Und wieder wird ein achter März vergehen, der 8. März, der Frauentag oder – wie wir ihn früher einmal nannten – der Tag der Mütter. Früher, im Sozialismus, wurde er von den Männern gefeiert, während die Frauen vom Friseur nach Hause eilten, um ein etwas besseres Mittagessen zu kochen. Die Kinder malten Grußkarten und schenkten der Lehrerin Blumen.
Seit Jahrzehnten ist der Frauentag ein internationaler Feiertag. Doch wenn in Kroatien überhaupt jemand daran denkt, dann ausschließlich im historischen Kontext. Das sollte eigentlich nicht so sein. Denn dieser Tag gibt uns Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie die Hälfte aller Mitmenschen lebt. Gleich schlecht? Gleich gut? Gut oder schlecht, aber jedenfalls nicht gleich. Man könnte es mit den Unterschieden bei der Bezahlung untermauern. In Kroatien liegt der Gender Pay Gap bei ca. 16 Prozent, also annähernd im EU-Durchschnitt. Oder aber mit der Zahl von getöteten Frauen. Das waren 19 im Jahr 2021 – 14 davon wurden von ihren Partnern getötet. Hunderte weitere wurden und werden verprügelt. Wie in jedem anderen Land wurde nur gegen wenige der Gewalttäter Anzeige erstattet. In einer durch Krieg verrohten Gesellschaft ist die Gewalt gegenüber Frauen zur Epidemie geworden.
In einer durch Krieg verrohten Gesellschaft ist die Gewalt gegenüber Frauen zur Epidemie geworden.
Sollten sich Frauen von den neuen post-sozialistischen Demokratien eine bessere Situation erhofft haben, mehr Respekt, mehr Gleichberechtigung, so ist das nicht eingetreten. Im Gegenteil, die Verarmung der Gesellschaft hat die Stellung der Frau am meisten beeinträchtigt. Dies spiegelt sich vor allem in den geringeren Sozialleistungen, der immer schlechteren medizinischen Versorgung und den niedrigeren Renten wieder – wobei geringe Renten ein grundsätzliches Frauenproblem sind.
Drei Faktoren haben besonderen Einfluss auf die Stellung der Frau in Kroatien und den anderen Ländern des ehemaligen Jugoslawiens: der Nationalismus, die Kirche und die schlechte wirtschaftliche Situation.
Der Staat und die nationalistische Ideologie lieben es, den weiblichen Körper als Reproduktionsmaschine der Nation zu vereinnahmen. Solange die Nation und der Staat den Körper der Frau für sich beanspruchen, muss man auch um die Rechte der Frau fürchten. Ein Blick nach Polen genügt: Die Beschneidung des Rechts auf Abtreibung zeigt uns, dass Frauenrechte zu jeder Zeit eingeschränkt oder gar ganz abgeschafft werden können.
Sollten sich Frauen von den neuen post-sozialistischen Demokratien eine bessere Situation erhofft haben, mehr Respekt, mehr Gleichberechtigung, so ist das nicht eingetreten.
Auch Kroatien bewegt sich schon seit Jahren in die Richtung eines schleichenden Abtreibungsverbots. Formal leben wir in einem weltlichen Staat. Doch die katholische Kirche hat großen Einfluss auf die Öffentlichkeit – sowohl über die Medien als auch durch die staatlichen Institutionen. In anderen post-sozialistischen Staaten ist das ähnlich. Die Macht der Kirche ist in Bildung und Erziehung wie auch in politischen Entscheidungen zu spüren. Einem säkularen Kroatien drängt die katholische Kirche ihre Werte auf – das traditionelle Familienbild, den Gehorsam der Frau oder das Gebären möglichst vieler Kinder.
All das geschieht ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation und die Arbeitslosigkeit, die junge Leute zum Auswandern in westliche Länder zwingt. Der Staat verfügt schlichtweg nicht über die Mittel und Maßnahmen, um die jungen Leute im Land zu halten. Ihre Abwanderung wird zu einem ernsthaften demografischen Problem. Wenn wir zu der Unsicherheit, die auf diese Weise entsteht, noch die vorherrschende Korruption als Modus operandi der kroatischen Gesellschaft hinzufügen, wird das Bild komplett.
Ein weiteres Element ist psychologischer Natur und bezieht sich auf das Erbe der Emanzipation. Viele junge Frauen erleben die heutige Zeit als eine Zeit des Post-Feminismus und sehen keinen Bedarf mehr, die patriarchalen Werte zu hinterfragen. Bis sie sich plötzlich selbst in der untergeordneten Rolle gegenüber Männern wiederfinden, zum Beispiel bei der Jobsuche. Doch dann überwiegt meist das Gefühl der Einsamkeit und Hilflosigkeit, da institutionelle Unterstützung völlig ausbleibt. So kommt es heute durchaus vor, dass die Töchter der Frauen, für die Gleichberechtigung selbstverständlich war, illegale Verträge mit ihren Arbeitgebern unterzeichnen, in denen sie sich verpflichten, drei oder fünf Jahre keine Kinder zu bekommen!
Der Staat und die nationalistische Ideologie lieben es, den weiblichen Körper als Reproduktionsmaschine der Nation zu vereinnahmen.
Die neuen Frauengenerationen sehen die aus dem vorherigen System ererbte Gleichberechtigung anscheinend als etwas Selbstverständliches an. Die Emanzipation tauschen sie ein gegen Entscheidungen des freien Marktes, wie die Auswahl von Kleidung oder Damenbinden. Dabei handelt es sich nur um einen Verbrauchertrick, der ihnen die Idee von „Freiheit” verkauft, ohne sie wirklich zu befreien. Wenn sie sich überhaupt für Feminismus interessieren, sind sie vielleicht verwirrt von dem, was sie in den Medien lesen. Denn heute ist es schwer, allgemein von Feminismus zu sprechen – es sind eher verschiedene Feminismen, unter denen die Aufspaltungen dermaßen überhandgenommen haben, dass man manchmal kaum einen gemeinsamen Nenner erkennen kann.
Sexismus und Diskriminierung bleiben auch dann bestehen, wenn die gesetzliche Gleichberechtigung erreicht ist. Denn die patriarchalische Kultur ist tief verwurzelt. Deshalb ist es wichtig, den Frauen ihre Position ins Bewusstsein zu rufen. Die aktivistische Szene ist einerseits ziemlich lebendig. Feministische Organisationen und Gruppen sind im Stande, große Proteste zu organisieren. Doch andererseits ist die ohnehin nicht besonders personenstarke Szene gespalten: die einen befassen sich mit Identitätspolitik, andere mit Gewalt und wieder andere mit Abtreibung. Man wird sich nur schwer über eine gemeinsame Plattform einig. Und bei weitem nicht alle, die ihre Stimme gegen die Diskriminierung von Frauen erheben, bezeichnen sich selbst als feministisch. Die Benennung ist zwar nicht nebensächlich, aber das Wirken ist umso wichtiger.
Konservative Werte dominieren in Kroatien weiterhin. Doch das Bewusstsein, dass der Kampf um Frauenrechte weder vorbei ist noch jemals vorbei sein wird, ist da – wenn auch nicht bei allen. Und eines ist klar: Niemand wird diese Rechte erstreiten als die Frauen selbst. Warum ist es ein endloser Kampf? Die vereinfachte Antwort lautet, dass die Frauen den Schlüssel zur Fortpflanzung besitzen. Und deshalb wird ihr Körper nie nur ihnen gehören. Er ist der Kampfschauplatz jeder Regierung, die über die Grenzen der weiblichen Entscheidungsfreiheit bestimmen will. Natürlich ist dies in einer entwickelten Demokratie weitaus schwieriger als dort, wo ein Überrest der sozialistischen Mentalität vorherrscht sowie Misstrauen gegenüber demokratischen Regierungsinstitutionen und der Reichweite eigener Handlungen. Entscheidend ist, dass den Frauen selbst klar wird, dass ihre Rechte nie für immer erkämpft sind. Ein Rückschritt ist jederzeit möglich. Nur in diesem Bewusstsein können sie sich erfolgreich dagegen zur Wehr setzen.
Aus dem Kroatischen von Sanin Hasibovic