Entgegen den verbreiteten Erwartungen, die Donald Trumps Wahlsieg im November begleiteten, wurde ziemlich schnell klar, dass es nicht leicht wird, den Russland-Ukraine-Krieg zu beenden. Es geht auch nicht nur um Trump. Die USA müssen ihre gesamte Strategie grundlegend überdenken. Die Weltordnung, die nach dem Kalten Krieg entstanden ist, existiert nicht mehr.

Durch den relativen Machtverlust der USA, der sich über einen langen Zeitraum hingezogen hat, haben sich die weltpolitischen Kräfteverhältnisse vollständig verändert. In den vergangenen 25 Jahren ist der Anteil der G7-Mitgliedstaaten an der Weltwirtschaft von 40 auf 30 Prozent geschrumpft. China stieg zur größten Wirtschaftsmacht auf. Das Gravitationszentrum der globalen politischen Prozesse hat sich näher an den Pazifischen Ozean verlagert. Unter diesen neuen Rahmenbedingungen kann das Festhalten an der alten Strategie, die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Festigung der amerikanischen Dominanz entwickelt wurde und im Anschluss an das Ende des Kalten Krieges nachgeschärft wurde, in die Katastrophe führen. Das ist nicht nur Trump, sondern auch weiten Teilen des amerikanischen Establishments, der akademischen Kreise und der Gesamtgesellschaft bewusst. Eine neue Strategie erfordert auch eine andere Herangehensweise an den Russland-Ukraine-Krieg.

Der strategische Fokus ist für die USA die Eindämmung des chinesischen Einflusses. Seit 100 Jahren gab es keinen Konkurrenten, der sich mit seinem Kräftepotenzial so nah an die USA heranarbeiten und sie in Teilbereichen sogar überholen konnte wie China. Für Amerikas Einfluss und seine Sicherheit ist die Herausforderung durch China eine Schicksalsfrage, und die chinesischen Kapazitäten wachsen so rasant, dass Washington möglicherweise nicht mehr allzu viel Zeit bleibt. Trump sieht die Möglichkeit, dass der Russland-Ukraine-Krieg sich in die Länge ziehen könnte, offensichtlich als Risiko für die USA und als Chance für China und möchte den Krieg deshalb lieber beenden. Hinzu kommt die eher praktische Überlegung, dass dieser Krieg für Washington ein Kostenoptimierungs- und Risikomanagementproblem ist. Die Methoden, mit denen die Biden-Administration dieses Problem angegangen ist, wirken zu unsicher – deshalb wird Trump die Sache anders anpacken.

Die größte Schwierigkeit ist, dass es zwischen der Ukraine und Russland keinen Spielraum für Kompromisse gibt.

Die Aufgabe ist allerdings bedeutend schwieriger, als es scheint. Die USA haben nicht mehr so viel Einfluss wie noch vor zehn oder fünfzehn Jahren und stehen vor den gleichen Schwierigkeiten wie alle anderen potenziellen Vermittler auch. Dabei ist die größte Schwierigkeit, dass es zwischen der Ukraine und Russland keinen Spielraum für Kompromisse gibt. Moskau würde mit Forderungen in die Verhandlungen gehen, die für gleich welchen ukrainischen Machthaber tödlich wären. Selbst wenn man das schwierigste Element – die Territorialfrage – ausklammern würde, gäbe es trotzdem keinen Verständigungsspielraum. Die Beschränkungen, die Moskau der ukrainischen Außen- und Sicherheitspolitik auferlegen will, sind inakzeptabel. So wie es aussieht, wollen und können der Westen und vor allem die USA Kiews Verwundbarkeit auch nicht durch Sicherheitsgarantien kompensieren. Das ist eine Sackgasse, aus der man wohl nicht dadurch herauskommt, dass man droht, die Militärhilfen für Kiew einzustellen oder jedenfalls nicht zu erhöhen.

Territorialfragen sind von großer Bedeutung. Anders als zum Beispiel im 18. Jahrhundert sind Territorialkonflikte in der heutigen Welt durchweg schwer zu lösen. Das Staatsgebiet ist untrennbar mit der Sicherheit, dem Status, der nationalen Identität, der Geschichte und der Mythologie des betreffenden Staates verknüpft – und somit heilig. Wer einen Teil des eigenen Staatsgebiets abtritt, begeht mehr oder weniger politischen Selbstmord. Deshalb ziehen sich Territorialkonflikte auch ohne groß angelegte Kriegshandlungen über Jahrzehnte hin. Viele dieser Konflikte schwelen im Verborgenen weiter und können jederzeit erneut aufbrechen. Selbst wenn man Möglichkeiten fände, eine formale Zustimmung der Ukraine zum Verlust besetzter Gebiete zu vermeiden – wer würde dafür aufkommen, dass der latente Konflikt nicht wieder in einen Krieg eskaliert?

Trump steht noch vor einer zweiten kniffligen Aufgabe: Er muss es nicht nur irgendwie schaffen, den Krieg einzufrieren, sondern auch eine Sicherheitsarchitektur für Europa vorschlagen. Diese Architektur muss erstens die großen Risiken und die gestiegenen Kosten ausbalancieren und zweitens Washington einen Teil der Risiken und der Kosten von den Schultern nehmen. Das setzt voraus, dass die Europäer sich aktiv für eine Teilung der Kosten engagieren und dass man zur Risikominimierung einen Teil der Forderungen aus Moskau erfüllt. Beides ist höchst fraglich.

Für das erfolgreiche Herbeiführen eines Friedensabkommens gibt es in der Geschichte der US-Diplomatie ein Lehrbuchbeispiel: 1979 schafften es die USA unter der Führung des kürzlich verstorbenen Präsidenten Jimmy Carter, ein Friedensabkommen zwischen Ägypten und Israel zu ermöglichen. Damals gelang es, Spielräume für Lösungen zu finden, die beiden Seiten Vorteile brachten. Auch bei dem damaligen Krieg ging es um Sicherheit und Territorium, aber der globale Kontext und das Kräfteverhältnis waren fundamental anders als heute. Hinzu kam, dass Ägypten und Israel beide bereit waren, mit vereinten Kräften nach Kompromissen zu suchen, wo dies möglich und sinnvoll war – und das ist eine entscheidende Voraussetzung für die Durchführung sogenannter integrativer Verhandlungen. Dass im Russland-Ukraine-Krieg diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, liegt auf der Hand.

Für das Regime im Kreml könnte eine Fortsetzung des Krieges das beste Szenario sein.

Noch etwas steht der von Trump versprochenen Beendigung des Krieges im Wege: Der Krieg ist nach der Theorie der Konfliktreife ganz offensichtlich noch nicht „reif“. Nach dieser Theorie kann in einem Konflikt erst dann erfolgreich vermittelt werden, wenn die beteiligten Akteure selbst einen Ausweg finden wollen, weil sie erkennen, dass eine Fortsetzung des Krieges die Situation für sie verschlechtern würde. Dass die russische Regierung die Lage der Dinge in dieser Weise beurteilt, ist stark zu bezweifeln. Trump glaubt, Putin wolle den Krieg beenden, weil er für den russischen Präsidenten nicht nach Wunsch verlaufe. In diesem Punkt täuscht sich Trump möglicherweise: Bislang sind in Russland keine Anzeichen für tiefe Krisen festzustellen, und für das Regime im Kreml könnte eine Fortsetzung des Krieges das beste Szenario sein, selbst wenn sie zulasten der langfristigen russischen Interessen geht. Einer Kapitulation der Ukraine zu Moskaus Konditionen würde Putin wahrscheinlich zustimmen, aber alles andere wird er möglicherweise rundheraus ablehnen.

In den vergangenen drei Jahren haben sich etliche Länder als Vermittler angeboten. Doch jedes Mal erwies sich die Logik des Krieges als stärker. Durch die Fortsetzung der Kriegshandlungen wird der Preis weiter in die Höhe getrieben, aber beide Seiten zeigen, dass sie bereit sind, diesen Preis zu zahlen. Die Chancen, dass die USA als Vermittler erfolgreich wären, sind immerhin größer als zum Beispiel die Chancen Chinas, Saudi-Arabiens oder der Türkei. Die USA können als wichtigster Geldgeber der Ukraine Kiew politisch massiv unter Druck setzen und auch, wenngleich in wesentlich geringerem Ausmaß, auf Moskau Einfluss nehmen – oder breiter aufgestellte Formate initiieren, bei denen China mit ins Boot geholt wird.

Doch Washington ist nicht (mehr) allmächtig. Dass sich das Schicksal des Krieges zwischen Russland und der Ukraine durch einseitige Bemühungen entscheidet, wird unter den realen Gegebenheiten der neuen bipolaren Weltordnung immer unwahrscheinlicher.

Aus dem Russischen von Andreas Bredenfeld