Rechtspopulisten verstehen es gut, Sprache als politisches Kampfmittel einzusetzen. Die Verwendung des Begriffs „Establishment“ zeigt, wie verlogen dabei umgegangen wird. Donald Trump ging nach Washington, um dort das Establishment zu bekämpfen: So lautet das Narrativ der Neuen Rechten und der Populisten. Diese haben „Establishment“ zu einem ihrer zentralen Kampfbegriffe gekürt, wer dieses Wort für sich übernimmt, redet in deren Sprache. Ob nun zufällig oder mutwillig: Im Umgang mit Worten haben Rechtspopulisten ein gewisses Geschick erlangt. Laut der Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling laufen nur zwei Prozent unseres Denkens bewusst ab – wir denken zum Großteil unbewusst über Sprache. Das gilt auch für die Politik: Sie wird über Sprache übermittelt, nicht über Fakten. Im Falle Trumps lautet die Geschichte, dass er durch seinen Wahlsieg eine an ihren Posten klebende, korrupte Washingtoner Elite hinweggefegt habe. Zudem stellt sich Trump mit der Inszenierung als Anti-Establishment-Mann als politisch unabhängiger Unternehmer dar, der nur das Wohl der Bevölkerung im Sinn hat.

Eines der größten Probleme des politischen Systems in den USA ist die Abhängigkeit der Politiker von reichen Spendern.

Diese Geschichte aber stellt die Tatsachen auf den Kopf. Eines der größten Probleme des politischen Systems in den USA ist die Abhängigkeit der Politiker von reichen Spendern. Ohne Spenden lassen sich die teuren Wahlkämpfe kaum bestreiten. Dieses Problem wird durch den Wahlsieg Trumps noch verstärkt. In seinem Kabinett sitzen weitere Superreiche mit großem politischen Einfluss. Bestes Beispiel dafür ist Betsy DeVos, Trumps Bildungsministerin. Schätzungen zufolge hat die Familie DeVos republikanischen Politikern rund 200 Millionen Dollar gespendet. DeVos gab auch ganz offen zu, dass sie dafür eine Gegenleistung erwartete: die Förderung von Privatschulen und am Ende die Abschaffung öffentlicher Schulen.

Etablierte Superreiche im Trump-Kabinett

Obwohl DeVos vorher nie formal Politikerin war, hat sie doch jahrelang politischen Einfluss ausgeübt – nur eben ohne demokratische Legitimation. Im Gegensatz dazu müssen amerikanische Politiker offen bei den Wählern für ihre Ideen werben. Ihre politische Arbeit ist demokratisch legitimiert und besser nachvollziehbar. Hinzu kommt: Sobald die Wähler einem Politiker ihre Gunst entziehen, verliert er seinen politischen Einfluss. Hingegen kann DeVos ihren Einfluss ausüben, solange sie reich bleibt. Reichtum wird über Generationen vererbt und ist deutlich leichter zu erhalten als Wählergunst. Wenn es Etablierte gibt, dann sind es Superreiche wie Trump und viele Mitglieder seines Kabinetts.

Ein weiteres Merkmal der Trump-Regierung ist die Verachtung für Institutionen, die Macht eingrenzen können. Die Einschüchterungsversuche Trumps und seines Sprechers Sean Spicer gegenüber den Medien sind bekannt. Auch von der Justiz als Teil der Gewaltenteilung hält Trump nichts. Trump twitterte über einen „sogenannten Richter“, der das gegen Muslime gerichtete Einreiseverbot stoppte. Dies zeigt, dass der Rechtsstaat für Trump ein lästiges Hindernis ist, das es zu umgehen gilt.

Was hat das mit Europa und Deutschland zu tun? In Europa sind Rechtspopulisten zwar nicht zwangsläufig etablierte Superreiche. Mit Trump und seinem Dunstkreis teilen sie aber den unbedingten Willen zur Macht. Um diesen Machthunger zu stillen, sind sie bereit, bewährte Institutionen auszuschalten.

In Europa sind Rechtspopulisten zwar nicht zwangsläufig etablierte Superreiche. Mit Trump und seinem Dunstkreis teilen sie aber den unbedingten Willen zur Macht.

Psychologen wissen, dass Menschen anderen Menschen oft die Makel unterstellen, die sie selbst haben. Die AfD und andere Rechtspopulisten sind ein Paradebeispiel dafür. Sie wettern gegen das sogenannte Establishment, weil sie selbst gern etabliert wären – und zwar so sehr etabliert, dass sie den Rechtsstaat dafür schleifen möchten. Europas Rechtspopulisten und -extremisten geben vor, sich gegen die EU-Institutionen in Brüssel zu wenden. In Wirklichkeit geht es ihnen aber darum, die nationalen Institutionen umzubauen, um die eigene Macht zu erhalten.

Das lässt sich besonders in Polen und Ungarn beobachten. Dort legen die derzeitigen Regierungen die nationale Justiz und die Presse so eng wie möglich an die Kette. Hingegen sind in Brüssel weder Orbáns Fidesz noch Kaczyńskis PiS besonders aktiv. Ihr wichtigstes Ziel ist es, dass die EU ihnen beim Abbau des Rechtsstaates im eigenen Land nicht reinredet.

Unerfahren, ideologisch und fremdenfeindlich

Es gibt sehr ernst zu nehmende Anzeichen dafür, dass die AfD einen ähnlichen Weg einschlagen würde wie Fidesz und PiS in Ungarn und Polen. Konrad Adam, der gemessen an anderen AfD-Politikern gemäßigt ist, kann Gutes am Klassenwahlrecht aus der Kaiserzeit finden. Die zwei AfD-Landesvorsitzenden André Poggenburg und Björn Höcke bedienen sich ganz bewusst einer Nazisprache, wie der „Wucherung am deutschen Volkskörper“. Die Bundesvorsitzende Frauke Petry will den Begriff „völkisch“ hoffähig machen. Wer sich selbst sprachlich in die Nähe des Nationalsozialismus stellt, kann kaum ein überzeugter Demokrat sein. Auch die Mitgliedschaft der AfD in der rechtspopulistischen Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie“ im Europäischen Parlament lässt Böses erahnen. Zum Vergleich: Die undemokratischen Parteien Fidesz und PiS sind beide in deutlich zahmeren Fraktionen. Fidesz ist zusammen mit der CDU/CSU Mitglied in der Europäischen Volkspartei. Die PiS ist mit den britischen Tories Mitglied in der Fraktion der vergleichsweise gemäßigten Europaskeptiker, die der „Europäischen Konservativen und Reformer“.

Die, die behaupten gegen ein machtsüchtiges Establishment zu stehen, sind entweder selbst schon sehr einflussreich oder wollen es werden. Dazu wollen sie die Institutionen der Gewaltenteilung schwächen oder abschaffen. Dass diese Populisten behaupten, Anti-Establishment zu sein, ist also falsch. Die Herausforderer der bewährten Politik sind eben nicht Anti-Establishment, sondern weitgehend unerfahren, ideologisch und fremdenfeindlich.

Vorsicht vor den Vereinfachern

Demokratische Politiker sollten den Begriff Establishment daher immer zurückweisen, wenn Vereinfacher versuchen, ihnen dieses Etikett anzuhängen. Statt vom Establishment sollten wir von der bewährten, erfahrenen oder erprobten Politik sprechen. Denn die Politik der Parteien, die die Bundespolitik bislang geprägt haben, hat sich bewährt. Sie hat den Wiederaufstieg eines nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Landes ermöglicht, die heruntergewirtschaftete DDR in das Bundesgebiet integriert und Deutschland erfolgreich durch die Finanzkrise gesteuert.

Rechtspopulismus: Anti-Establishment? Von wegen!

Rechtspopulismus: Anti-Establishment? Von wegen! Dass Rechtspopulisten immer erfolgreicher in der Lage sind, Begriffe zu setzen, hat aber auch damit zu tun, dass im Westen schon länger die Sprache der Neoliberalen wirkt. Diese hat bei vielen Bürgern zu einer selbstbezogenen Haltung geführt, die dem Staat seine Einnahmen nicht gönnt. Wenn aber die Menschen in Deutschland Steuern zahlen, dann werden sie nicht geschröpft, abgezockt oder zur Kasse gebeten. Sie leisten vielmehr ihren Beitrag zum Gemeinwesen: soziale Absicherung, Universitäten, Schulen, Straßen, Justiz und Polizei, um nur ein paar Beispiele zu nennen. All das kostet, und alle haben etwas davon. Die Herausforderungen, vor denen Deutschland zur Zeit steht, lassen sich kaum überschätzen. Dafür brauchen wir aber einen gut ausgestatteten – ja starken – Staat. Wer in dieser Situation Steuersenkungen fordert, der setzt sich nicht für einen schlanken, sondern für einen ausgehungerten Staat ein. Die 22 Millionen Überstunden, die letztes Jahr bei der Polizei angefallen sind, sind nur ein Indiz unter vielen. Sprache ist das wichtigste Mittel der politischen Auseinandersetzung, wir müssen sie sorgfältig anwenden.