Kuba
Urlauber brachten das Corona-Virus im vergangenen März nach Kuba. Wenig später wurden die Flughäfen geschlossen. Erst seit Mitte Oktober sind sie zumindest teilweise wieder geöffnet. Die Zahl der Touristen reduzierte sich auf etwa ein Viertel des Vorjahresniveaus. Damit brach der Karibikinsel eine der wichtigsten Einnahmequellen weg.
Der Gesundheitssektor in Kuba ist trotz tiefer Wirtschaftskrise weit besser auf die Behandlung und Eindämmung von Seuchen vorbereitet als in anderen Ländern der Region. Ansteckungen und Todesfälle sind deutlich niedriger als beispielsweise in der Dominikanischen Republik, die ebenfalls stark vom Tourismus abhängt. Während in der Dominikanischen Republik offiziell die Ansteckungen auf eine Viertelmillion zusteuern und etwas mehr als 3 000 Menschen gestorben sind, liegen die Infektionen in Kuba bei 42 000 und die Todesopfer bei 282. Mitte des letzten Jahres gelang es dem Land, den Ausbruch durch Abschottung, eine umfassende Informationskampagne sowie eine konsequente Nachverfolgung und Isolierung unter Kontrolle zu bringen.
Jüngst sorgte Kuba international für Aufsehen durch die Ankündigung, die dritte und letzte Testphase eines eigenen Impfstoffes gegen Covid-19 ab März einzuleiten. Das mag überraschen angesichts des Mangels an fast allen Gütern des täglichen Bedarfs. Aber Kuba hat 30 Jahre Erfahrung in diesem Bereich. Bereits ein Dutzend lokal entwickelter Impfstoffe werden im Land eingesetzt und in mehr als 30 Länder exportiert. In Zusammenarbeit mit einem US-amerikanischen Forschungszentrum ist beispielsweise eine Impfung gegen Lungenkrebstumore in Entwicklung. Drei weitere Impfstoffe befinden sich derzeit in der Entwicklungsphase. Der Impfstoff gegen die Corona-Infektion wurde Souverän 2 (Soberana 2) getauft – der Name spielt an auf die Fähigkeit, trotz der seit Jahrzehnten andauernden US-amerikanischen Sanktions- und Blockadepolitik Spitzenleistungen in der Biotechnologie zu erbringen.
Soberana 2 wäre die erste Impfung gegen Corona, die in Lateinamerika entwickelt wurde. Die Impfung soll nicht nur für die eigene Bevölkerung eingesetzt, sondern auch Touristen und armen Ländern angeboten werden.
Soberana 2 wäre die erste Impfung gegen Corona, die in Lateinamerika entwickelt wurde. Laut Ankündigungen soll die Impfung nicht nur für die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, sondern auch Touristen und armen Ländern zur Verfügung gestellt sowie exportiert werden. In der dritten Phase sollen 150 000 Menschen in Kuba und im Iran geimpft werden. Die mexikanische Regierung verhandelt zurzeit mit der kubanischen darüber, in diese dritte Phase aufgenommen zu werden.
Der Impfstoff Soberana 2 kann bei Temperaturen zwischen zwei und acht Grad gelagert werden. Es wird mit dem Impfstoffkandidaten des US-amerikanischen Herstellers Novax verglichen, ein proteinbasierter Totimpfstoff, der ein gentechnisch hergestelltes Virusantigen enthält, das laut Studien eine Wirksamkeit von fast 90 Prozent erreicht haben soll und auch gegen Mutationen wirkt. Soberana 2 soll in drei Impfungen mit zwei Wochen Abstand verabreicht werden. Daten zu seiner Effektivität sollen erst nach der dritten Phase veröffentlicht werden. Nach Angaben der Regierung sollen in diesem Jahr 100 Millionen Impfungen produziert werden. Ob dies möglich sein wird, hängt aber davon ab, ob die Sanktionen der USA durch die Biden-Regierung aufgehoben werden. Bislang verbieten, verteuern oder verzögern diese den Import von Ausrüstung und Vorprodukten. Auch internationale Kooperationen wären nötig.
Havanna entsendet zudem weiterhin Gesundheitskräfte in zahlreiche Länder, um den Kampf gegen die Pandemie zu unterstützen. Laut dem kubanischen Außenminister Bruno Rodriguez standen auf der Liste der Kooperationspartner im Jahr 2020 40 Länder, darunter Andorra, Italien und die Türkei. Der Export von medizinischen Dienstleistungen, Medikamenten und Impfstoffen stellte über Jahre hinweg neben dem Tourismus und den Devisenüberweisungen von Familienangehörigen vor allem in den USA die größte Deviseneinnahmequelle dar. Durch die venezolanische Krise und den Abbruch von Programmen in Brasilien, Ecuador und Bolivien waren diese Einnahmen eingebrochen.
Yesko Quiroga, FES Karibik
Türkei
Der türkische Staatspräsident ist selten um große Worte verlegen. So nannte Recep Tayyip Erdoğan das türkische Impfprogramm gegen Corona das erfolgreichste der Welt. Die Leistungen in Israel zum Beispiel, wo schon die Mehrheit der Bevölkerung geimpft ist, scheinen für ihn keine Gültigkeit zu haben. Aber so ganz unrecht hat er nicht: Tatsächlich verläuft das Impfprogramm bislang sehr zügig und effizient. Die ersten Impfungen wurden ab dem 14. Januar sehr konsequent an alle im Gesundheitssektor tätigen Beschäftigten sowie an die Gruppe der über 85-Jährigen verabreicht. Letztere wurden weitgehend zu Hause von kleinen Impfteams besucht und direkt vor Ort geimpft. Ab Mitte Februar kamen dann diejenigen dran, die über 65 Jahre alt sind. In den ersten sechs Wochen wurden bereits über 7,5 Millionen Dosen verabreicht. Viele der älteren Menschen und fast alle Beschäftigten im Gesundheitssektor haben auch schon ihre zweite Impfung erhalten.
Die hohe Geschwindigkeit der Impfungen liegt vor allem am effizienten Gesundheitswesen der Türkei. Es wurden keine gesonderten Impfzentren aufgebaut, sondern die vorhandene Infrastruktur genutzt: staatliche wie private Krankenhäuser, Arztpraxen sowie Gesundheitszentren. Personell ist der Gesundheitssektor vergleichsweise gut ausgestattet, daher gibt es keine personellen Engpässe bei den Impfungen. Einfacher ist es für die Türkei auch deshalb, weil bislang ausschließlich der chinesische Impfstoff Sinovac verimpft wird. Dieser ist einer der bewährten Impftypen; er ist relativ robust und besteht aus inaktivierten Erregern. Er kann bei zwei bis vier Grad gelagert werden.
Die Bevölkerung ist durchgängig über die staatliche Gesundheitsversicherung erfasst und die Daten jedes Einzelnen werden ohne Datenschutzbedenken für die Umsetzung des Impfprogramms verwendet.
Die Bevölkerung ist durchgängig über die staatliche Gesundheitsversicherung erfasst und die Daten jeder und jedes Einzelnen werden für die Umsetzung des Impfprogramms ohne Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes verwendet. Auch die Gesundheitsapp hat so gut wie jeder auf sein Handy geladen, denn ohne diese kann keine Reise, kein Flug, keine Schiff-, Bus- oder Bahnfahrt gebucht, in keinem Hotel übernachtet und keine Shoppingmall besucht werden. Der „HES Code“ auf der App ist zum neuen Personalausweis im Land geworden. Auch die Impfungen gegen Corona werden über diese App registriert.
Neben Sinovac hat die Türkei auch größere Mengen des Biontech-Pfizer-Impfstoffs bestellt, allerdings ist dieser noch nicht im Lande angekommen. Die Tatsache, dass die beiden Gründer von Biontech, Özlem Türeci und Uğur Şahin, türkischstämmig sind, hat viele Türken in ihrem Nationalstolz gestärkt und die beiden werden hier wie Popstars gefeiert. Nicht zuletzt dieser Stolz hat zu der relativ hohen Akzeptanz des Impfprogramms beigetragen. Verschwörungsideologen, die es andernorts gibt, fallen in der Türkei so gut wie nicht ins Gewicht. Die Dynamik des Impfprogramms kann vor allem dann gebremst werden, wenn der Nachschub an Impfdosen ausbleiben sollte.
Felix Schmidt, FES Istanbul
Kenia
Noch Ende 2020 waren sich alle einig: Die Corona-Impfstoffe müssen als globale öffentliche Güter behandelt und damit weltweit für jede und jeden verfügbar sein. Lang ist’s her. Der globale Anspruch steht mittlerweile klar hinter dem überbordenden Impfnationalismus des globalen Nordens zurück. Fast zwei Drittel der Impfstoffdosen sind bereits für das wohlhabendste Siebtel der Menschheit reserviert. Derweil stellen sich in den Ländern des globalen Südens neben Fragen der Verteilung des raren Guts insbesondere Fragen der konkreten Umsetzung der Impfungen. Das ist in Kenia nicht anders. Wie so oft zeigt sich, dass ein „öffentliches Gut“ dort eher ein theoretisches Konstrukt als eine gelebte Erfahrung für die Mehrheit der Menschen ist.
Kenia konzentriert sich aktuell vor allem auf den Astra-Zeneca-Wirkstoff. Auch wenn die Nachrichten aus Südafrika zur eingeschränkten Wirksamkeit des Wirkstoffes gegen die dort grassierende Mutation auch in Kenia angekommen sind, hält man an Astra Zeneca fest – in erster Linie wohl aus Mangel an Alternativen. Die Regierung will in drei Phasen circa 16 von 55 Millionen Kenianerinnen und Kenianern impfen. Beginnen will man – von Februar bis Juni 2021 – mit sogenannten Frontline-Mitarbeitern in Krankenhäusern, Schulen, bei der Polizei und in anderen Behörden. Anschließend sind Menschen über 50 oder mit bestimmten Vorerkrankungen zwischen Juli 2021 bis Juni 2022 an der Reihe. In einer dritten Phase folgen Beschäftigte in wichtigen Sektoren der Wirtschaft und Menschen in dicht besiedelten Gebieten. Natürlich ist das nur möglich, wenn genug Impfstoff vorhanden ist – aktuell wäre lediglich die erste Phase abgedeckt. Generell scheint es allenfalls wahrscheinlich, in den kommenden zwei Jahren bis zu zehn Prozent der Bevölkerung zu impfen.
Solange die Impfungen nicht kostenlos sind – wovon angesichts der katastrophalen Haushaltslage nicht auszugehen ist –, dürfte der Großteil der Bevölkerung nicht bereit oder in der Lage sein, sich impfen zu lassen.
Wirklich genau kann aber aktuell niemand sagen, ob und wann das entsprechende Programm beginnt – die Informationspolitik der Regierung lässt zu wünschen übrig. Auch mangelt es an einer transparenten Diskussion über die Impf- und Priorisierungskriterien und einer klaren Aufklärung zu Chancen und Risiken der Impfung.
Allerdings scheint das Virus bei der Mehrheit der Bevölkerung bei Weitem nicht das drängendste Problem zu sein. Der Regierung ist es bis heute nicht gelungen, ein Bewusstsein für den Ernst der Lage zu schaffen. Zudem sind für viele Kenianerinnen und Kenianer die nächste Mahlzeit oder die Mietzahlung wesentlich existenziellere Fragen als die Verfügbarkeit von Impfstoffen. Solange die Impfungen nicht kostenlos sind – wovon angesichts der katastrophalen Haushaltslage nicht auszugehen ist –, dürfte der Großteil der Bevölkerung nicht bereit oder in der Lage sein, sich impfen zu lassen.
Aus einem ganz anderen Grund könnte sich die Impfdiskussion aber von Vorteil erweisen, zumindest für Kenya Airways. Wie fast alle afrikanischen Fluglinien liegt sie derzeit wirtschaftlich am Boden. Mit einer Beteiligung am UNICEF-Programm zur Verteilung der Impfdosen könnte das Unternehmen notwendige Einnahmen generieren. Bis dato hat es neben Ethiopian Airlines nur die in Nairobi stationierte Cargo-Airline Astral auf die Liste geschafft. Da Astral am größten Flughafen des Landes über die notwendigen Kühlräume verfügt, rechnet sich auch Kenia Airways Chancen aus. Somit könnten die Impfstoffe, wenn schon nicht in Kenia, dann wenigstens über Kenia verteilt werden. Das hilft zwar der großen Mehrheit der Bevölkerung nicht, erzeugt aber trotzdem ein paar gute Nachrichten, wenn auch – wie so oft in Kenia – eher nur für einige wenige Menschen.
Bastian Schulz, FES Nairobi