Der Tod afrikanischer Flüchtlinge auf dem Mittelmeer ist seit Wochen das Thema in den deutschen Medien. Die massive Berichterstattung begann am 19. April, als vor der libyschen Küste beim Kentern eines Flüchtlingsschiffes rund 800 Menschen starben. Wenige Tage danach veröffentlichte die Internationale Organisation für Migration (IOM) Zahlen. Demnach waren zu diesem Zeitraum seit Jahresbeginn schon 1750 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken, dreißig Mal mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Tausende Menschen erreichen lebend europäischen Boden. Laut IOM kamen in diesem Jahr schon bis Mitte Mai fast 40.000 afrikanische Flüchtlinge an - allein in Italien.
In afrikanischen Medien ist all das praktisch kein Thema. Die gelegentlichen Berichte erscheinen in den Zeitungen auf den hinteren Seiten, und fast immer handelt es sich um Abdrucke europäischer Agenturen. Wer nach einem spezifisch afrikanischen Blick auf das Massenstreben im Mittelmeer sucht, wird also enttäuscht.
Die Gründe dafür sind vielfältig, Geldmangel zählt dazu. Fast keine Redaktion kann sich ein internationales Korrespondentennetz leisten, eine afrikanische Nachrichtenagentur gibt es nicht – daher der Rückgriff auf die europäischen Dienste. Zudem sind die meisten Zeitungen nur wenige Seiten stark. Das „Internationale“ wird von vielen bestenfalls auf einer Seite abgehandelt, um den wenigen Platz konkurrieren die Flüchtlingsdramen auf dem Mittelmeer unter anderem mit dem islamistischen Terror in Nigeria, dem Krieg im Jemen, dem gescheiterten Putsch in Burundi und anderen aktuellen Krisen.
Nur Europa meint, dass die ganze Welt nach Europa wolle. Faktisch versucht nur eine kleine Minderheit, den afrikanischen Kontinent zu verlassen.
Vor allem aber: Nur Europa meint, dass die ganze Welt nach Europa wolle. Faktisch versucht nur eine kleine Minderheit, den afrikanischen Kontinent zu verlassen. Viele afrikanische Länder müssen deshalb ihre eigenen Flüchtlingskatastrophen bewältigen. Sie kümmern sich um zehntausende Landsleute, die innerhalb der Staatsgrenzen vor Bürgerkriegen fliehen, und oft gleichzeitig um Flüchtlinge aus Nachbarländern. Die Zahlen derjenigen, die nach Europa wollen, sind daran gemessen verschwindend klein.
So sind beispielsweise aufgrund der politischen Unruhen in Burundi (über die in Deutschland kaum berichtet wird) seit Anfang April 100.000 Burunder in die Nachbarländer geflohen, nach Tansania, Ruanda und in die DR Kongo. Die aktuelle Krise, die sogar zu einem gescheiterten Putschversuch führte, ist in Burundi nicht die erste. Insgesamt haben inzwischen 200.000 Burunder in den Nachbarländern Zuflucht gesucht. Über das Drama dieser überstürzten Massenflucht berichten afrikanische Medien zur Zeit ausführlich. Die meisten Flüchtlinge leben unter unhaltbaren Zuständen, zum Beispiel in dem Camp Nyarugusu in Tansania. Mit dem doppelten seiner Kapazität ist es hoffnungslos überfüllt. Nun ist auch noch Cholera ausgebrochen, 3.000 Menschen sind erkrankt, gut dreißig Menschen schon gestorben.
Im Osten des benachbarten Kongo nehmen die Menschen zehntausende neu ankommende Flüchtlinge aus Burundi auf, obwohl dort schon 2,6 Millionen Kongolesinnen und Kongolesen als Vertriebene Hilfe brauchen. Zusammen mit Flüchtlingen aus den Nachbarländern muss der konfliktgeplagte Osten des Landes laut UNHCR mit drei Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen klar kommen. Eine unglaubliche Zahl. Bemerkenswert ist, dass man davon bei einer Reise durch die Dörfer beispielsweise in der Region Beni kaum etwas sieht. Denn es gibt fast keine Flüchtlingslager, die meisten Vertriebenen werden von Gastfamilien aufgenommen. Menschen, die heimatlosen Fremden Haus und Hof öffnen, vielleicht sogar auf eine der täglichen Mahlzeiten verzichten, weil sich die Gastgeber ihre Gastfreundschaft eigentlich gar nicht leisten können.
Die Liste der Länder, die teils trotz eigener Konflikte oder extremer wirtschaftlicher Not auch noch Flüchtlinge und Vertriebene aufnehmen, ist lang: Äthiopien, Mali, Niger, Nigeria, Südsudan, ... Schauen wir noch einmal genauer auf Kenia. Die größte Tageszeitung Daily Nation ist keine schlanke Blättersammlung, sondern eine professionelle Zeitung, die auch über Auslandsthemen in einer gewissen Ausführlichkeit berichtet und auf ihren Meinungsseiten eine sehr streitbare Kommentarkultur pflegt. In großen Abständen berichtet das Blatt auch über die Tragödien auf dem Mittelmeer und die Reaktionen der EU auf die Krise.
Aber das Land hat sein eigenes Flüchtlingsthema (das in Deutschland und dem Rest Europas kaum wahrgenommen wird): Laut UNHCR hat Kenia 537.000 Flüchtlinge aufgenommen, tausende illegale kommen vermutlich hinzu. Die meisten leben in zwei Lagern: 355.000 Somalier im weltgrößten Lagerkomplex von Dadaab. Weitere 100.000 Menschen überwiegend aus dem Südsudan und Äthiopien in einem Camp namens Kakuma. Weil in Kenia die Zahl der Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund zunimmt, möchte die Regierung Dadaab so schnell wie möglich schließen. Sie verdächtigt Mitglieder der islamistischen Shabaab-Miliz, sich unter die Flüchtlinge zu mischen und von dort aus Anschläge vorzubereiten.
Wer nach einem spezifisch afrikanischen Blick auf das Massenstreben im Mittelmeer sucht, wird also enttäuscht
Seit dem Angriff auf die Universität von Garissa Anfang April mit 148 Toten ist die kenianische Regierung noch entschlossener, die Flüchtlinge aus Somalia so schnell wie möglich nach Hause zu schicken. Darüber wird in allen kenianischen Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsendern lebhaft debattiert. Denn die Regierung würde damit gegen internationale Abkommen verstoßen. Hinzu kommt die humanitäre Härte gegenüber den Flüchtlingen. In Somalia ist immer noch Krieg, sie haben kein zu Hause mehr, wo sollen sie hin? Die Kenianerinnen und Kenianer befinden sich in einem Dilemma. Auf der einen Seite stehen internationale Verträge, die eigene Verfassung und das Gebot der Humanität. Auf der anderen Seite steht die Angst vor weiteren Terroranschlägen, die Angst um das eigene Leben.
Aus afrikanischer Perspektive hat Europa also allenfalls ein Flüchtlings-Problemchen. Nehmen wir die fast fehlende Berichterstattung darüber vielleicht als eine Art Kommentar - und uns selbst etwas weniger wichtig. Wichtig bleibt natürlich die Frage, wie der Tod von hunderten von Menschen auf dem Mittelmeer verhindert werden kann. Wir müssen weiter nach Lösungen suchen, während die afrikanischen Länder mit ihren eigenen Problemen beschäftigt sind.
10 Leserbriefe
Kaum jemand hat den UN-Weltreport über Binnenflüchtlinge »auf dem Schirm«. Es gibt weder TV-Bilder noch Entsetzen darüber, dass die Zahl der Vertriebenen im eigenen Land 2014 sprunghaft auf 38 Millionen gestiegen ist.
Der politisch-analytische Blick auf die Fluchtursachen wirft weitere diskussionswürdige Fragen auf. Welcher Flüchtling aus einem der ärmsten Länder der Welt, kann eigentlich 3000 Dollar für Schlepper aufbringen?
Die Festung Europa mauert uns nicht nur ein. Sie verstellt uns auch den Blick, und zwar gründlich.
Ich hoffe Merkel & Co haben ihn auch gelesen. Und Katja Kipping und ihre `Linke`, die die ganze Welt zu uns einladen möchten, auch.
Manchmal habe ich den Verdacht, dass den Linken auch die ausländerfeindlichen Übergriffe in Ost-Deutschland so ganz unwillkommen nicht sind. Man kann sich da als Gutmenschen präsentieren.
Gerade die Wähler der Linken, und der Grünen teilweise auch, wünschen sich jedoch garantiert kein Asylantenheim in Rufnähe.
Ehrlichkeit bei insbesondere bei den Linken ist Fehlanzeige.
Die Probleme, die Grund sind für die Massenflucht über das Mittelmeer, müssen vor Ort angegangen werden, zumindest muss verhindert werden, dass Familien Geld sammeln, einen von den ihren dann lossenden, damit der dann Geld zum Beispiel aus DE zurück nach Afrika sendet.
Das sind Wirtschaftsflüchtlinge, für deren Familien ist das ein Investment. Die Überfahrt kostet ein paar Tausend Euro.
Wir sprechen hier nicht über Asyl.
Diese Leute wollen bei uns ins Sozialsystem, und haben ihre Familien, die eine Startfinanzierung schaffen.
Also geht es nicht um Hunger, politische Verfolgung, Elend.
Diese Art Flüchtlinge muss wissen, es gibt kein Asyl. Sondern ein Flugticket zurück.
Das wird sich rasch herum sprechen, diese Leute haben Handys.
Asyl ist ein Schutz vor Verfolgung, Tod und Repressalien. Als christlich erzogener Mensch bin ich dafür, dass diese Menschen kommen dürfen und Schutz bekommen.
Asyl ist eine Sache auf Zeit. Das muss klar sein. Wenn der Grund entfallen ist, muss die Rückreise obligatorisch sein. Mag sein mit ein paar tausend Euro Startkapital.
Einwanderung: da muss man ehrlich sein! 2,5 Mio Deutsche sind der Sockel, die auf dem Arbeitsmarkt hier nicht mehr unterzubringen ist.
Zu alt, vielleicht krank, oder nicht mehr fähig den geänderten Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt zu genügen.
Was aus Afrika kommt, sind Kosten. Keine qualifizierten Neubürger.
Ehrlich wäre, den Deutschen die Wahrheit zu sagen.
Menschlichkeit kostet. Vollpension einer arabischen, afrikanischen Familie mit Kindern, das sind hunderttausende Euros.
Ohne erfolgreiche Eingliederung.
Sorry, politisch inkorrekt: in vielen Teilen Afrikas arbeiten die Männer nicht. Arbeit ist Frauensache.
Genau die werden von ihren Familien über das Mittelmeer geschickt.
Direkt: das ist geplante und organisierte Einwanderung in unser Sozialsystem.
Ich möchte, dass Flüchtlinge hier Schutz finden, Asyl.
Und wer integrierbar ist, und kein Ballast für den deutschen Staat, sollte qualifiziert werden.
Deutsch-Unterricht.
Was die deutschen Politiker da im Augenblick abliefern:
50% Wahlbeteiligung sind das Resultat.
Rumeiern zwischen Menschlichkeit und Angst vor Pegida
... und Tausende von Dauerasylanten, mit Familien, die keine Chance haben, sich hier einzubringen.
Auch das ist ein Verbrechen. Menschen gehören dorthin, wo sie selbst gestalten können.
Bis dahin sollte jeder Politiker ein Asylantenwohnheim vor der Haustür haben.
Der hervorragende Kommentar von Ernest jedoch trifft m.E. den Nagel auf den Kopf. Die dort aufgeführten ursächlichen Zusammenhänge mit Flucht und Armutsmigration werden aus fast alles Diskursen sorgfältig ausgeklammert, als hätten die Fluchtländer keine Regierungsverantwortlichen und als gäbe es keine Afrikanische Union mit ihrem 200 Mill.$ teuren, von China geschenkten Protzpalast in Addis Ababa. Da wird es nämlich richtig hässlich und richtig unbequem, sich von den Hochglanz-Konferenzen mit Autokraten aller Länder zu verbschieden, um endlich Tacheles zu reden. Es geht ja schließlich um Europas eigenes Kuchenstück vom reichen Kontinent Afrika, um Marktzugang und Ressourcen, und mit starken, kompetenten und dem Landeswohl verpflichteten Regierungen wäre das gut eingespielte 'Business as usual' zumindest infrage gestellt. Faire Wirtschaftsordnung statt destruktivem Freihandel, Schluss mit Budgethilfe an korrupte Eliten, mit Landraub und Unterstützung von Nepotismus und Kapitalflucht etc., alles als Forderungen wohl bekannt und totgeschwiegen. Wir werden aber allein schon aus Eigeninteresse als winziger Nachbarkontinent des riesigen, reichen und armen Afrika nicht herumkommen, endlich Klartext zu reden und gemeinsam wirksame Krisen- und Konfliktlösungsstrategien zu entwickeln und energisch umzusetzen. Es ist komplex und herausfordernd und wir haben in China, Indien und den Golfstaaten knallharte Mit-/Gegenspieler, aber wo ist die Alternative?
P. Reinhardt
Wer kein Asyl bekommt, und das sind mindesten 95% von Afrika, auf eigene Rechnung nach Hause geschickt wird.
Wieso sendet man die Interviews mit den Erzaehlungen der Schicksale mit denen man Mitleid bei den Buergern der EU erwecken moechte nicht dort aus?