Was Fotomotive angeht, war das vom BRICS-Gipfel in Kasan (Russland) nicht besonders inspirierend: fünf Autokraten und drei demokratisch gewählte Staatsoberhäupter, die einen Diktator unterstützen, der sein Land aufgrund eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs wegen Kriegsverbrechen nicht verlassen darf.

Als die BRICS-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien und China; Südafrika kam 2010 hinzu) 2006 ins Leben gerufen wurde, vertrat sie den berechtigten Anspruch, die aufstrebenden Wirtschaftsmächte der Welt zu vertreten. Letztes Jahr hätte die Gruppe ihren Status durch Einladung großer (wenn auch unvollkommen) demokratischer Schwellenländer wie Mexiko, Nigeria und Indonesien festigen können. Stattdessen wurden vier Autokratien (Ägypten, Äthiopien, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate) aufgenommen, von denen drei nicht in der ersten Liga der Weltwirtschaft spielen.

Der Hauptzweck der BRICS-Gruppe besteht heute darin, Russland und China als Führer des sogenannten (und unzutreffend benannten) Globalen Südens darzustellen. Passend zu diesem Ziel hatte das Treffen in Kasan einen entsprechend G7-feindlichen Schwerpunkt: den mächtigen US-Dollar vom Thron zu stoßen und (im Welthandel und -finanzwesen) durch eine von den BRICS-Staaten ausgegebene Währung zu ersetzen. Hauptbefürworter der Initiative ist der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der aus gesundheitlichen Gründen (er ist 79 Jahre alt und kürzlich zu Hause gestürzt) nicht persönlich an dem Gipfel teilnehmen konnte.

Im Januar 2023 kündigte Lula an, dass sein Land und Argentinien eine gemeinsame Währung einführen würden, die langfristig auch Paraguay und Uruguay umfassen und zur Währung des Handelsblocks Mercosur werden würde. Dazu kam es nicht, und eine Entthronung des Dollars durch eine BRICS-Währung wird es auch nicht geben – zumindest nicht so, wie Lula sich das vorstellt.

In jedem einführenden Lehrbuch der Wirtschaftswissenschaften steht, dass eine Währung drei Funktionen erfüllen muss. Erstens muss sie als Rechnungseinheit dienen: Der Preis für einen Laib Brot wird in US-Dollar, kolumbianischen Pesos oder kenianischen Schillingen angegeben. Auf früheren BRICS-Gipfeln haben die Mitglieder daher die Schaffung einer gemeinsamen Rechnungseinheit erörtert, die vorläufig als R5 bezeichnet wird (da die Währungen aller fünf ursprünglichen BRICS-Mitglieder mit „R“ beginnen). Die Durchführbarkeit dieses Vorschlags würde davon abhängen, als wie stabil sich der R5 erweisen würde. Der Löwenanteil des Welthandels wird in US-Dollar abgewickelt, und zwar nicht aufgrund einer von den USA ausgehenden Verschwörung, sondern einfach deshalb, weil die niedrige Inflation in den USA den Dollarpreis der meisten Waren einigermaßen vorhersehbar macht.

Der Löwenanteil des Welthandels wird in US-Dollar abgewickelt, und zwar nicht aufgrund einer von den USA ausgehenden Verschwörung.

Eine Währung muss zudem als Tauschmittel dienen. Ein Mechaniker, der einen Hamburger essen möchte, lässt sich zunächst in der Landeswährung bezahlen und kauft dann mit dem Geld eine Mahlzeit in einem örtlichen Restaurant. Das globale Äquivalent dazu ist, dass ein Einwohner Delhis, der Kaffee aus Brasilien kaufen möchte, zunächst indische Rupien verwendet, um US-Dollar zu kaufen, mit denen er den brasilianischen Exporteur bezahlt, der dann die Dollar in brasilianische Real umtauscht, mit denen er seine Arbeiter entlohnt.

„Jede Nacht frage ich mich, warum alle Länder ihren Handel auf den Dollar stützen müssen“, sagte Lula in einer Rede vor der Neuen Entwicklungsbank in Shanghai im vergangenen Jahr. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach. Um den Lebensunterhalt ihrer Familien zu bestreiten, brauchen die brasilianischen Zuckerarbeiter Real, die sie leicht und billig mit US-Dollar kaufen können, aber nicht mit indischen Rupien, südafrikanischen Rand oder äthiopischen Birr.

In der Schlusserklärung des Gipfels von Kasan wird dazu aufgerufen, im Handel untereinander vermehrt die Währungen der BRICS-Mitglieder zu nutzen statt des Dollars. Das freilich würde nur funktionieren, wenn der Handel zwischen zwei beliebigen Ländern immer ausgeglichen wäre. Würden zum Beispiel die brasilianischen Verbraucher Reis aus Indien im Wert des Kaffees kaufen, den die Inder in Brasilien kaufen, würde jede Handelsperiode damit enden, dass keine Partei mehr die Währung der anderen Partei hält. Wäre der Wert der indischen Ausfuhren nach Brasilien allerdings systematisch geringer als der Wert der brasilianischen Ausfuhren nach Indien, würden brasilianische Unternehmen große Rupien-Guthaben anhäufen – was sich von selbst verbietet.

In den Diskussionen im Gefolge von Kasan wurde hervorgehoben, wie sich die Dinge ändern würden, wenn die BRICS-Länder digitale Währungen ausgeben würden – etwas, womit China in den letzten zehn Jahren begonnen hat. Bei den heutigen Währungen laufen alle internationalen Transaktionen in den und aus dem Dollar über Geschäftsbanken, während bei Transaktionen in digitaler Währung private Zwischenhändler wegfallen und nur die Notenbanken beteiligt sind. Aber das Problem der Handelsungleichgewichte würde nicht verschwinden. Wäre es für die brasilianische Notenbank in Ordnung, hohe Guthaben in digitalen Rupien, digitalen iranischen Rial oder selbst digitalen Renminbi zu halten? Sicherlich nicht.

Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine haben die Notenbanken Chinas, Indiens, des Irans, der Türkei und anderer Länder ihre Reserven diversifiziert.

Das gleiche Problem würde sich stellen, wenn eine BRICS-Währung (egal, ob Papier oder digital) die lokalen Währungen im Handel innerhalb der BRICS-Gruppe ersetzen würde. Das Problem rührt aus der dritten lehrbuchmäßigen Verwendung einer Währung her: der als Wertaufbewahrungsmittel. Wenn es um Ersparnisse geht, verwenden wir nur Währungen, bei denen wir darauf vertrauen, dass sie nicht eingefroren, beschlagnahmt oder durch Inflation in ihrem Wert gemindert werden. Um dieses Prinzip in der Praxis zu betrachten, genügt ein Blick auf die Devisenreserven der Notenbanken. Etwa 60 Prozent der weltweiten Devisenreserven werden in Dollar gehalten; im Jahr 2000 waren es noch 72 Prozent. Im gleichen Zeitraum erhöhte sich der Anteil des Renminbi von null auf lediglich 2,6 Prozent.

Dass der Renminbi in einem derartigen Schneckentempo angenommen wird, ist zum Teil auf die zahlreichen Kapitalverkehrskontrollen zurückzuführen, die China aufrechterhält. Aber vor allem liegt es daran, dass der Wert des Dollars durch die staatlichen Institutionen der USA – einschließlich des Rechtssystems – gestützt wird, die nach wie vor weitaus glaubwürdiger sind als die chinesischen.

All dies bedeutet nicht, dass die Rolle des Dollars als globale Reservewährung für alle Zeit garantiert ist. Wie Großbritannien vor einem Jahrhundert feststellen musste, können sich die Dinge ändern, wenn der Anteil eines Landes an der Weltwirtschaft zu stark schrumpft. Und da die Währung eines Landes nur so gut ist wie seine Institutionen, sind die Trump’schen Eskapaden und die Dysfunktionalität in Washington nicht gerade hilfreich. Dasselbe gilt für das Einfrieren russischer Auslandsguthaben und den Ausschluss russischer Banken von westlichen Zahlungssystemen – so gerechtfertigt diese Sanktionen aus politischer und ethischer Sicht auch gewesen sein mögen.

Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine haben die Notenbanken Chinas, Indiens, des Irans, der Türkei und anderer Länder ihre Reserven diversifiziert, um zumindest einen Teil ihrer Bestände dem Zugriff der USA zu entziehen. Haben sie sich dazu entschlossen, mehr von den Währungen der jeweils anderen zu kaufen, so wie es die Rhetorik des BRICS-Gipfels nahelegt? Weit gefehlt. Stattdessen kauften sie Gold und trieben dessen Preis in Rekordhöhen. Diese harte Realität könnte Lula zu noch mehr schlaflosen Nächten verdammen.

© Project Syndicate

Aus dem Englischen von Jan Doolan