„Wir haben mehr als 1 100 Angriffe gegen die Huthis durchgeführt. Sie sind zäh, sie sind Kämpfer, aber sie haben zugestimmt, keine US-Schiffe mehr anzugreifen.“ Mit einem Teil seiner Aussage hat der US-Präsident Trump unbestreitbar recht: Wer fast neun Jahre andauernde Luftangriffe seitens der saudisch-geführten Militärkoalition nicht nur überlebt hat, sondern unterdessen seine militärischen Fähigkeiten stetig ausbauen konnte und von einer lokalen Rebellengruppe zu einer der Hauptbestandteile der iranischen Achse des Widerstands geworden ist, kann ohne Zweifel als ausdauernd bezeichnet werden. Ob die Huthis ihre Angriffe auf US-Schiffe im Roten Meer tatsächlich dauerhaft einstellen, ist allerdings fraglich. Seit Mitte März fliegen die USA im Rahmen der Operation Rough Rider gezielte Luftschläge gegen Huthi-Stellungen. Ziel ist es, die militärische Infrastruktur der Gruppe zu schwächen und die Sicherheit der internationalen Schifffahrtsrouten durch das Rote Meer wiederherzustellen. Doch die Wirkung dieser Offensive ist zweifelhaft. Noch während Trumps Besuch in Saudi-Arabien feuerten die Huthis eine Langstreckenrakete nach Israel – im wahrsten Sinne des Wortes über Trumps Kopf hinweg. Die USA werteten den durch Oman vermittelten Waffenstillstand als Kapitulation der Huthis. Diese wiederum interpretierten das Aussetzen der US-Luftschläge als Sieg und kündigten gleichzeitig die Ausweitung ihrer Militäraktionen zur Unterstützung der Palästinenser im Gazastreifen an. Am Jahrestag der Nakba reagierte Sana’a mit einem Marsch der Millionen und die Huthis bestätigten, dass der „Sieg naht“. Allein in der vergangenen Woche kam es zu kontinuierlichen Raketenangriffen seitens der Huthis auf Israel. Kapitulation sieht anders aus.

Tatsächlich profitieren die Huthis mehr von der jüngsten US-Luftschlagserie, als dass diese ihnen eine signifikante Schwächung zugefügt hätte. Der anhaltende Kriegszustand, sei es in Bezug auf die Verteidigung der Palästinenser in Gaza oder die Konfrontation mit den USA im Rahmen von Raketenbeschuss und gezielten Luftschlägen, spielt den Huthis in die Karten: Indem sie die Rolle der Verteidiger der palästinensischen Sache und als Helden des Widerstands gegen Israel und die westliche Positionierung im Gazakonflikt einnehmen, können sie ihre ideologische Legitimität im Inneren konsolidieren und von der dramatischen wirtschaftlichen und humanitären Lage in den von den Huthis kontrollierten Gebieten ablenken. Millionen Menschen im Jemen haben keinen Zugang zu Grundnahrungsmitteln und Wasser, das Gesundheitssystem ist kaum funktionsfähig und seit Jahren werden keine regulären Gehälter im öffentlichen Dienst gezahlt. Stattdessen leidet die Bevölkerung unter hohen Steuerabgaben und ist massiven Repressionen seitens der Huthis ausgesetzt. Politische Gegner werden enteignet, verhaftet, umgebracht. In dieser Gemengelage wuchs der Widerstand innerhalb der Bevölkerung, und besonders in den Wochen vor dem 7. Oktober 2023 kam es zu öffentlichen Protesten gegen die Huthi-Herrschaft.

Vor diesem Hintergrund kam der Gazakrieg für die Huthis strategisch durchaus gelegen.

Vor diesem Hintergrund kam der Gazakrieg für die Huthis strategisch durchaus gelegen. Denn seitdem können sie die Tatsache ausnutzen, dass die jemenitische Bevölkerung traditionell sehr solidarisch zu Palästina eingestellt ist. Angesichts der Tatsache, dass der Iran mit der geschwächten libanesischen Hisbollah sowie dem gestürzten Assad-Regime in Syrien zwei wesentliche Komponenten der Achse des Widerstands vorerst verloren hat, können die Huthis nun fast konkurrenzlos für sich den Status als Helden des Widerstands beanspruchen. Dies hat ihnen einen enormen Popularitätsgewinn in der arabischen Welt verschafft. Hinzu kommt ein nicht zu unterschätzender symbolischer Effekt: Es gab Berichte darüber, dass den USA vor allem aufgrund der hohen Kosten und des Beinahe-Abschusses ihrer Kampfjets durch das Luftabwehrsystem der Huthis an einem Ende der Operation Rough Rider gelegen war. Dass es die Huthis mit scheinbar übermächtigen Gegnern aufnehmen konnten, stärkte sie auch gegenüber den Kritikern aus den eigenen Reihen.

Damit einher geht ein gesteigertes Mobilisierungspotenzial: Nach zehn Jahren De-facto-Herrschaft über den nordwestlichen Teil des Jemen durchdringt die Huthi-Ideologie, die den Tod Amerikas und Israels beschwört, die wesentlichen Teile des gesellschaftlichen Lebens. Besonders deutlich wird diese ideologische Durchdringung im Bildungswesen: Durch die Politisierung und Konfessionalisierung von Lehrplänen wurden Schulen zu Zentren systematischer Indoktrinierung von Kindern mit politischer und religiöser Propaganda umfunktioniert. Mittels Indoktrinierung einerseits sowie zusätzlich angetrieben durch die massive Verarmung der Bevölkerung andererseits konnten die Huthis so seit Beginn der Kämpfe in Gaza mehr als 70 000 neue Kämpfer rekrutieren, darunter unzählige Kindersoldaten. Wohl gemerkt für ihren Kampf im Jemen, wie z.B. an der Front in Marib oder der belagerten Stadt Ta’iz. Der anhaltende Krieg in Gaza verlängert damit auch den Krieg im Jemen.

Die Geschichte des Jemen ist reich an Beispielen ausländischer Interventionen. Gleichzeitig prägt aber auch der Widerstand gegen diesen Einfluss von außen die jemenitische Geschichte. Ein eindrückliches Beispiel für das jemenitische Widerstandsethos ist der Widerstand gegen die Intervention Ägyptens während des Bürgerkriegs in den 1960er Jahren: Unter Gamal Abd Al-Nasser intervenierte Ägypten auf Seiten der Arabischen Republik Jemen. Im Kampf gegen nordjemenitische Stämme fielen fast 10 000 ägyptische Soldaten, der Krieg im Jemen wurde zu „Ägyptens Vietnam“. Dieser Widerstand setzt sich bis heute fort: Militärschläge, die oftmals hohe Verluste für die Zivilbevölkerung sowie Schäden an der Infrastruktur bedeuten, führen zu einer unbeabsichtigten Verstärkung der Unterstützung für die Huthis vor Ort, anstatt diese wesentlich zu schwächen.

Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate müssen zur Zusammenarbeit gedrängt werden, um die weitere Zersplitterung und die internen Machtkämpfe innerhalb der Regierung zu beenden.

Auch nach der US-Operation Rough Rider bleiben die Huthis die dominierende Kraft im Jemen. Möchte man daran etwas ändern, muss der Fokus geweitet und der Jemen-Konflikt in seiner Gänze betrachtet werden. Vor allem die international anerkannte Regierung muss in die Lage versetzt werden, ihre Position gegenüber den Huthis zu verbessern. Hier müssen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zur Zusammenarbeit und zur Vereinheitlichung ihrer Jemen-Politik gedrängt werden, um die weitere Zersplitterung und die internen Machtkämpfe innerhalb der Regierung zu beenden. Vor allem die saudische Politik zielt offenbar darauf ab, die international anerkannte Regierung absichtlich schwach zu halten, damit es keinen Widerstand gegen eine endgültige Normalisierung zwischen Saudi-Arabien und den Huthis gibt. Diese Taktik birgt erhebliche Risiken: Sie zementiert nicht nur die De-facto-Herrschaft der Huthis, sondern vertieft auch die politische Spaltung des Landes. Die Huthis werden sich nicht auf ernsthafte Friedensgespräche einlassen, solange ihnen keine Verluste drohen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Kontrolle der jemenitischen Westküste und den Zugang zu Häfen wie Hodeida oder Ras Issa. Für die Durchsetzung solcher Einbußen ist eine massive diplomatische Initiative seitens der internationalen Gemeinschaft in Verbindung mit einer robusten sicherheitspolitischen Strategie notwendig.

Da eine solche nicht absehbar ist, reiht sich die Operation Rough Rider in eine lange Reihe von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung im Jemen ein, die kurzfristigen Sicherheitsinteressen den Vorzug vor langfristiger Stabilität und nachhaltigen Lösungen geben. Wie so oft leistet man damit weiterer Eskalation Vorschub. Statt durch Luftschläge gegen die Huthis deren Position zu stärken, sollten die USA und ihre Partner Israel zu einem sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand sowie zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts im Gazastreifen drängen. Es gilt, weitere Popularitätszuwächse für die Huthis zu vermeiden sowie vor allem das unermessliche Leid der Zivilbevölkerung in Gaza zu lindern. Militäraktionen, egal ob im Jemen oder in Gaza, führen in der Regel zu einer Verschärfung der Lage und selten zu Frieden.