Verlässlich gute transatlantische Beziehungen sind noch immer von herausragender Bedeutung für Europa und Deutschland, aber auch für die Vereinigten Staaten. Dafür zu arbeiten ist wichtig; dafür braucht es aber Verständnis für die durchaus unterschiedlichen Mentalitäten. Hier wie dort.

Das hat sich zuletzt bei der teils heftigen Debatte über die geheimdienstliche Arbeit der National Security Agency (NSA) gezeigt. Für Washington geht es dabei in erster Linie um Sicherheit, was nach den Terroranschlägen 9/11 durchaus verständlich ist. 3.000 Menschen sind damals ums Leben gekommen. Die Attentäter erreichten die USA über Deutschland, wo sie sich einige Zeit als „Schläfer“ aufhielten; in Hamburg, in meinem Wahlkreis. Auffällig wurden sie damals nicht. Wir, unsere Dienste, hatten sie nicht wahrgenommen.

Das Motto „Security first“ gilt daher in den USA noch immer, nach innen und nach außen.  

Für die Vereinigten Staaten bleiben die Anschläge des 11. September traumatisch präsent. Nicht zuletzt daher erklärt sich der millionenfache Zugriff auf Internetdaten rund um den Globus, der hierzulande als (grundgesetzwidriger) Angriff auf die Privatsphäre deutscher Staatsbürger wahrgenommen und verurteilt wird.

Warum? Weil wir Deutschen durch zwei Diktaturen, die Nazi- und die Sowjet- bzw. DDR-Diktatur, gelernt haben, was es bedeutet, ausgespäht zu werden. Darüber, über das rechtswidrige Ausspähen der Privatsphäre, wird auch in Amerika diskutiert, aber doch weniger aufgeregt. Spätere Terrorakte (Fort Hood, Boston) haben dort das Bewusstsein terroristischer Bedrohung wachgehalten. Das Motto „Security first“ gilt daher in den USA noch immer, nach innen und nach außen.

Bei uns in Deutschland hat es glücklicherweise keine größeren terroristischen Angriffe gegeben; dies auch Dank der Geheimdienstkooperation mit den USA, die Europa geholfen hat und hilft und die ich deshalb nicht kritisiere. Mit einer Ausnahme: Das Ausspähen von EU-Botschaften und Büros der Vereinten Nationen ist durch nichts zu rechtfertigen und muss unverzüglich eingestellt werden! Vor allem auch im Interesse der USA, die ihre globale Spitzenstellung nicht nur ihrer ökonomischen und militärischen Stärke, sondern ihrem „guten Ruf“ als verlässliche Vormacht von Freiheit und Demokratie verdanken. Amerika ist noch immer die indispensable Nation, hat aber derzeit unübersehbar ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Auch wir Europäer haben ein europäisches Glaubwürdigkeitsproblem das politisch schwer wiegt.

Darauf hinzuweisen ist wichtig und zielführend, wenn und solange wir Europäer nicht nur den Zeigefinger, sondern auch die anderen, auf uns selbst zurückzeigenden Finger beachten. Sie zeigen auf ein Europa, das uneinig und deshalb unfähig ist, sich ohne Unterstützung der USA zu behaupten. Auch wir Europäer haben ein europäisches Glaubwürdigkeitsproblem, das politisch schwer wiegt. Wir sind schwach und nicht bereit und in der Lage, uns in einer gefährlichen Welt selbst vor terroristischen und anderen Gefahren zu schützen.

Das gilt auch für Deutschland. Wenn es ernst wird, wenn gehandelt werden muss, halten wir uns im Hintergrund bedeckt und hoffen, dass andere, vor allem die Amerikaner, handeln. Anders haben wir nur bei dem Einsatz der Geiselbefreiung von Mogadischu 1977 gehandelt, und zuletzt in Afghanistan. Bundeskanzler waren damals die Sozialdemokraten Helmut Schmidt und Gerhard Schröder.

Heute sprechen wir von einer Politik der Zurückhaltung und berufen uns auf historische Altlasten. Die gibt es; sie überzeugen aber unsere Verbündeten in Europa und Übersee immer weniger.

Heute sprechen wir von einer Politik der Zurückhaltung und berufen uns auf historische Altlasten. Die gibt es; sie überzeugen aber unsere Verbündeten in Europa und Übersee immer weniger. Das ist unser spezifisch deutsches Glaubwürdigkeitsproblem.

Beide Pfeiler der atlantischen Brücke schwächeln also aus unterschiedlichen Gründen. Es braucht kluge, entschlossene Politik auf beiden Seiten des Atlantiks, um die Brücke dauerhaft belastbar zu erhalten.