Seit Wochen gehen weltweit hunderttausende Schülerinnen und Schüler freitags auf die Straße, um für schnellere Fortschritte beim Klimaschutz zu demonstrieren. Beim internationalen Schulstreik unter dem Motto „Fridays for Future“ gab es am 15. März mehr als 2 000 Kundgebungen in über 120 Staaten, allein in Deutschland beteiligten sich Jugendliche in etwa 220 Städten. Wer immer noch von einer unpolitischen Generation ausging, der wird Woche für Woche eines Besseren belehrt.
Ich finde diese Proteste gut, denn sie erhöhen die öffentliche Aufmerksamkeit für ein drängendes Problem. Das soll nicht heißen, dass Politikerinnen und Politiker in den vergangenen zwanzig Jahren untätig die Füße hochgelegt haben. Die Liste der Erfolge ist durchaus beachtlich: Vom Kyoto-Protokoll in den 1990er Jahren, der Einleitung der Energiewende unter Rot-Grün Anfang der 2000er, dem historischen Pariser Klimaschutzabkommen zur Begrenzung der Erderwärmung auf möglichst 1,5 Grad bis zum jüngsten Beschluss, in Deutschland neben der Atomkraft auch aus der Kohle auszusteigen.
Trotzdem stehen wir – und da haben die Jugendlichen von #Fridays4Future Recht – vor einer entscheidenden Weichenstellung der Menschheitsgeschichte. Gelingt es uns, den Hebel noch umzulegen oder lassen wir es zu, dass sich die Erderwärmung mit in ihrem Ausmaß kaum vorstellbaren Folgen wie Hungersnöten, Wasserknappheit oder Naturkatastrophen ungebremst fortsetzt?
Bis auf einige Populisten mit unlauteren Motiven stellt heute kaum noch jemand die Notwendigkeit von mehr Klimaschutz in Frage. Es ist unbestritten, dass wir eine umfassende Transformation hin zu emissionsfreiem Wohnen, emissionsfreier Mobilität und emissionsfreiem Wirtschaften brauchen. Und das nicht nur aus Gründen des Klimaschutzes. Die Geschäftsmodelle des 20. Jahrhunderts sind im globalen Wettbewerb nicht mehr lange tragfähig. Viele deutsche Unternehmen haben das längst erkannt und steuern um.
Viel zu häufig noch wird sonntags das Hohelied des Klimaschutzes gesungen und den Rest der Woche blockiert, wenn es um echte Maßnahmen gegen den Klimawandel geht.
Das „Ob“ des Klimaschutzes ist also unbestritten. Kein Sonntagsredner kommt um ein Bekenntnis zu unseren Klimaschutzzielen herum. Doch was folgt daraus? Viel zu häufig noch wird sonntags das Hohelied des Klimaschutzes gesungen und den Rest der Woche blockiert, wenn es um echte Maßnahmen gegen den Klimawandel geht.
Es ist an der Zeit, eine offene und ehrliche Debatte über das „Wie“ des Klimaschutzes zu führen. Wir dürfen die Sonntagsredner nicht mehr länger davonkommen lassen. Dreiviertel der Deutschen wollen heute wirksamen Klimaschutz. Sie haben es verdient, dass wir den Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe stärken.
Deshalb habe ich Anfang des Jahres den Entwurf für ein Bundes-Klimaschutzgesetz vorgelegt. Damit schlage ich nichts anderes als einen neuen „Klima-Generationenvertrag“ für Deutschland vor, der diese und künftige Bundesregierungen in die Pflicht nimmt zu handeln – im Sinne eines lebenswerten Planeten auch für zukünftige Genrationen.
Das Klimaschutzgesetz ist die logische Konsequenz aus unseren internationalen und europäischen Klimaschutzverpflichtungen, denn es setzt das Bekenntnis zu unseren Zielen in Gesetzesform um und überführt es in klare Hausaufgaben für die zuständigen Ministerinnen und Minister. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass es dieser Form von Verbindlichkeit bedarf. Sonst wären wir sicherlich bei der Reduzierung der CO2-Emissionen beispielsweise im Verkehr schon deutlich weiter.
Das Klimakabinett zeigt, dass die Bundesregierung den Klimaschutz ganz oben auf ihre Agenda setzt.
Ergänzend zum Klimaschutzgesetz, das den organisatorischen Rahmen bildet, brauchen wir ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur praktischen Umsetzung unserer Klimapolitik. Diese werden derzeit von den federführenden Ministerien erarbeitet, die am besten wissen oder wissen sollten, wo am effizientesten CO2 eingespart werden kann und wie Innovationsanreize ausgelöst werden können. Ich bin gespannt auf die Vorschläge meiner Kabinettskolleginnen und –kollegen, die wir im neu eingerichteten „Klimakabinett“ zusammenführen und diskutieren werden.
Das Klimakabinett zeigt, dass die Bundesregierung den Klimaschutz ganz oben auf ihre Agenda setzt. Neben der großen Zukunftsaufgabe Digitalisierung, für die es das Digitalkabinett gibt, hat der Klimaschutz nun ebenfalls den geeigneten Steuerungsort gefunden. Unter der Ägide eines straffen Zeitplans werden wir noch 2019 die notwendigen gesetzlichen Regelungen verabschieden, die für eine verbindliche Umsetzung der Klimaschutzziele notwendig sind.
Mehr noch: Es wird in den kommenden Monaten darum gehen, die Weichenstellungen vorzunehmen, um Transformationsprozesse auf den Weg zu bringen, die sowohl die inter- als auch die intragenerative Gerechtigkeitsdimension gleichrangig im Blick haben.
Mit dem gesellschaftlichen Konsens zum Ausstieg aus der Kohle ist uns dies beeindruckend gelungen und es findet weltweit Beachtung. Wir sorgen für den Klimaschutz und schaffen aber gleichrangig Perspektiven für die Beschäftigten, die durch den Strukturwandel ihren heutigen Arbeitsplatz verlieren können, aber eben in Zukunft einen neuen finden sollen. Sicherlich: Die Ergebnisse dieser Kommission lassen sich nicht eins zu eins auf andere Bereiche übertragen. Aber die Grundprinzipien nicht nur eines handlungsfähigen Staates, sondern auch einer gestaltungswilligen Politik, die bereit ist, auch komplexe längerfristige Prozesse einzuleiten und zu steuern und zentrale ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungen (und damit auch Verteilungsfragen) nicht einfach dem Markt überlässt – dieses Prinzip sollten wir übertragen. Damit könnten wir nicht nur einen Beitrag dazu leisten, dass Klimaschutz gelingt, sondern auch, dass das Vertrauen in Politik wieder stärker wird.