Die Fragen stellte Nikolaos Gavalakis.

Donald Trump hat die Präsidentschaftswahl relativ deutlich gewonnen. Wie ist die Stimmung derzeit in Washington?

Die Stimmung in Washington ist sehr gedämpft, da die Stadt von den Demokraten dominiert wird. Sie haben hier über 90 Prozent der Stimmen bekommen. Insbesondere jüngere Menschen sind sehr geknickt, da viele das Gefühl haben, dass zentrale Werte der Demokratie durch Trumps Wahlsieg zumindest teilweise infrage gestellt wurden. Die Lage in der Stadt ist trotzdem ruhig, und meines Wissens hat es keine Unruhen gegeben.

Welche Themen waren für den Wahlausgang letztendlich entscheidend?

Der Wahlausgang war letztlich das Ergebnis einer Mischung aus Themen, Personen und allgemeiner Stimmung. Die Wirtschaft spielte eine zentrale Rolle, was bemerkenswert ist, da sie insgesamt gut läuft und viele Indikatoren positiv sind. Doch die hohen Preise belasten die Menschen. Viele erinnern sich an die Trump-Zeit, in der die Lage anders war – auch wenn das vor der Pandemie war. Die negativen Auswirkungen der Inflation kamen bei den Wählern nicht gut an. Das Thema Abtreibung hat für die Demokraten schlichtweg nicht gezündet, das muss man klar sagen. Die illegale Einwanderung spielte zwar eine Rolle, war aber in den Nachbefragungen kein Top-Thema. Trump hat Harris stark dafür kritisiert, da sie in der Biden-Administration für den Grenzschutz im Süden verantwortlich war. Und dann ist da die allgemeine Stimmung: Joe Biden ist einfach sehr unpopulär, was sich vor allem auf die hohen Preise zurückführen lässt.

Was ist mit Trump selbst?

Trumps Charakter hat keine Rolle gespielt. Entscheidend war vielmehr, wie gut er mit Medien umgehen und sich über viele Jahre hinweg in der Öffentlichkeit positionieren konnte – eine Präsenz, die Harris einfach nicht hatte. Zudem war dies möglicherweise die erste große Wahl, bei der die Wahrheit kaum noch eine Rolle gespielt hat. Die Argumente der Republikaner, insbesondere von Trump, bestanden oft aus groben Übertreibungen und Lügen, doch das hatte keinerlei Auswirkungen. Faktenchecks oder Versuche, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, waren völlig wirkungslos. Trumps mediale Präsenz, die er seit den 1980er Jahren aufgebaut hat und die damit verbundene Vertrautheit mit der Person war überragend.

Die Republikaner können – wie es ausschaut – die Mehrheit im Repräsentantenhaus halten und haben zudem den Senat erobert. Konservative Richter dominieren den Obersten Gerichtshof. Was bedeutet das für die US-Politik der nächsten vier Jahre?

Die Wahl zum Repräsentantenhaus ist noch nicht endgültig entschieden. Sollten die Republikaner jedoch die Kontrolle über Präsidentschaft, Kongress und Obersten Gerichtshof erringen, werden hochrangige Ernennungen, auch von umstrittenen Kandidatinnen und Kandidaten, deutlich leichter durchzusetzen sein. Allerdings wird ihre Mehrheit im Senat voraussichtlich nicht sehr groß sein, ebenso wie im Repräsentantenhaus. Zudem ist die Republikanische Partei weiterhin in manchen Fragen uneins, etwa bei der Frage der Unterstützung der Ukraine oder des Ausbaus der Macht der Institution des Präsidenten. Einige Republikaner dürften gegen solche Vorhaben stimmen.

Für bestimmte Gesetzesvorhaben benötigen sie ohnehin eine Supermehrheit von 60 Stimmen im Senat, die sie nur schwer erreichen werden. Zwar bestehen weiterhin einige institutionelle Hürden, jedoch deutlich weniger als bei einem geteilten Kongress. Insgesamt wird es Trump wesentlich leichter fallen, durchzuregieren.

Medien und Umfrageinstitute hatten ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorausgesagt und lagen damit meilenweit daneben. Viele Hollywoodgrößen standen fest an der Seite von Harris. Wie groß ist die Entfremdung zwischen polit-medialem Betrieb und der normalen Bevölkerung?

Dies ist natürlich seit Jahren ein Thema. Bereits 2016 und 2020 lagen Umfragen und mediale Prognosen deutlich daneben. Diesmal war das Vertrauen groß, dass die Vorhersagen präziser sein würden: ein Trugschluss. Das schlimmste Beispiel war die Umfrage in Iowa, die völlig daneben lag. Ein zentrales Problem bleibt, dass viele Trump-Wähler ihre Präferenz in Umfragen nicht offen äußern. In den Medien gibt es inzwischen eine breite Diskussion über deren Einfluss: Wie relevant ist es für Kandidaten überhaupt noch, Unterstützung von Zeitungen wie der New York Times oder anderen Leitmedien zu erhalten? Gibt es überhaupt noch Leitmedien? Denn diese agieren oft in einer „Blase“, die den Kontakt zu einem Großteil der republikanischen Wähler verloren hat. Vielfach herrscht im politisch-medialen Umfeld Unverständnis über die Beweggründe der Trump-Wählerschaft, und die moralische Ablehnung des Kandidaten beeinflusst auch die Themensetzung und Berichterstattung.

Die Folge ist eine tiefe Entfremdung zwischen beiden Lagern, in der die jeweils „anderen“ Wähler kaum verstanden werden.

Zusätzlich wird der Austausch durch die stark polarisierten Medienlandschaften erschwert. Während große Tageszeitungen oft der demokratischen Seite nahestehen, werden republikanisch orientierte Sender oder Plattformen, wie konservative Talk-Radios, häufig ignoriert oder nicht ernst genommen. Die Folge ist eine tiefe Entfremdung zwischen beiden Lagern, in der die jeweils „anderen“ Wähler kaum verstanden werden und der Einfluss der klassischen Medien auf die breite Bevölkerung weiter abnimmt.

Die Demokraten haben Kamala Harris nach Bidens Ausscheiden im Schnelldurchgang ohne Vorwahlverfahren zur Kandidatin erkoren. Im Nachhinein ein Fehler?

Die Diskussion gibt es. Die Mehrheit der Partei ist jedoch bisher der Ansicht, dass es kaum eine andere Wahl gab. Zum einen konnte Kamala Harris als Vize-Präsidentin auf die Wahlspenden für Biden zugreifen, eine Nutzung der Mittel für einen anderen Kandidaten wäre sehr kompliziert gewesen. Zudem befand sich das Land bereits im Wahlkampf, und für andere potenzielle Kandidaten war es wohl zu spät, keine andere Person drängte sich in den Vordergrund. Ein weiterer Punkt ist, dass unklar war, ob diese Wahl überhaupt zu gewinnen war – und ob Harris nicht das Beste aus der Situation herausgeholt hat. Die Partei ist gespalten. Viele meinen, dass sie und die Kampagne exzellent gearbeitet haben. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass Kamala Harris bereits 2019 eher eine mittelmäßige Kandidatin gewesen und nun relativ schnell an ihre Grenzen gestoßen sei. Das erscheint mir jedoch eher unfair. Ich glaube, mehr war einfach nicht drin.

Was bedeutet eine zweite Trump-Amtszeit für Europa und insbesondere für Deutschland?

Zunächst einmal Unsicherheit. In seiner ersten Amtsperiode und im Vorwahlkampf hat er immer wieder gezeigt, dass er überhaupt kein Interesse an längerfristigen Bündnissen und an multilateralen Organisationen hat. Er sieht diese als kostspielig und unnütz für die USA. Mit ihm kann man lediglich in bestimmten Bereichen ad hoc eine Koalition oder einen Deal schließen, der für beide vorteilhaft ist, insbesondere für die USA. Ansonsten wird es schwer werden. Das betrifft vornehmlich die NATO. Zwar ist eine Auflösung nicht unbedingt zu erwarten, aber er könnte die Allianz allein durch Worte aushöhlen, und sie durch die Infragestellung des Beistandsartikels 5 schwächen.

Trumps Fokus wird voraussichtlich auf China liegen. Seine Argumentation, die USA hätten nicht genug Ressourcen für Europa und Asien zugleich, könnte bedeuten, dass Europa in sicherheitspolitischen Fragen vermehrt auf sich allein gestellt wäre, inklusive der Verantwortung gegenüber der Ukraine. Auch ein Abzug oder eine Verlegung von US-Truppen aus Deutschland nach Polen wäre denkbar. Im Wirtschaftsbereich ist mit höheren Zöllen und Handelsbarrieren zu rechnen, möglicherweise auch gegen deutsche Produkte. Trump hat Deutschland bereits vorgeworfen, den Import amerikanischer Autos zu blockieren. Es wird ungemütlich werden. Auch eine Rückkehr ehemaliger Trump-Vertrauter wie Richard Grenell oder Mike Pompeo in wichtige Positionen wäre denkbar, mit einer Politik, die stärker auf Kosten-Nutzen-Abwägungen fokussiert ist. Bündnisse, die aus Sicht der USA keinen unmittelbaren Vorteil bringen, könnten weiter an Bedeutung verlieren.