Mit seinen Palmenstränden, modernen Hochhäusern und erstklassigen Hotels hat sich Togos Hauptstadt, die Hafenstadt Lomé, einen matten Glanz des Ansehens bewahrt, das das Land in den 1960er Jahren als regionales Juwel und touristisches Reiseziel hatte. Doch im März und April erhitzten sich hier die Gemüter und ein Sturz ins Chaos schien unmittelbar bevorzustehen, als der amtierende Präsident Faure Gnassingbé Verfassungsreformen einbrachte, die das Regierungssystem des Landes verändern. Mit den Reformen, die im April vom Parlament verabschiedet wurden, soll Togos Präsidialsystem in ein parlamentarisches System verwandelt werden. Eine Folge davon ist, dass der Präsident nicht mehr direkt vom Volk, sondern vom Parlament gewählt wird. Zudem wurde ein neues Amt mit weitreichenden Befugnissen geschaffen: das Amt eines „Präsidenten des Ministerrats“. Diese Reformen haben jedoch heftige Proteste bei der Opposition und in der Zivilgesellschaft des Landes ausgelöst, die diese Veränderungen als einen Winkelzug Gnassingbés betrachten, der sich damit seinen Machterhalt sichern wolle. Ekoué David Dosseh, Sprecher der Front Citoyen Togo Debout, einer zivilgesellschaftlichen Plattform, kritisiert die Verfassungsreform scharf: „Das Verfahren zur Annahme dieser Reformen war in keiner Weise legal. Die Meinung des Volkes wurde überhaupt nicht berücksichtigt. Somit ist es tatsächlich ein konstitutioneller Staatsstreich.“
Aufgrund der angespannten Lage mussten die für den 20. April anberaumten Parlamentswahlen um neun Tage verschoben werden. Die Regierungspartei Union pour la République errang beim Urnengang mit 108 von 113 Sitzen in der Nationalversammlung einen haushohen Sieg. Die Opposition und die Zivilgesellschaft bezichtigen die Regierung jedoch des Wahlbetrugs. In den letzten Monaten häuften sich die Angriffe auf demokratische Rechte. Demonstrationen wurden verboten und eine Pressekonferenz der Opposition mit dem Slogan „Touche pas à ma constitution“ – „Hände weg von meiner Verfassung“ – wurde von Sicherheitskräften aufgelöst. Zudem wurden neun Mitglieder des Oppositionsbündnisses Dynamique Monseigneur Kpodzro verhaftet, inzwischen aber wieder freigelassen. Und nicht zuletzt wurde die Pressefreiheit im Land unterdrückt.
Die gerade verabschiedeten Reformen verändern die politische Landschaft Togos ganz erheblich.
„Mit dieser Verfassungsreform wurde die Zeit zurückgedreht“, betont Alex Vines, Leiter der Afrikaabteilung bei der Denkfabrik Chatham House. Normalerweise hätten nächstes Jahr in Togo Präsidentschaftswahlen stattgefunden. Das hätte Gnassingbés fünfte und letzte Amtszeit werden können, doch die gerade verabschiedeten Reformen verändern die politische Landschaft Togos ganz erheblich. „Dass der Präsident zu einer Repräsentationsfigur gemacht wird und seine Macht auf den Präsidenten des Ministerrats übergeht, dessen Amtszeit nicht begrenzt ist, ermöglicht es Gnassingbé, so lange an der Macht zu bleiben, wie seine Partei die Mehrheit im Parlament hat“, erklärt Alix Boucher, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Africa Center for Strategic Studies in Washington. Denn in der geänderten Verfassung ist festgelegt, dass der Vorsitzende der Mehrheitspartei oder Regierungskoalition in der Nationalversammlung zum Ministerpräsidenten ernannt wird. Zum jetzigen Zeitpunkt ist Gnassingbé der Chef der Mehrheitspartei im Parlament und würde den neugeschaffenen Posten einnehmen und so lange innehaben, wie seine Partei die Mehrheit hat.
Das kleine Land an der Küste Westafrikas wird seit 1967 von der Gnassingbé-Dynastie regiert. Da 60 Prozent der acht Millionen Einwohner Togos unter 25 Jahre alt sind, gibt es nur wenige lebende Togolesen, die einen Präsidenten oder Staatschef erlebt haben, der nicht aus dieser Dynastie stammte. Es ist die am längsten regierende Familiendynastie Afrikas. Der aktuelle Präsident war noch nicht einmal ein Jahr alt, als sein Vater 1967 an die Macht kam. Als dieser 2005 nach 38 Jahren Amtszeit starb, setze die Armee Togos dessen Sohn Faure mit einem konstitutionellen Staatsstreich als Präsidenten ein. Das löste damals heftigste Proteste aus, die von der Armee massiv unterdrückt wurden, wobei über 700 Menschen getötet und viele andere verletzt wurden.
Seit seiner Machtübernahme vor 19 Jahren hat Faure Gnassingbé immer mal wieder die Verfassung geändert, um sich den Machterhalt zu sichern.
Seit seiner Machtübernahme vor 19 Jahren hat Faure Gnassingbé die politischen Bedingungen in seinem Sinne gestaltet und immer mal wieder die Verfassung geändert, um sich den Machterhalt zu sichern. Die Opposition wurde ebenso unterdrückt wie die Zivilgesellschaft und die Medien. In den Jahren 2017 und 2018 kam es erneut zu Protesten, bei denen gefordert wurde, dass er gemäß der in der ursprünglichen Verfassung von 1992 verankerten Beschränkung auf zwei Amtszeiten zurücktreten solle. Diese Amtszeitbeschränkung war 2002 vom Parlament aufgehoben worden. Zur Besänftigung kritischer Stimmen führte Gnassingbé 2019 die Amtszeitbeschränkung wieder ein. Aber das war nur die Fassade dafür, dass die Uhr auf Null gesetzt wurde und er so bei zwei weiteren Präsidentschaftswahlen in den Jahren 2020 und 2025 als Kandidat würde antreten können. Seine politischen Manöver waren möglich, weil die zersplitterte und schwache Opposition massiv vom Regime unterdrückt wurde. Die Opposition hatte die Parlamentswahlen von 2018 boykottiert, was aber nur dazu führte, dass Gnassingbé und seine Regierungspartei die Wahlen unangefochten gewinnen konnten und anschließend die absolute Mehrheit im Parlament hatten.
Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich geriet in die Kritik, weil sie Gnassingbé trotz seines undemokratischen Vorgehens gegen die Verfassung unterstützte. Kein Einzelfall: Wegen der Unterstützung von diktatorischen Regimen in seinen ehemaligen Kolonien ist die Kritik an Paris weit verbreitet. Dies erklärt unter anderem die zunehmend antifranzösische Stimmung in der Sahelregion. Das ist auch einer der Gründe, warum die Unterstützung für Russland in der Region in letzter Zeit wächst. In Burkina Faso, Mali und vor Kurzem auch in Niger haben prorussische Militärs die Macht ergriffen. Dennoch hoffen viele Togolesen, dass Frankreich nun verurteilen wird, was in dem Land vor sich geht. Aus dem Élysée-Palast war bisher allerdings noch nichts zu hören.
Togo hat ein beträchtliches politisches Gewicht in der Region.
Togo, das an Burkina Faso grenzt, erlebt seit 2021 einen Anstieg an militanter islamistischer Gewalt, bei der seitdem fast 200 Menschen ums Leben kamen, darunter etwa 50 Soldaten. Das hat zu Besorgnis darüber geführt, wie sich die politische Krise auf die Sicherheitssituation im Land auswirken könnte – und darüber hinaus. Unruhen in Togo könnten auch einen Dominoeffekt auf den Handel in der gesamten Region haben. Das Land ist in Afrika ein Knotenpunkt für den Handel per Schiff und Durchgangsland für seine nördlichen Nachbarstaaten, die keinen Zugang zum Meer haben. Viele für Burkina Faso, Mali und Niger bestimmte Güter kommen über den Hafen von Lomé. Togo verfügt über riesige Phosphat-Vorkommen, für die weltweit Nachfrage besteht, um für industrielle oder andere Zwecke genutzt zu werden. Gleichzeitig ist das Land aber auch ein Transitweg für Heroin. Togo hat auf jeden Fall ein beträchtliches politisches Gewicht in der Region, unter anderem als Vermittler bei politischen Krisen zwischen seinen Nachbarstaaten. Bis zur Beendigung der UN-Mission in Mali im letzten Jahr war Togo mit über 1 200 Soldaten an UN-Missionen beteiligt, hauptsächlich in Afrika. Die meisten Soldaten sind aber jetzt nach Hause zurückgekehrt.
Für die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, ECOWAS, und ihre internationalen Handelspartner ist die Stabilität der Küstenstaaten sehr wichtig. Der ECOWAS wird vorgeworfen, Togo nicht dafür an den Pranger zu stellen, dass es die Amtszeitbeschränkungen nicht durchsetzt. Tatsächlich hat die ECOWAS auch schon 2019 geschwiegen, als Gnassingbé eine weitere Verfassungsänderung erzwang. Und Togos jüngste Verfassungsänderungen widersprechen dem ECOWAS-Protokoll zu Demokratie und guter Regierungsführung. Dass die regionale Organisation die Verletzung ihrer Regeln nicht kritisiert hat, ist ein Hinweis darauf, dass „die regionalen Grundsätze allmählich unterminiert werden“, sagt Alex Vines von Chatham House. Die ECOWAS wurde in den letzten Monaten erheblich geschwächt, weil einige ihrer Mitgliedstaaten, die jetzt von Militärjunten regiert werden, aus der Organisation ausgetreten sind, um eine neue Allianz der Sahelstaaten zu gründen.
Unter der bereits 57 Jahre andauernden Herrschaft der Gnassingbé-Familie hat sich Togos Wirtschaft kaum weiterentwickelt. Etwa 50 Prozent der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar pro Tag. Togo gilt als eines der unterentwickeltesten und auch als eines der korruptesten Länder der Welt: Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International rangiert es auf Platz 126 von 180. „Angesichts dessen, dass sich die staatlichen Institutionen, einschließlich der gesetzgebenden Gewalt, im Würgegriff der Regierungspartei Union pour la République befinden, ist es unwahrscheinlich, dass Gnassingbé durch demokratische Wahlen aus dem Amt zu entfernen ist“, glaubt Alix Boucher vom Africa Center for Strategic Studies. Und trotzdem bleiben die togoische Opposition und die Zivilgesellschaft eisern. „Togo ist keine Monarchie und wir haben als Bürger und Bürgerinnen die Pflicht, jede rechtswidrige Verfassungsänderung zu bekämpfen“, sagt Ekoué David Dosseh, der Sprecher der Front Citoyen Togo Debout, und fügt hinzu: „Auch wenn es ein langer Kampf werden wird, soll die Welt wissen, dass wir diesen konstitutionellen Staatsstreich nie hinnehmen werden.“