Das Kürzel LGBTI (für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender und Intersex – zu Deutsch: Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*- und Inter*-Menschen, LSBTI) – hat in der weltweiten Diskussion um die Rechte dieser Menschen eine rasante Dynamik entwickelt. Zur Eröffnung der „Global LGBTI Rights Conference 2016“, die Mitte Juli 2016 in Montevideo, Uruguay, stattfand, erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium Christian Lange: „Egal, wo Menschen aufgrund ihrer Sexualität verfolgt, misshandelt oder inhaftiert werden, dürfen wir nicht schweigen, dürfen wir nicht wegsehen.“
Zu den 29 Unterzeichnerstaaten der anlässlich der Konferenz gegründeten „Equal Rights Commission“ gehört auch die Bundesrepublik. Damit leistet Deutschland einen Beitrag zu den internationalen Bemühungen zur völligen rechtlichen Gleichstellung dieser Gruppen. Doch bis dahin bleibt es noch ein weiter Weg.
Etappensieg
Eine wichtige Etappe auf diesem Weg war die auch mit der Stimme Deutschlands am 28. Juni 2016 in Genf verabschiedete Resolution des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen zum Schutz gegen auf sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität basierende Gewalt und Diskriminierung, auch wenn diese die Intersex-Identität nicht ausdrücklich einschloss. Das Ergebnis war mit 23 Ja-Stimmen (überwiegend aus Europa und Lateinamerika) und 18 Nein-Stimmen (mehrheitlich aus Afrika und Asien) bei sechs Enthaltungen der 47 Ratsmitglieder denkbar knapp. Dennoch wurde damit gegen erheblichen Widerstand ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung der LGBTI-Gemeinschaften erreicht. Erste Erfolge konnten zuvor bereits ähnlich hart erkämpfte Resolutionen des Rates vom 17. Juni 2011 und 24. September 2014 verbuchen.
Erstmals wird im Herbst eine unabhängige Sachverständige oder ein unabhängiger Sachverständiger vom Menschenrechtsrat ernannt. Diese Person hat die Aufgabe, die Ursachen der Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität zu untersuchen. Analog zum Auftrag anderer Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrats soll durch diese Person zum Schutz der LGBTI-Rechte das Gespräch mit Regierungen gesucht werden. Dabei sollen auch Verbrechen aus Hass und Menschenrechtsverletzungen dokumentiert werden, allerdings ohne ein Mandat zur Empfehlung von Sanktionen.
Umkämpfte Parteinahme
Die von sieben südamerikanischen Staaten ergriffene Initiative (Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Kolumbien, Mexiko und Uruguay) fand bei weiteren 41 UN-Mitgliedstaaten ausdrückliche Zustimmung, darunter Albanien als einzigem Mitgliedstaat der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC). Eine Rekordzahl von 628 Nichtregierungsorganisationen aus 151 Ländern, von denen bemerkenswerterweise mehr als zwei Drittel aus Ländern des globalen Südens stammten, unterstützte den Textentwurf. Der Entwurf lag schon vor, als am 12. Juni 2016 die Horrormeldung von dem Massaker an 49 LGBTI-Menschen in einem Nachtclub in Orlando, Florida, weite Teile der Welt erschütterte. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen reagierte tags darauf mit einer entschiedenen Verurteilung von Angriffen auf Menschen aufgrund deren sexueller Orientierung, die sogar Russland und Ägypten mittrugen.
Doch ungeachtet dieses schockierenden Fanals zeigte die teilweise hitzige Debatte, die der Annahme der Resolution nur zwei Wochen später vorausging, dass ein weltweiter Annäherungsprozess zum Schutz der Menschenrechte von LGBTI noch in weiter Ferne liegt. Tatsächlich wurde die Resolution erst nach zähem Ringen um mehrere Kompromisse mehrheitsfähig. So betonte ein in letzter Minute verabschiedeter Zusatz, dass die Bedeutung nationaler und regionaler Besonderheiten und unterschiedliche historische, kulturelle und religiöse Hintergründe beachtet werden müssten. Immerhin ist als Kernaussage geblieben, dass es die Pflicht von Staaten sei, ungeachtet ihrer politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Systeme alle Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen. So wies die Internationale Juristenkommission in einer Stellungnahme auch darauf hin, dass die Kernaussage der Resolution den universellen Charakter internationaler Menschenrechte bekräftigte.
Verhärtete Fronten
Trotz weithin großer Freude und Genugtuung bei den Verfechtern der Anerkennung von LGBTI-Lebensweisen als respektiertem Menschenrecht gab es angesichts der unüberbrückbaren Differenzen einen dicken Wermutstropfen. Die teilweise wenig diplomatisch geführten Auseinandersetzungen um den Text wie auch das Abstimmungsergebnis dokumentierten die verhärteten Fronten. Mit Ausnahme Albaniens widersetzten sich alle Mitgliedstaaten der OIC vehement der Resolution. Unterstützung fanden sie in ihrer ablehnenden Haltung vor allem bei afrikanischen Ländern. Nur vier von diesen enthielten sich der Stimme, zehn votierten dagegen. Mit Entsetzen wurde von den Befürwortern von LGBTI-Rechten die Enthaltung Südafrikas quittiert. Die 1996 verabschiedete Verfassung des Landes enthält als weltweit erste das verbriefte Grundrecht auf freie Wahl der sexuellen Orientierung. Noch 2011 und 2014 – wenn auch zunehmend zögerlicher – war das Land aktiv an den ersten bahnbrechenden Resolutionen beteiligt, daher kam die Stimmenthaltung Südafrikas einer Missachtung der eigenen Verfassung gleich und sorgte für harsche Kritik im eigenen Land wie international. Besonders beunruhigend war dabei der ungewöhnlich aggressive Ton, mit dem das Land seine Stimmenthaltung begründete und die Resolution als „spalterisch“ klassifizierte.
Von den über 70 Staaten, in denen LGBTI-Gemeinschaften teils drastischer Strafverfolgung ausgesetzt sind, ist die Hälfte aus Afrika. Dort wird weiterhin mit Homophobie – leider oftmals sehr erfolgreich – populistische Politik gemacht. Dabei bleibt es nicht bei diskriminierenden Ausgrenzungen. LGBTI-Aktivisten haben in mehreren Fällen ihr öffentliches Engagement für mehr Respekt mit ihrem Leben oder langjährigen Haftstrafen bezahlt. In Südafrika grassieren sogenannte „Heilsvergewaltigungen“, bei denen Frauen von Männergangs brutal missbraucht und häufig auf bestialische Weise ermordet werden. In anderen Ländern gehören von Homophobie motivierte Gewaltexzesse ebenfalls zum Alltag.
Mammutaufgabe
Verabscheuungswürdige Hassverbrechen wie die in Südafrika oder auch den USA zeugen weiterhin von der Mammutaufgabe, die im Engagement für die Durchsetzung von Menschenrechten für die LGBTI-Gemeinschaften besteht. Leider lässt sich von Homophobie motivierte Diskriminierung und Gewalt keinesfalls auf Gesellschaften reduzieren, in denen LGBTI-Gemeinschaften keine Rechte besitzen. Der oder die zu ernennende Sonderbeauftragte wird keine leichte Aufgabe haben, die offensichtlichen Gegner einer Umsetzung des beschlossenen Mandats davon zu überzeugen, dass es dabei um die weltweite Durchsetzung von Menschenrechten geht – und dies auch immer noch eine Aufgabe in den meisten jener Länder bleibt, die zumindest in formaler Hinsicht in ihren Standards bereits LGBTI-Rechte anerkennen.
Die mit dem Mandat des Menschenrechtsrats zu betrauende Person wird bei der Durchführung des Auftrags Sisyphusarbeit leisten müssen und vermutlich gerade da, wo eine Präsenz dringend erforderlich wäre, nur verschlossene Türen vorfinden. Dennoch bleibt mit „Queeramnesty“, der Themengruppe für LGBTI-Rechte der deutschen Sektion von Amnesty International, zu hoffen, „dass dieser Beschluss ein Wendepunkt in dem Kampf sein wird, eine Welt zu schaffen, die frei von Gewalt und Diskriminierung für alle Menschen, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität, ist.“
Ban Ki-moon nahm als Generalsekretär der Vereinten Nationen in einer Rede zum Tag der Menschenrechte bereits im Jahr 2010 klar Stellung zu diesem Thema. Als Männer und Frauen mit einem Gewissen, erklärte er, lehnen wir Diskriminierung generell ab, und besonders Diskriminierung, die auf sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität beruht. Wenn es ein Spannungsverhältnis zwischen kulturellen Einstellungen und universellen Menschenrechten geben sollte, müssen die Rechte den Vorzug erhalten.
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