Es war eine ziemlich merkwürdige und befremdliche Szene in der jüngsten US-amerikanischen Geschichte: FBI-Chef James Comey hielt gerade eine Rede vor FBI-Mitarbeitern in Kalifornien, als auf dem Bildschirm hinter ihm die Nachricht erschien, Trump habe ihn gefeuert. Er hielt es zunächst für einen Scherz und lachte darüber, nur um kurz danach zu erfahren, dass er tatsächlich kurzerhand und fristlos vor die Tür gesetzt worden war. Einen derartigen Führungsstil hatte noch kein US-Präsident an den Tag gelegt. Dieser Rauswurf veranschaulicht das Ausmaß, in dem Präsident Trump die Politik und das Narrativ durch seine Personalentscheidungen – und seine Kündigungen – gestalten wird. Persönliche Loyalität im Dienste der Exekutivgewalt hat für ihn oberste Priorität.

Die Art und Weise, wie Comey entlassen wurde – Trumps Chef-Leibwächter Keith Schiller lieferte das Kündigungsschreiben persönlich in Comeys Büro ab und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem man den FBI-Direktor tausende Meilen weit entfernt wusste –, unterstrich einmal mehr, dass diese Personalpolitik sehr persönliche Hintergründe hat. Trump bezichtigte Comey der „Effekthascherei“ und sagte in einem Interview, dass der FBI-Mann schon „berühmter“  sei als der Präsident selbst.

Es war nicht das erste Mal, dass Donald Trump mit öffentlicher Erniedrigung politische Zeichen setzte.

Es war nicht das erste Mal, dass Donald Trump mit öffentlicher Erniedrigung politische Zeichen setzte. Der Vorfall erinnert an das öffentliche Abkanzeln einiger Kandidaten für höchste Regierungsämter, einschließlich des ehemaligen Gouverneurs Mitt Romney, und die Demütigung, die er im März für Angela Merkel bei ihrem Besuch im Weißen Haus in petto hatte – zwei angesehene politische Persönlichkeiten, die ihn öffentlich kritisiert hatten.

Mit der Entlassung Comeys wollte er jedoch noch mehr zum Ausdruck bringen: Sie sollte allen Regierungsstellen signalisieren, dass die Trump-Exekutive trotz der normativen und rechtlichen Sicherungsvorkehrungen zum Schutz einer liberalen Demokratie vor der Willkür der Exekutive zumindest versuchen wird, alle Mittel zur Machtkonzentration auszuschöpfen. Er wollte zeigen, dass auch eine unabhängige, überparteiliche und jenseits persönlicher Ressentiments stehende Behörde wie das FBI (die Direktoren werden für zehn Jahre ernannt) keinen Widerstand leisten darf. In einem aufschlussreichen Interview mit dem Journalisten Lester Holt widersprach der Präsident den Aussagen seiner Mitarbeiter, indem er zugab, den Direktor „seit langem“ habe feuern wollen – und zwar seit einem Dinner im Januar im Weißen Haus, bei dem Comey sich weigerte, Donald Trump seine volle Loyalität zuzusichern.

Loyalität als oberster Grundsatz für die Führungsebene

Die Forderung nach persönlicher Loyalität war für Trump von Anfang an ausschlaggebend bei der Auswahl seiner Kabinettsmitglieder und Berater, auch wenn andere Fakten diese Personalentscheidungen fragwürdig erscheinen ließen. Am deutlichsten erkennbar war das bei der Ernennung von General Michael Flynn zum Nationalen Sicherheitsberater. Flynn steht jetzt im Mittelpunkt sowohl einer Untersuchung des FBI als auch eines Kongressausschusses. Barack Obama hatte ihn als Leiter der militärischen Geheimdienstbehörde DIA entlassen und seinen Nachfolger und dessen Berater davor gewarnt, Flynn zu ernennen. Nur wenige Tage vor der Entlassung Comeys sagte die frühere Justizministerin Sally Yates, die gegen Flynn wegen seiner Kontakte zu russischen Regierungsvertretern ermittelt hatte, unter Eid aus, dass das Weiße Haus Bescheid darüber wusste, dass Flynn dem Vizepräsidenten und anderen nicht die ganze Wahrheit über seine Kontakte zu den Russen erzählt hatte. Als teilweise Erklärung dafür, was weithin als fast dreiwöchige Untätigkeit wahrgenommen wurde, äußerte Pressesprecher Sean Spicer: „Er [Präsident Trump] hat instinktiv gedacht, dass General Flynn nichts Falsches getan hat.“

Seit Flynns Entlassung fährt Trump offenbar eine zweigleisige Strategie: familiäre Bande pflegen und andere Machtzentren aufs Strengste kontrollieren.

Seit Flynns Entlassung fährt Trump offenbar eine zweigleisige Strategie: Zum einen baut er immer mehr auf familiäre Bande und übertrug unter anderem seiner Tochter Ivanka und seinem Schwiegersohn Jared Kushner in seinem engsten Beraterkreis immer weitreichendere Befugnisse. Zum anderen hat er seine Anstrengungen verstärkt, andere mögliche Machtzentren aufs Strengste zu kontrollieren. Ein Beispiel dafür ist Comeys Entlassung, ein anderes, dass er Flynns Nachfolger, H. R. McMaster, an der kurzen Leine hält.

McMaster ist in Washington eine angesehene Persönlichkeit und wurde berufen, um die Scharten auszuwetzen, die Flynns unehrenhafter Abgang verursacht hatte. In den ersten Wochen schien die Strategie auf aufzugehen: Mit dem Angriff in Syrien und der Bombardierung von Stellungen des „Islamischen Staates“ in Afghanistan stiegen die von Trump so dringend benötigten Zustimmungsraten für seine Präsidentschaft wieder an. McMasters Spielraum ist jedoch eng. In dieser Woche ging aus einer Reihe von Artikeln hervor, dass es (vor allem über die Finanzierung des US-Raketenabwehrsystems in Südkorea) zu Zerwürfnissen zwischen dem Präsidenten und dem ehemaligen hochrangigen Militär kam, der sich seine akademischen Lorbeeren mit einer detaillierten Untersuchung darüber verdient hat, welche Auswirkungen die zu starke Unterwürfigkeit der Streitkräfte gegenüber dem damaligen Präsidenten auf den Ausgang des Vietnam-Krieges hatten (McMasters Doktorarbeit dazu wurde später als Buch veröffentlicht). Während es McMaster darum geht, einen Aktionsradius für eine langfristige Politikgestaltung und eine verlässliche Bündnispolitik zu schaffen, will der Präsident unbedingt kurzfristige, mit harter Hand umgesetzte Interventionen sehen, die ihm persönlich zuzuschreiben sind. Daher unterminiert er McMaster und weist ihn in seine Schranken.

Vernachlässigen, ignorieren und demontieren der Arbeitsebene

Ansonsten verfolgt der Präsident strategisch Steve Bannons Philosophie, den Staat „abzubauen“, indem er alle Behörden lähmt, die ihm zu groß, zu unabhängig und als Hemmschuh für den Ausbau der Exekutivgewalt erscheinen. In Bannons Augen betrifft das fast die gesamte Washingtoner Bürokratie. Das Außenministerium bekommt diese Strategie am deutlichsten zu spüren.

Mit der Ernennung des politischen Neulings Rex Tillerson zum Außenminister traf Trump eine Personalentscheidung, mit der er seine Geringschätzung für umfassende Fachkompetenz und Einsichten in die grundlegende Arbeit des Außenministeriums kundtat. Auf diese – seltsame – Weise löste er den jahrzehntelangen Konflikt auf zwischen dem Außenministerium und dem Nationalen Sicherheitsrat im Weißen Haus – zugunsten von Durchführungskontrolle und militärischer Macht. Damit signalisierte er seine Vorliebe für spontanes militärisches Vorgehen gegenüber der langsamen, häufig mühsamen, heiklen und differenzierten Arbeit, die Ronald Reagans Außenminister George P. Schultz als „Pflege des Gartens der Diplomatie“ bezeichnete. Vorbei sind die Zeiten multilateraler außenpolitischer Ziele zum Klimaschutz, zur Verhütung von Epidemien, zur Demokratieförderung und zur Konfliktprävention. Aber, wie mein Harvard-Kollege Stephen M. Walt sagte, ist es „keine Diplomatie, anderen unsere [US-amerikanischen] Aufgaben aufzuzwingen“.

Die Ankündigung, den Haushalt des Außenministeriums um 31 Prozent zu kürzen und darüberhinaus neun Prozent des Personals abzubauen (2300 Stellen), die Verhängung eines Einstellungsstopps, die schleppende Vorauswahl – ganz zu schweigen von der tatsächlichen Auswahl – der Beamten (wie Staatssekretäre und Abteilungsleiter) für das Außenministerium und die Weigerung, klare Richtlinien für Kompetenzen, Handlungsspielräume und die Umsetzung von Außenpolitik und Diplomatie festzulegen, bedeutete im Grunde, dass die Regierung die US-amerikanische Diplomatie verkümmern lässt. Das wird noch jahrzehntelange Folgen für die US-Außenpolitik haben. Denn diese Veränderungen halten eine ganze Generation junger, talentierter Menschen davon ab, in den diplomatischen Dienst einzutreten.

Dass der Präsident bereit ist, das Außenministerium völlig verkümmern zu lassen, wird dadurch unterstrichen, dass er ohne vorherige Absprache mit dem Außenminister außenpolitische Erklärungen abgibt.

Dass der Präsident durchaus bereit ist, dieses Ministerium völlig verkümmern zu lassen, wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass er ohne vorherige Absprache mit dem Außenministerium oder dem Außenminister außenpolitische Erklärungen abgibt. Zwei Monate vor dem G20-Gipfel in Hamburg werden Kernfragen der globalen Agenda immer noch von Mitarbeitern der Obama-Regierung bearbeitet, und es gibt noch keine neuen politischen Richtlinien. Im Ausland eingesetzte US-Diplomaten berichten, dass sie sich mmer noch an den alten Bestimmungen orientieren – also denen aus Obamas Amtszeit – oder zur Untätigkeit verdammt sind, abgesehen vom Annehmen von Telefonaten. Die Arbeit der Konsulate in manchen Weltgegenden wurde deutlich erschwert durch den Einwanderungsstopp, den die Regierung verhängte, der dann aber von Gerichten im ganzen Land angefochten wurde. Zwar wurde kürzlich mit Mark Green der neue Leiter für die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit, USAID, ernannt, aber seine Aufgabe wird darin bestehen, 30 bis 35 der Entwicklungsprojekte zu beenden und etwa 65 Prozent der Regionalbüros zu schließen. Des Weiteren wird die USA ihre Finanzzusagen für die globale Gesundheitspolitik, die unter der Kontrolle von Außenministeriumsmitarbeitern und Entwicklungshelfern steht, um etwa 25 Prozent kürzen, was Experten zufolge im Fall einer großen Epidemie auch eine Gefährdung von Amerikanern bedeuten würde.

Insgesamt sind quer durch alle Behörden 556 Schlüsselpositionen, darunter Staatssekretäre, Unterstaatssekretäre und Botschafter, noch nicht besetzt. Auch die Ernennung von Robert Lighthizer zum US-Handelsbeauftragten wurde erst Ende April vom zuständigen Ausschuss bestätigt. Das heißt, dass es vermutlich noch einen Monat dauert, bis er seinen Dienst wirklich antritt. Gleichzeitig herrscht auf der Webseite mit den Stellenausschreibungen der Behörde bei den obersten Posten gähnende Leere.

Nimmt die Öffentlichkeit überhaupt noch Notiz?

Vor unseren Augen bildet sich eine Regierung heraus, die darauf ausgerichtet ist, die Exekutivgewalt zu stärken und zu konsolidieren, und es gleichzeitig darauf anlegt, die Strukturen, die dieser Gewalt zuarbeiten oder sie kontrollieren sollen, zumindest zu demoralisieren, wenn nicht gar ganz abzubauen. Diese politische Bühne zielt auf ein Publikum weit außerhalb des politischen Washingtons. Mit der Aufführung soll das bereits vorhandene Misstrauen, dass die Regierungsarbeit der bestehenden Institutionen nicht effektiv sei, weiter verstärkt werden.

Bis vor kurzem stieß dieses Theaterstück noch auf Begeisterung bei einem sympathisierenden Publikum: Viele Trump-Anhänger sehen in den Ermittlungen des FBI und in den Untersuchungsausschüssen des Kongresses eine reine „Hexenjagd“ und finden den Aufgabenbereich des Außenministeriums „obskur“. Jetzt scheint sich die öffentliche Wahrnehmung allerdings umzukehren: Einer Meinungsumfrage vom 10. Mai zufolge ist die Zustimmung für Trump bei weißen Wählern ohne Hochschulabschluss um zehn Prozentpunkte zurückgegangen – und dies ist genau die Wählergruppe, die ihm den Weg an die Macht geebnet hat. Durch diesen Rückgang sind die Zustimmungsraten für den Präsidenten mit 36 Prozent fast auf einem Rekordtief angelangt.

Möglicherweise hat der Präsident kein anderes Repertoire. Während er versuchen wird, diese Zahlen durch populäre Maßnahmen wieder nach oben zu drücken und sich weiterhin ins Rampenlicht zu stellen, werden seine persönlichen Entscheidungen und seine Personalentscheidungen die Vereinigten Staaten – und deren Verbündete – in den kommenden Monaten und Jahren nicht sicherer, sondern unsicherer machen.