Wie zu erwarten war, hat Donald Trump die Vorwahlen am 26. April 2016 in fünf Ostküstenstaaten mit 110 Delegierten haushoch gewonnen. Sein Hauptkonkurrent Ted Cruz konnte nur drei Delegierte für sich gewinnen, John Kasich fünf. Aber „The Donald“ hat es immer noch nicht ganz geschafft: Zur absoluten Mehrheit der Delegierten fehlen ihm noch 284. Allerdings sagen manche Beobachter, Siege in Indiana (3. Mai) und Kalifornien (7. Juni) würden ihm nun reichen. Cruz und Kasich, bisher nicht durch große Zuneigung zueinander aufgefallen, haben sich auf eine taktische Zusammenarbeit verständigt, um die endgültige Kandidatenkür auf den Parteitag zu verschieben. Ihr Kalkül ist, dem jeweils anderen in jenen Staaten den Vortritt zu lassen, in dem er bessere Chancen gegen Trump hat. So könnte Cruz in Indiana Delegierte sammeln und Kasich in Oregon und New Mexico. Vereinigt kein Kandidat beim Parteitag vom 18. bis 21. Juli die absolute Mehrheit der Delegierten von 1237 auf sich, können nach dem ersten Wahlgang Koalitionen geschmiedet werden. Zudem werden Delegierte (gemäß den Vorgaben ihres Herkunftsstaates) nach und nach von ihrer Stimmpflicht entbunden und können für eine „Anti-Trump-Koalition“ gewonnen werden. Dieses Entbinden gilt dann auch für die Cruz- und Kasich-Delegierten. Doch das Partei-Establishment hofft auf einen besseren Zugriff auf Delegierte und Parteitagsmanagement, um Trump doch noch zu verhindern.
Sind Cruz und Kasich, die sich als Retter der „Grand Old Party“ stilisieren, und auch Bernie Sanders im Demokratischen Lager, der ebenfalls nicht aufgeben will, einfach nur schlechte Verlierer? Gerade Sanders muss sich die Frage stellen, wann der Moment gekommen ist, dass sein Weitermachen seine Botschaft der notwendigen Veränderung diskreditiert, weil darin nur noch „politics as usual“ gesehen werden könnte. Er wäre dann mit schuld am wachsenden Überdruss an der Politik und am Wahlkampf (der sich allerdings spätestens im Hauptwahlkampf sowieso einstellt, wenn die Bürgerinnen und Bürger von morgens bis abends mit Wahlwerbung bombardiert werden).
Trump befürchtet zu Recht, dass bei einer „brokered convention“ nicht alles mit rechten Dingen zugehen wird.
Trump befürchtet zu Recht, dass bei einer „brokered convention“ nicht alles mit rechten Dingen zugehen wird. Aber sein Lamento, dass so der Wählerwille missachtet würde, verkennt, dass in einem solchen Szenario auch er eben nicht die notwendige Mehrheit hinter sich hat. Abraham Lincoln wurde übrigens 1860 erst im dritten Wahlgang eines heiß umkämpften Parteitags gewählt, nachdem er im ersten Wahlgang nur 102 Delegiertenstimmen bekommen hatte. Präsident wurde er dann nur, weil die Demokraten sich aufgrund der Sklaverei-Frage spalteten und zwei Kandidaten aufstellten.
Ted Cruz, der von einem solchen Parteitagsszenario profitieren könnte, ist ganz sicher kein Abraham Lincoln. Aber wer ist er? Wäre er gefährlicher für die mutmaßliche Demokratische Kandidatin Clinton als Trump?
Cruz wurde als Sohn einer US-Amerikanerin und eines kubanischen Einwanderers 1970 in Kanada geboren. Trump wird nicht müde zu betonen, dass eine gewisse Unsicherheit bleibt, ob seine Kandidatur überhaupt rechtens ist (die Verfassung schreibt vor, dass man als Staatsbürger geboren sein muss; unklar ist, ob in den USA). Seine Kandidatur wurde von der Tea-Party-Bewegung unterstützt, der er bis heute nahesteht. Damit ist er für das Republikanische Partei-Establishment, das durch die Tea Party und andere „Bewegungskonservative“ herausgefordert wird, ein problematischer Kandidat. Die Weigerung, Kompromisse mit dem politischen Gegner einzugehen – ein Markenzeichen dieser Bewegungen – kennzeichnet auch Ted Cruz, der ultra-konservative Positionen vertritt. Sein 21-stündiger Filibuster gegen Obamas Gesundheitsreform ließ ihn zur Legende in diesem Milieu avancieren. Cruz ist ein kontrollierter Redner, der seine politischen Positionen intellektuell untermauern kann. Er hat an den Eliteuniversitäten Princeton und Harvard studiert, war Mitarbeiter von William Rehnquist am Obersten Gerichtshof und bei der Federal Trade Commission und danach Generalstaatsanwalt von Texas. Zum Zeitpunkt seiner Wahl zum ersten hispanisch-stämmigen Senator von Texas 2013 war Cruz als Anwalt tätig. Seine Herkunft kann als politisches Kapital gelesen werden, vor allem in der Republikanischen Partei, in der es nicht viele Amtsträger seines Schlages gibt –, aber sie ist auch eine Bürde. Dies zeigt sich bei der Einwanderungspolitik. Will Cruz bei Latinos punkten, muss er sich hier flexibel zeigen. Aber jede Beweglichkeit gefährdet seine Position bei der nativistischen Basis. Im Vorwahlkampf muss Cruz selbstredend Letztere bedienen und redet wie Trump von der Ausweisung von Migranten ohne Papiere. Cruz hätte im Hauptwahlkampf dennoch etwas bessere Aussichten als Trump, Latinos für die Republikaner zu mobilisieren. Seine Kandidatur würde jedenfalls diese Wähler vermutlich weniger stark für Hillary Clinton mobilisieren. Angesichts deren Mobilisierungsproblems wäre das für Clinton gefährlich.
Spiel mit dem Feuer
Das Republikanische Partei-Establishment will Trump um jeden Preis verhindern. Daher bleibt ihm wenig übrig, als auf Cruz und Kasich zu setzen. Aus der Wirtschaft sind bereits Stimmen zu hören, die im Fall einer Kandidatur Trumps Hillary Clinton unterstützen wollen. Ausgerechnet einer der Koch-Brüder, mitverantwortlich für die massive finanzielle Unterstützung des jüngsten Republikanischen Rechtsrucks, denkt laut darüber nach. Man hat lange Zeit mit dem Feuer gespielt, um Präsidentschaftswahlen zu gewinnen und auch nach verlorenen Wahlen progressive Politik zu verhindern: mit der Instrumentalisierung von Vorurteilen gegen Schwarze und Latinos. Richard Nixon gewann so genug Staaten im vormals Demokratischen Süden; Ronald Reagan brachte die schwarze „welfare queen“ ins Spiel, um die weißen Vororte auch im Norden zu erobern. George H.W. Bush dämonisierte schwarze Straftäter; sein Sohn George W. Bush ließ sich von Karl Rove eine Strategie entwerfen, die Vorbehalte gegen die Homo-Ehe zu seinen Gunsten ausspielte. Unter Newt Gingrich, Sprecher des Repräsentantenhauses, wurde die gezielte Dämonisierung des politischen Gegners (und der Bildungseliten und Qualitätsmedien) in den 1990er Jahren perfektioniert („go negative early“). Man dachte, mit Fox News und der Tea Party habe diese Polarisierungs-Strategie ihren Höhepunkt erreicht – sie hat viele Wahlen gewonnen, also ihren Zweck erfüllt. Aber nun scheint es, als würden die Republikaner die Geister, die sie riefen, nicht mehr loswerden.
Das Republikanische Partei-Establishment will Trump um jeden Preis verhindern.
Donald Trump, ein scheinbar überzeugungsloser, erratischer Kandidat, treibt die Instrumentalisierung von Ressentiments gegen Migranten, Muslime, Frauen, Linke usw. und die Dämonisierung des politischen Gegners auf die Spitze. Ein Problem wäre das freilich noch nicht, wenn er damit – anders als seinerzeit die zahmeren John McCain und Mitt Romney – die Wahl gewinnen würde. Aber „The Donald“ bedroht mit seinem Populismus auch die Interessen der Wirtschaftseliten. Er will eine protektionistische Handelspolitik, er wettert gegen staatliche Wirtschaftsförderung und dergleichen mehr. Dann ist der Partei doch ein ideologischer Hardliner wie Ted Cruz lieber, der die Wirtschaftseliten bei ihren Kernthemen in Ruhe lässt, vielleicht noch gemäßigt durch John Kasich, der in Ohio beweist, dass es nach den alten Regeln doch noch geht.
1 Leserbriefe
"Donald Trump, ein scheinbar überzeugungsloser, erratischer Kandidat, treibt die Instrumentalisierung von Ressentiments gegen Migranten, Muslime, Frauen, Linke usw. und die Dämonisierung des politischen Gegners auf die Spitze. Ein Problem wäre das freilich noch nicht, wenn er damit – anders als seinerzeit die zahmeren John McCain und Mitt Romney – die Wahl gewinnen würde. Aber „The Donald“ bedroht mit seinem Populismus auch die Interessen der Wirtschaftseliten."
läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Das zeigt die ganze Verkommenheit der Politik und den Politikanlytiker.