Weit früher als erwartet muss Francois Hollande einen seiner letzten Trümpfe spielen. Mit der Nominierung Manuel Valls versucht der Präsident, seine Regierung vor dem Untergang zu retten. Miese Umfragewerte, ein bitteres Ergebnis bei den Kommunalwahlen und die schlechten Wirtschafts- und Arbeitsmarktzahlen haben den von Natur aus eher zögerlichen Hollande gezwungen, die Flucht nach vorne anzutreten. Ohne den Wechsel des Premierministers wäre das Regierungsschiff Hollandes bei den Europawahlen in acht Wochen wohl endgültig  gekentert. Es drohte (und droht) ein Debakel, bei dem der Front National gut und gerne erste politische Kraft des Landes werden könnte.

Der Hoffnungsträger Valls galt lange Zeit als Außenseiter in der Parti Socialiste (PS). Zu ehrgeizig, zu eigensinnig, zu rechts. Ein Mann, der immer wieder Mut zu einer eigenen Meinung zeigte und es wagte, der Parteiorthodoxie zu widersprechen. Als Bürgermeister der im Vorstadtgürtel von Paris gelegenen Stadt Evry hat er gezeigt, dass er verwalten kann. Als Innenminister hat versucht, zu beweisen, dass er eines der größten Probleme der französischen Linken – ihre Schwäche im Thema öffentliche Sicherheit – in den Griff kriegen kann. Die Zahlen deuten an, dass ihm das nur halb gelungen ist. Aber das Law&Order-Image hat ihn zum populärsten Minister Hollandes gemacht – so populär, dass Hollande nun nicht mehr um ihn herum gekommen ist. Die Begeisterung innerhalb der PS für diese Entscheidung wird sich allerdings in Grenzen halten.

Valls wird nun dasselbe machen, aber anders herum: Angebotsorientierte Politik plus Sozialstaatsmodernisierung - diesmal aber ergänzt durch symbolische Politik für das „Frankreich der kleinen Leute“

Was kann man von Valls erwarten? Im Grunde wird er dasselbe machen, was sein Vorgänger Jean-Marc Ayrault auch schon versucht hat. Hollande und Ayrault planten seit ihrem Antritt, eine Art New Labour-Politik à la francaise zu betreiben. Allerdings nicht offen, sondern heimlich: Angebotsorientierte Politik für die Wirtschaft gekoppelt mit einer vorsichtigen Modernisierung des Sozialstaats auf der einen Seite; ostentative soziokulturelle Reformen auf der anderen Seite, um den Parteiapparat und linksliberale Stammwählermilieus ruhig zu halten.

Das hat nicht funktioniert - im Gegenteil. Die pädagogisierende Arroganz, mit der das soziokulturelle Modernisierungsprogramm in einem Klima allgemeiner sozialer und wirtschaftlicher Krise durchgezogen wurde, hat viele Menschen verbittert: Die falschen Prioritäten zur falschen Zeit. Kein Regierungs- und kein Staatschef sind in so kurzer Zeit auf so schlechte Zustimmungswerte gefallen wie Ayrault und Hollande.

Valls wird nun dasselbe machen, aber anders herum: Angebotsorientierte Politik für die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der französischen Unternehmen plus Sozialstaatsmodernisierung - diesmal aber ergänzt durch symbolische Politik für das „Frankreich der kleinen Leute“, der Arbeiter und kleinen Angestellten, die sich von der Linken in ihren Alltagsproblemen im Stich gelassen fühlen. Das ist angesichts der Erfolge des Front National das Beste, was die PS jetzt versuchen kann. Insofern hat Hollande das richtige getan. Valls ist seine letzte Karte.