eine erhebliche Gefahr für die weitere Polarisierung und Destabilisierung des Landes. Es gibt nur eine sinnvolle Möglichkeit, die amerikanische Regierungsordnung vor Trump zu schützen: Kamala Harris wählen.
© The New York Times
Aus dem Englischen von Andreas Bredenfeld