Fast schon rührend ahnungslos berichtete die New York Times über das Treffen der „Patrioten für Europa“ (PfE) am 8. Februar 2025. Die Veranstaltung wurde von Santiago Abascal, dem Anführer der spanischen Vox-Partei, organisiert.

Erstaunt stellte die Autorin fest, dass Giorgia Meloni in Madrid nicht dabei gewesen sei. Doch das überrascht kaum. Ihre Partei, Fratelli d’Italia, gehört einer konkurrierenden Fraktion im Europäischen Parlament an: den „Europäischen Konservativen und Reformern“ (EKR). In der Tat, eine „rechte Einheitsfront“ existiert weder global noch in Europa. Regierungschefs verfolgen in erster Linie nationale Interessen. Auch die Parteien der radikalen Rechten konzentrieren sich primär auf ihre jeweiligen politischen Bühnen. Wie Marco Bitschnau in seiner Kritik der „nationalistischen Internationalen“ ausführt, zeigt sich das unter anderem daran, dass Meloni die Ukraine unterstützt, während viele bei den PfE eher russlandfreundlich sind.

Sind Veranstaltungen wie die der Patrioten für Europa also nur Gelegenheiten für gemeinsame Fotos? Dienen sie lediglich dazu, sich im Erfolg anderer Wahlsieger zu sonnen, in der Hoffnung, von deren Popularität zu profitieren? Während fundamentale Differenzen notdürftig übertüncht und persönliche Animositäten gepflegt werden? Das greift zu kurz. Es lohnt sich, nicht nur auf die Gästelisten zu achten, sondern auch die Reden genauer zu analysieren.

Das Madrider Treffen stand unter dem Motto „Make Europe Great Again“. Dabei ging es nicht darum, Europa oder die EU auf künftige Herausforderungen mit einer möglichen Trump-Regierung vorzubereiten. Ganz im Gegenteil. Geert Wilders feierte das „Erdbeben“ von Trumps Wahlsieg. Viktor Orbán ging noch weiter und betonte die mögliche Strahlkraft auf die radikale Rechte: „Trump’s tornado has changed the world in just a couple of weeks. (...) Yesterday we were the heretics. (...) Now we are the mainstream.“

Nicht nur der Slogan der Veranstaltung ähnelte Trumps „MAGA“, sondern auch die Themen, Feindbilder und die Rhetorik wiesen deutliche Parallelen auf. Migration wird nun als „Invasion“ bezeichnet. Gegner werden als „liberale Faschisten“ und Vertreter des „Wokeism“ diffamiert. Verschwörungserzählungen wie die des „großen Austauschs“ (der angeblichen Ersetzung der christlich-weißen Bevölkerung durch muslimische Migranten, gesteuert von liberalen Eliten) sind salonfähig geworden. Matteo Salvini, Angehöriger von Melonis Koalitionspartner Lega, attackierte den Internationalen Strafgerichtshof und die Weltgesundheitsorganisation – beides Institutionen, die auch Trump massiv kritisiert. Wie für Trump geht es also bei den Patrioten für Europa gegen die Institutionen des „Globalismus“, der regelbasierten Weltordnung.

Aus der EU aussteigen will kaum jemand mehr, aber sie bleibt für die radikale Rechte der Hauptgegner.

Nur aus der EU aussteigen will kaum jemand mehr, weder bei den PfE noch bei den EKR, nachdem der Brexit sich als wirtschaftliches Desaster für Großbritannien entpuppt hat. Doch die souveränistischen Hoffnungen der radikalen Rechten sind damit keineswegs begraben. Die EU bleibt für die radikale Rechte der Hauptgegner. Statt den EU-Austritt anzustreben, lautet das neue Motto: „Brüssel erobern.“ Das Ziel ist ein Europa souveräner Nationalstaaten, das traditionelle (vorzugsweise christliche) Werte verteidigt.

Überraschenderweise spielt dabei auch die Demokratie eine zentrale Rolle – allerdings nicht im liberalen Sinne. Anstelle von Checks and Balances, unabhängigen Gerichten, starken Minderheitenrechten und freier Presse setzen sie auf eine „illiberale Demokratie“, wie Viktor Orbán sie propagiert. Die Mehrheit soll uneingeschränkt regieren können, internationale Verpflichtungen und Rechtsnormen werden infrage gestellt. Genau deshalb steht die radikale Rechte der regelbasierten internationalen Ordnung so feindlich gegenüber.

Die autokratischen Tendenzen dieser hyper-majoritären Demokratie werden spätestens dann sichtbar, wenn das gesamte Staatswesen schrittweise „auf Linie“ gebracht wird. In diesem Prozess verliert die Opposition nach und nach die Möglichkeit, auf friedlichem, demokratischem Weg die Macht zurückzuerlangen. Dieses Szenario spielte sich bereits in Ungarn ab und breitet sich nun auch in den USA aus. Das Project 2025 der Trump-Regierung orientiert sich konzeptionell an Orbáns Modell. Auch wenn Trump sich im Wahlkampf davon distanzierte, folgt er im Amt doch dessen Prinzipien.

Heute sind insbesondere die Demokratien von einer Welle der Autokratisierung bedroht. Die Attraktivität der „illiberalen Demokratie“ trägt zum Aufstieg der radikalen Rechten bei. Die Repräsentationsdefizite bezüglich der Verwerfungen der ökonomischen Globalisierung und der kulturellen Transformation vermischen sich zunehmend mit einer diffusen Demokratiemüdigkeit. Viele Menschen empfinden die komplexen Entscheidungsprozesse liberaler Demokratien als ineffizient. Sie nehmen nur „faule Kompromisse“ wahr, während ungelöste Probleme bestehen bleiben.

Eine internationale Bewegung der radikalen Rechten ist entstanden, die diese Lage für sich nutzt. Sie ist kein monolithischer Block, sondern zeichnet sich durch ideologische Vernetzung und gemeinsame Feindbilder aus. So sind immer mehr gemeinsame identitätsstiftende „Frames“ entstanden, zur Selbstbeschreibung und zur Beschreibung des politischen Gegners – beziehungsweise des „Feindes“, wie das grenzüberschreitend gängige Framing der radikalen Rechten lautet.

Internationale Treffen wie die „Patrioten für Europa“-Konferenz, die Conservative Political Action Conference und die National Conservatism Conference nehmen stetig zu – sowohl in Frequenz als auch in geografischer Reichweite. Hinzu kommt ein weitgespanntes Netz aus radikal rechten Thinktanks, Stiftungen und Medien, das den wachsenden Ressourcenaufwand der Bewegung verdeutlicht.

Die ideologischen oder politischen Differenzen innerhalb der Rechten verhindern nicht die pragmatische Zusammenarbeit.

Auch wenn die nationale Politik für viele Akteure im Vordergrund steht, verhindern ideologische oder politische Differenzen nicht die pragmatische Zusammenarbeit. Ihr gemeinsames Ziel bleibt die Zerstörung der liberalen Demokratie und der regelbasierten internationalen Ordnung zugunsten eines Modells der uneingeschränkten nationalen Souveränität.

Wir sollten nicht vergessen, dass die Spannungen und Spaltungen innerhalb des progressiven Lagers teilweise sehr groß sind. Auch die Verteidiger der liberalen, pluralistischen Gesellschaft und Demokratie stehen vor Herausforderungen. Innerhalb der EU könnte bald ein weiterer radikal rechter Regierungschef, Herbert Kickl von der Österreichischen FPÖ, die Entscheidungsfindung beeinflussen und blockieren. Auch seine Partei ist übrigens Teil der „Patrioten für Europa“.