Alle waren sie gekommen, um Donald Trumps zweiter Amtseinführung beizuwohnen: Freunde und Familie, Senatoren und Tech-Milliardäre, Richter des Obersten Gerichtshofs und natürlich auch auswärtige Politprominenz. Doch auf der offiziellen Gästeliste fehlten auffälligerweise einige der wichtigsten europäischen Staats- und Regierungschefs: Weder der wahlkämpfende Olaf Scholz noch Emmanuel Macron oder Ursula von der Leyen waren vertreten. Dafür unter anderem Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, Argentiniens Präsident Javier Milei, der VOX-Gründer Santiago Abascal, die Brexit-Ikone Nigel Farage, der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla sowie der ehemalige polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Wobei Letztgenannter in die bizarre Verlegenheit kam, einige unbedarfte Nationalgardisten unter Zuhilfenahme seines Wikipedia-Artikels überhaupt erst von seiner Identität überzeugen zu müssen. Wie schnell der Ruhm der Welt doch vergeht.

Ein Verstoß gegen das Protokoll lag bei dieser Auswahl nicht vor, denn es ist Privatsache des Gewählten, wen er an seinem großen Tag an seiner Seite haben möchte. (Befreundete Nationen sind ohnehin mit ihren Botschaftern vertreten.) Und doch zeigten sich viele Beobachter besorgt, weil Trump mehrheitlich Akteure in vorderster Front platziert hatte, die man – wie ihn selbst – häufig unter den Begriff der radikalen oder populistischen Rechten fasst. In der Folge ergab sich auf der einen Seite ein detaillierter Ausdeutungsprozess (etwa zur Frage, warum Éric Zemmour statt Marine Le Pen geladen war) und auf der anderen die Erzählung, dass man es hier offenbar mit einer weiteren Manifestation jener nationalistischen Internationalen zu tun habe, von der seit Jahren allerorten die Rede ist. Einem Netzwerk sinistrer Kräfte also, die einander geistige wie materielle Schützenhilfe leisten und die Trump nun für seinen Kreuzzug gegen die liberale Ordnung um sich schart. Ein wenig wie bei Harry Potter, wo die Anhänger Voldemorts ebenfalls keine Zeit verlieren, dem zurückgekehrten Meister ihre Aufwartung zu machen und erneut seinen Befehlen zu lauschen.

Aus dem Umstand, dass die radikale Rechte ebenso gern Beziehungspflege betreibt wie Liberale, Konservative oder Sozialdemokraten, wird so ein Ausweis für das Vorhandensein eines geeinten Machtblocks – und infolgedessen Material für dunkle Vorannahmen und Marktschreierei. Zum Teil fühlt man sich gar an gängige Verschwörungstheorien erinnert, nur dass es dieses Mal nicht ominöse globale Eliten, sondern eben die „Nationalisten“ und „Autokraten“ dieser Welt sind, die klandestine Absprachen treffen. Tritt man nüchterner an die Sache heran, wird indes schnell klar, dass Bekundungen von Nähe und Sympathie (wie sie hier zweifelsohne bestehen) eine relative Weichwährung auf dem politischen Devisenmarkt darstellen: Am Ende mögen sich Politiker A und B noch so gerne die Hände schütteln und vor der Kamera posieren, die interessengeleitete Logik internationaler Politik setzen sie so trotzdem nicht außer Kraft.

Das bedeutet nicht, dass ihre Beziehung in jedem Fall bedeutungslos wäre – sie bleibt aber in der Regel untergeordnetes Element. So mag man konzedieren, dass etwa die deutsch-französischen Beziehungen durchaus von dem Miteinander zwischen Konrad Adenauer und Charles de Gaulle profitiert haben. Man muss im gleichen Atemzug aber anerkennen, dass die Aussöhnung beider Länder eine systemische Notwendigkeit der europäischen Nachkriegsordnung war. Dem Einzelnen kam dabei allenfalls die Rolle des Türöffners und Fazilitators zu.

Auch den verschiedenen US-Regierungen ist zunächst vor allem an der Durchsetzung nationaler Interessen gelegen. Dabei kann es in Nuancen durchaus einige Unterschiede geben, kann der eine Amtsinhaber vorsichtiger und der andere rustikaler zu Werke gehen, kann der eine mehr die Langzeit- und der andere die Kurzzeitperspektive im Kopf haben. All das ändert aber nichts am Interessenprimat selbst oder an den daraus abgeleiteten Kontinuitäten in der Regierungsführung. Trump etwa polterte mit Vorliebe gegen Barack Obama, knüpfte in sicherheitspolitischen Fragen aber dennoch an dessen Vorarbeit an. Und sein Nachfolger/Vorgänger Joe Biden gerierte sich zwar als Partner auf Augenhöhe, dachte aber keineswegs daran, sich vom einst so geschmähten America First-Prinzip zu verabschieden.

Schlägt man den Bogen zurück zur nationalistischen Internationalen, ist festzustellen, dass beispielsweise Viktor Orbán zwar ein gern gesehener Gast der Trump-Regierung sein mag, dass das von ihm regierte Ungarn aus US-Sicht aber dennoch ein semiperipherer Kleinstaat bleibt und auch bei noch so tiefgehender Sympathie kaum je einen anderen Rang einnehmen wird. Die Musik aus Berlin und Paris mag knarziger daherkommen als jene aus Budapest. Aber wenn die Kameras aus und die Besucher abgereist sind, ist sie es, der man am Ehesten Gehör schenkt.

Nur von Zeit zu Zeit erfährt die Öffentlichkeit, wie sehr es in diesem Gebälk knirscht und wie fassadenhaft die Vorstellung einer rechten Einheitsfront letztlich anmutet.

Dazu ist zu bedenken, dass radikale Rechte nicht gleich radikale Rechte sind, sondern dass die so bezeichneten Akteure vielmehr eine erhebliche ideologische Buntscheckigkeit auszeichnet. So geht ein erklärter Freihändler wie Milei in vielen substantiellen Fragen nicht sonderlich gut mit einem Trump zusammen, der lautstark verkündet, Zollschranken hinabsausen und Handelskriege vom Zaun brechen zu wollen. Und auch die Passung zwischen dem Niederländer Geert Wilders, der sich die Verteidigung Homosexueller auf die Fahnen schreibt, und den geschlechterpolitisch konservativen Kräften Osteuropas ist alles andere als gut. Ganz zu schweigen von den diversen Irritationen auf europäischer Ebene, wo der stetig wachsende Rechtsaußenblock seit Jahren in sich befehdende Parlamentsfraktionen gespalten ist. Die einen zieht es in die Mitte, während die anderen an den Rand drängen; die einen haben sich in der Opposition eingerichtet, während die anderen nach realpolitischem Einfluss suchen. Und ehe man sich versieht, sind aus den einen die anderen geworden und aus den anderen die einen.

Nur von Zeit zu Zeit erfährt die Öffentlichkeit, wie sehr es in diesem Gebälk knirscht und wie fassadenhaft die Vorstellung einer rechten Einheitsfront letztlich anmutet. Etwa dann, wenn ein Spitzenfunktionär der AfD über die Verantwortung von SS-Angehörigen philosophiert und der erboste französische Partner umgehend die Beziehungen kappt. Oder wenn durchsickert, wie spinnefeind sich die vermeintlichen Bundesgenossinnen Meloni und Le Pen in Wahrheit sind und wie sehr der italienisch-französische Interessengegensatz ihr Verhältnis belastet. Dass am Ende häufig versucht wird, sich auf die Migrations- und Elitenkritik als kleinsten gemeinsamen Nenner zu verständigen, mag zum einen daran liegen, dass es keine Großideologie als einigende Klammer gibt. Es mag aber auch dem Umstand geschuldet sein, dass radikal rechtes Denken ein erhöhtes Maß an Binnenorientierung nahelegt. Denn so gerne man sich auch im Ruhm fremder Wahlsieger sonnt, am Ende ist man doch Partikularist genug, um das eigene Land als primäres Betätigungsfeld anzusehen und Gesinnungsexport nicht ars gratia artis betreiben zu wollen. Auch vor diesem Hintergrund erscheint das Wort von der nationalistischen Internationalen weniger als Scheinparadox, denn als Widersinn.

Plakativer formuliert: Trump, Meloni, Orbán, Milei und Konsorten sind nicht Filialleiter eines gemeinsamen Mutterkonzerns, sondern auf eigene Rechnung kalkulierende Politunternehmer, die ihr Verhältnis zueinander den Notwendigkeiten des heimischen Geschäfts unterordnen. Um zu verstehen, was etwa den Argentinier Milei großgemacht hat und wie seine Ziele beschaffen sind, nutzt der Blick auf euro-amerikanische Erfahrungswelten daher nur bedingt. Was aber nutzen kann, ist eine Vorstellung davon, wie der Peronismus die Politik des Südkegels über Jahrzehnte geprägt hat, welche Rolle er auch heute noch als gesellschaftliche Spaltungslinie spielt und wie das Land seit der Regierung Kirchner in jene Turbulenzen geschlittert ist, die libertären Ansätzen erst zur Massentauglichkeit verholfen haben.

Mit ihr im intellektuellen Tornister ist man gefeit davor, stilistische Gemeinsamkeiten allzu leichtfertig mit inhaltlicher Essenz zu verwechseln – und man weiß, dass die Idee von Milei als argentinischem Trump ebenso fehlgeht wie jene von Trump als amerikanischem Milei. Den einen als kulturell eingefärbtes Abziehbild des jeweils anderen zu begreifen, ist nicht minder bequem, als eine Gästeliste zum Gründungsdokument weltpolitischer Allianzgestaltung zu erheben. In beiden Fällen lohnt aber ein Blick auf die Verhältnisse unterhalb der Oberfläche und ein vertieftes Bewusstsein dafür, dass auch globale Entwicklungen noch immer national gerastert sind.