Kurz nach der US-Wahl 2016 begann ich, Trump-Wähler zu mir nach Hause zum Essen einzuladen. Ich wollte verstehen, warum fast 63 Millionen Menschen für einen Mann gestimmt hatten, den ich verabscheute und den ich für absolut ungeeignet für ein öffentliches Amt hielt. Ich wollte direkte Gespräche von Angesicht zu Angesicht führen. Gespräche, die nicht durch Bilder aus den Medien getrübt oder beeinflusst werden. Die wachsende Polarisierung bedrohte die Demokratie in meinem Land. Ich war überzeugt, dass wir unsere Demokratie retten und stärken könnten, wenn wir die bestehenden Gräben überwänden.

In den vergangenen fünf Jahren habe ich seither Hunderte Menschen mit den unterschiedlichsten politischen Meinungen zum Austausch zusammengebracht. Aber ich komme nicht umhin, festzuhalten, dass die Polarisierung heute ausgeprägter ist als je zuvor – in den USA ebenso wie im Rest der Welt. Angriffe auf die Demokratie und die Freiheit haben zugenommen. Nun hat Wladimir Putin grundlos und unprovoziert einen brutalen Krieg gegen ein Volk mit einer demokratisch gewählten, souveränen Regierung begonnen. Und ich frage mich, ob sich meine Versuche, unsere Gräben zu überwinden, eigentlich gelohnt haben.

Aus den ersten Abendessen an meinem kleinen Esstisch zu Hause wurde letztlich eine soziale Plastik im Geiste von Joseph Beuys mit dem Namen Looking For America. Ich reiste durch das ganze Land und brachte Fremde zusammen, um gemeinsam zu essen und Geschichten darüber zu erzählen, was es bedeutet, Amerikaner zu sein. Wenn wir die Beweggründe und Zusammenhänge verstehen, die unsere Überzeugungen prägen, können wir besser Lösungen für unsere gemeinsamen Herausforderungen finden. Ich wünschte mir auch, dass die Menschen durch einen respektvollen und verständnisvollen Dialog auf der Suche nach einer geteilten amerikanischen Identität gemeinsame Grundlagen finden würden. So könnte Empathie die Gräben überwinden.

Wenn mehr als die Hälfte der Republikaner die Ereignisse vom 6. Januar als patriotischen Kampf für die Freiheit ansieht und die Republikanische Partei die Ausschreitungen offiziell als „legitimen politischen Diskurs“ bezeichnet, dann wird klar, dass es in diesem Kampf um mehr geht als lediglich um politische Differenzen.

Ich hatte nie Schwierigkeiten, liberale Menschen zu finden, die meine Einladungen zum Essen annahmen. Bei Konservativen stießen sie jedoch meist auf Ablehnung und Skepsis. Viele fürchteten, von selbstgerechten Linken „überfallen“ und als dumm und bösartig dargestellt zu werden. Ich konnte es diesen Menschen nicht verdenken. Ich versicherte ihnen, dass es bei unseren Abendessen darum ginge, sich gegenseitig zu verstehen und nicht zu bekehren, und dass es keinerlei Beleidigungen oder Beschimpfungen geben werde.

In dieser Zeit lernte ich hunderte Gruppen und Einzelpersonen kennen, die Brücken bauen und die Polarisierung überwinden wollten. Ich bemerkte einen Trend: Die überwiegende Mehrheit dieser Brückenbauer war eher linksorientiert. Einige wenige Organisationen wie Braver Angels wurden von einer Mischung aus rechts- und linksgerichteten Leuten geleitet. Aber selbst deren Veranstaltungen schienen stark nach links zu tendieren. Ich fragte mich, warum Menschen aus dem konservativen Spektrum offenbar weniger gewillt sind, die Hand über die Trennlinien hinweg auszustrecken. Rechtsgerichtete Leute schienen sich weniger von den tiefgehenden persönlichen Narrativen angezogen zu fühlen, die den typisch linken Bemühungen um Depolarisierung zugrunde liegen. Vielmehr schienen sie Debatten und Konflikt vorzuziehen. Die mangelnde Begeisterungsfähigkeit seitens konservativer oder rechtsgerichteter Kreise hat mich jedoch nicht abgeschreckt.

Ein Stammesdenken in Gruppen und Feindbildern schien sich gegen unsere Gemeinsamkeiten und unsere gemeinsame Menschlichkeit durchgesetzt zu haben.

Zeitgleich kritisierten viele Progressive meine Arbeit aus ähnlichen Gründen und nannten es ein gefühlsduseliges Kumbaya-Händchenhalten. Nach dem Angriff auf das Kapitol am 6. Januar, als ein gewalttätiger Mob versuchte, den Ablauf einer freien und fairen Wahl zu stoppen – und eine Mehrheit der Republikaner dieses Vorgehen unterstützte – begann ich mich zu fragen, ob diese Kritiker vielleicht recht hatten. Was mich am meisten beunruhigte war, dass viele der Randalierer keine radikalen Rechtsextremisten waren. Sie waren „normale“ Trump-Wähler: Ärzte, Anwälte, Geschäftsinhaber, Immobilienmakler. Es waren einige derjenigen Leute, die ich zu meinen Abendessen eingeladen hatte. Vielleicht war mein Versuch, die Gräben zu überwinden, sinnlos. Vielleicht hätte ich mich mit meinem Engagement eher für politische Themen einsetzen sollen, die mir am Herzen liegen, wie das Wahlrecht oder die Bekämpfung der dramatischen wirtschaftlichen Ungleichheit, die unsere Demokratie bedroht.

Ich hatte meinen Kritikern gesagt, dass die Leute, die zu mir nach Hause zum Essen kamen, nicht unbedingt radikale Ansichten vertreten. Die extreme Rechte macht einen kleinen Anteil an den Menschen aus, die keinerlei Interesse an einem zivilisierten Diskurs zu haben scheinen. Das große Medienecho, das sie erfahren, lässt sie jedoch als viel größere Gruppe erscheinen. Die stillere große Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner findet in den Medien kaum Beachtung. Über das gesamte politische Spektrum hinweg streben sie die grundsätzlich die gleichen Dinge an: sichere Arbeitsplätze, lebenswerte Wohngegenden und eine Zukunft für ihre Kinder. Die meisten Menschen in Amerika sind erschöpft von der hasserfüllten Polarisierung. Wir sind uns lediglich uneinig über die politischen Maßnahmen, mit denen wir unsere gemeinsamen Ziele erreichen könnten.

Andererseits: Wenn mehr als die Hälfte der Republikaner die Ereignisse vom 6. Januar als patriotischen Kampf für die Freiheit ansieht und die Republikanische Partei die Ausschreitungen offiziell als „legitimen politischen Diskurs“ bezeichnet, dann wird klar, dass es in diesem Kampf um mehr geht als lediglich um politische Differenzen. Ich begann mich zu fragen, ob es überhaupt möglich sei, die Gräben zu überbrücken. Ein Stammesdenken in Gruppen und Feindbildern schien sich gegen unsere Gemeinsamkeiten und unsere gemeinsame Menschlichkeit durchgesetzt zu haben.

Hassen die Republikaner die Demokraten tatsächlich so sehr, dass sie nicht bereit sind, sich mit uns gegen einen hinterhältigen Oligarchen zu verbünden, der die Demokratie bedroht?

Ich erinnere mich an ein Bild von zwei älteren weißen Männern bei einer Trump-Rally 2018, bei der sie T-Shirts mit dem Aufdruck I’d rather be Russian than a Democrat trugen. Ich bin in den 1980er Jahren in den letzten Zügen des Kalten Krieges aufgewachsen. Mir wurde damals beigebracht, den sowjetischen und später den russischen Totalitarismus zu hassen. Als die UdSSR zusammenbrach, war dies für mich ein Grund zur Freude. Und nun hatte der Hass auf Mitglieder einer anderen politischen Partei offenbar die gemeinsame Abneigung gegen eine antidemokratische Oligarchie überholt.

Heute, da Putin unerbittlich die Ukraine angreift, muss ich oft an diese T-Shirts denken. Hassen die Republikaner die Demokraten tatsächlich so sehr, dass sie nicht bereit sind, sich mit uns gegen einen hinterhältigen Oligarchen zu verbünden, der die Demokratie bedroht? Ich hatte zuvor geglaubt, die gemeinsame Reaktion auf eine weltweite Pandemie könnte uns wieder einen. Ich hatte auch geglaubt, dass uns das Verurteilen des Sturms auf das Kapitol vom 6. Januar wieder zusammenschweißen würde. Diese Augenblicke der Einigkeit waren schnell wieder verflogen. Wird der aktuelle Moment in ähnlicher Weise vorübergehen?

Ich bin vorsichtig optimistisch, wenn ich höre, dass Konservative den Krieg verurteilen. Viele republikanische Abgeordnete applaudierten Präsident Joe Bidens Aufruf zur Einigkeit während seiner Rede zur Lage der Nation. Der frühere Vizepräsident Mike Pence betonte, in der Republikanischen Partei gebe es keinen Platz für Putin-Versteher. Manche glauben, dass Trumps Macht und Bedeutung nun endlich schwinden könnten. Mein Optimismus hält sich allerdings in Grenzen. Die Republikanische Partei ist klar zur Partei von Trump geworden. Trump weigert sich, Putin zu kritisieren. Werden die aktuellen Entwicklungen erneut verzerrt und politisiert wie beispielsweise das Thema Maskentragen? Oder können wir uns endlich von unserem blinden Hass aufeinander befreien und gemeinsam die Demokratie retten?

Der frühere Vizepräsident Mike Pence betonte, in der Republikanischen Partei gebe es keinen Platz für Putin-Versteher.

Trotz allem werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, Gräben zu überbrücken. Aus meiner Sicht gibt es keinen anderen Weg nach vorn. Die Polarisierungsindustrie hat uns seit Jahrzehnten langsam und stetig auseinandergetrieben, um Macht und Profit zu erzielen. Es wird Jahrzehnte dauern, die immensen sozialen Brüche zu kitten, die dadurch geschaffen wurden. Mein Protest und mein Aktivismus bestehen nicht darin zu hassen, sondern die Hand auszustrecken – auch wenn sie mir nicht zuerst gereicht wird, und auch wenn ich enttäuscht werde. Wir müssen Beziehungen über unsere Differenzen hinweg aufbauen. Denn ohne den jeweils anderen werden wir keine Welt schaffen, in der alle Menschen gut leben können.

Aus dem Englischen von Tim Steins