Gleißende Hitzewellen rollen diesen Sommer über Europa hinweg und brechen reihenweise Rekorde für  heißeste Tage. Das Entstehen dieser extremen Wetterbedingungen ist laut Wissenschaftlern „ohne den Klimawandel praktisch unmöglich“ und bereits jetzt entstehen schwerwiegende Folgen – Unternehmen verzeichnen ein noch nie da gewesenes Ausmaß an Todesfällen bei Arbeiterinnen und Arbeitern.

Am 16. Juli starb der spanische Straßenkehrer José Antonio Gonzalez; er arbeitete für das private Unternehmen Urbaser in Madrid. Sein Tod ist eine schmerzliche Erinnerung daran, dass wir die Gesundheits- und Sicherheitsstandards an die schnell steigenden Temperaturen anpassen müssen. Gonzalez brach zusammen, während er bei 41 Grad Celsius in der Sonne schuftete.

Die Fälle, bei denen extreme Temperaturen zu Problemen bei der Arbeit führen, häufen sich. Im Jahr 2019 stellte das Center for Public Integrity fest, dass die US-amerikanische Postbehörde US Postal Service seit 2012 etwa 900 Beschäftigte einer Hitzebelastung ausgesetzt hatte, die zu Muskelkrämpfen, Erbrechen und Bewusstlosigkeit führte.  In den vergangenen Jahren forderten immer mehr Arbeiterinnen und Arbeiter, dass ihre Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen an die veränderte Situation anpassen, denn immer mehr Menschen erkennen das Gesundheitsrisiko von extremen Temperaturen.

Unternehmen verzeichnen ein noch nie da gewesenes Ausmaß an Todesfällen bei Arbeiterinnen und Arbeitern.

Im vergangenen Jahr reichte eine Gruppe von Arbeitnehmenden in den USA eine Bundesbeschwerde gegen Amazon ein, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Arbeit in Ohnmacht fielen: „Die Innentemperatur ist zu heiß. Es gibt keine Belüftung, nur staubige, dreckige Ventilatoren, die Schmutz in unseren Lungen und Augen verteilen. Wir arbeiten ohne Unterbrechung, werden ohnmächtig vor Hitzeerschöpfung und bekommen Nasenbluten wegen Bluthochdrucks, und uns ist schwindlig und übel“, hieß es in der Beschwerde der Arbeiter des größten Amazon-Lagers in New York.

Nach einigen hitzebedingten Zwischenfällen wehren sich dieses Jahr nun die Fahrerinnen und Fahrer des weltweit größten Paketlieferdiensts UPS. In Arizona wurde ein Paketbote dabei gefilmt, wie er bei schwülem Wetter auf der Veranda eines Hauses kurzzeitig zusammenbrach. In Kalifornien gab die Familie eines 24-jährigen Fahrers an, dass ihr Angehöriger während der Arbeit an einem Hitzschlag gestorben sei.

Die wissenschaftliche Erklärung für all die Vorfälle ist eindeutig: „Die Belastung durch eine hohe Außentemperatur sowie die gestiegene Körpertemperatur aufgrund von schwerer körperlicher Arbeit kann das Risiko hitzebedingter Krankheiten erhöhen, einschließlich Hitzeerschöpfung und Hitzschlag – beide können tödlich enden. Auch akute Nierenschäden und traumatische Verletzungen können hervorgerufen werden“, sagt June Spector, stellvertretende Leiterin des Lehrstuhls für Umwelt- und Arbeitsgesundheitswissenschaften an der University of Washington und Mitverfasserin einer aktuellen Studie über durch den Klimawandel hervorgerufene Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen in Indonesien.

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass der Klimawandel zwischen 2030 und 2050 etwa 250 000 zusätzliche Todesfälle pro Jahr verursachen wird.  

Laut einer kürzlich in Nature veröffentlichten Studie hängen 37 Prozent der hitzebedingten Todesfälle im Sommer mit dem menschlich verursachten Klimawandel zusammen. Die erhöhte Todesrate ist auf allen Kontinenten zu beobachten; laut der Weltgesundheitsorganisation wird der Klimawandel zwischen 2030 und 2050 etwa 250 000 zusätzliche Todesfälle pro Jahr verursachen.  Auslöser sind Unterernährung, Malaria, Durchfall und Hitzestress. Bis 2030 muss jährlich mit 2 bis 4 Milliarden US-Dollar für die dadurch entstehenden Gesundheitskosten gerechnet werden.

Selbst im „Bestfall“, in dem der globale Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts maximal 1,5 Grad beträgt, rechnet die Internationale Arbeitsorganisation auf Grundlage von Entwicklungen in der erwerbstätigen Bevölkerung bis 2030 mit einem Anstieg um 2 Prozent der durch Hitzestress ausgefallenen Arbeitsstunden. Dies entspricht einem Verlust von 72 Millionen Vollzeitstellen.

In unserem neuen Normal mit immer mehr extremen Wetterbedingungen können die Gewerkschaften eine aktive Rolle spielen, um am Verhandlungstisch auf neue Arbeitnehmerschutzmaßnahmen zu drängen. In Spanien haben sich die Straßenreiniger direkt nach dem Tod von José Antonio Gonzalez zusammengeschlossen und eine neue Vereinbarung über die Abschaffung der Nachmittagsschicht bei hohen Temperaturen durchgesetzt.

Die größte US-amerikanische Einzelgewerkschaft Teamsters fordert in ihrer bevorstehenden Verhandlungsrunde mit UPS bessere Maßnahmen zum Schutz vor Hitze. In Großbritannien fordert der gewerkschaftliche Dachverband Trades Union Congress die Festlegung von 30 Grad als neue Höchsttemperatur in Innenräumen beziehungsweise 27 Grad für diejenigen, die anstrengende Arbeiten verrichten. Beim Überschreiten dieser Grenze müsse die Arbeit eingestellt werden.

Gewerkschaften müssen auf Reformen am Arbeitsplatz drängen, aber auch eine Regierungspolitik einfordern, die unsere Klimakrise bewältigen kann.

Forderungen nach sicheren Arbeitsbedingungen bei extremer Hitze in den jeweiligen Unternehmen und Staaten sind ein Teil der Lösung. Dennoch bekämpfen sie hauptsächlich die Symptome, nicht die Ursache. Die Gewerkschaften müssen auf Reformen am Arbeitsplatz drängen, aber auch eine Regierungspolitik einfordern, die unsere Klimakrise bewältigen kann. Dazu gehört es, einen geregelten Übergang zur kohlefreien Wirtschaft zu verlangen und zu fördern, bei der kein Arbeiter und keine Arbeiterin zurückgelassen wird.

In einer Welt mit immer extremeren Temperaturen werden Solidarität und gewerkschaftliches Engagement für einen gerechten Übergang buchstäblich den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.

Aus dem Englischen von Anne Habermeier