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Argentinien
Ein Wettlauf unter den Ländern und Regionen um den Kauf und die Herstellung von Anti-Corona-Impfstoffen hat begonnen. Europa, die Vereinigten Staaten, China und Japan landen dabei auf den ersten Plätzen, sowohl beim Kauf als auch bei der Herstellung. Doch was ist mit Ländern im Globalen Süden? Ohne vorläufige Vereinbarungen geht es nicht. Argentinien hat sich über solche Vereinbarungen eine große Anzahl an Impfstoff-Dosen gesichert, gleichzeitig versucht es sich als sehr kleiner, aber lokal spezialisierter Standort im globalen Corona-Management zu positionieren. Die Regierung hat verkündet, dass sie 20 Millionen Dosen des russischen Impfstoffs Sputnik V einkauft, die ab Ende Dezember zur Verfügung stünden. Außerdem wird Argentinien 22 Millionen Dosen des Impfstoffes von AstraZeneca-Oxford einkaufen, die im ersten Halbjahr 2021 bereitstehen könnten. Ein Abkommen mit Pfizer garantiert weitere 750 000 Impfdosen.
In Argentinien finden auch Testläufe für klinische Studien statt. Für Pfizer wurden 4500 Freiwillige getestet, die belgische Firma Janssen und die chinesischen Firmen Sinopharm und CanSino testen ebenfalls. Für Argentinien allerdings am wichtigsten ist die strategische Kooperation mit Oxford/AstraZeneca. Im August hatten die argentinische und die mexikanische Regierung in einer bilateralen Public-Private-Partnership verkündet, den Impfstoff von AstraZeneca herzustellen. Man teilt sich die Aufgaben: Das argentinische Labor mAbxience stellt den Aktivstoff her. Die anschließende Massenherstellung, Verpackung und der Versand für Lateinamerika wird dann von der Firma Liomont in Mexiko organisiert. Der Impfstoff selbst, so heißt es, kann bei 2 bis 8 Grad verstaut und transportiert werden, eine Tatsache, die den Versand erleichtert und günstiger macht.
Diese Strategie zielt auf den lateinamerikanischen Markt (mit Ausnahme von Brasilien, das eine separate Vereinbarung getroffen hat). Der von AstraZeneca zugesagte Preis liegt bei ca. 4 US-Dollar, „wesentlich weniger als die Impfstoffe anderer Firmen", so der Chef von mAbxience, Hugo Sigman. Für die ärmeren Länder der Region Lateinamerika ist das ein wichtiger Aspekt. Zusätzlich hat sich die Stiftung des mexikanischen Milliardärs Slim bereiterklärt, die ersten 30 Millionen Impfdosen auf eigenes Risiko zu finanzieren. Man rechnet im Frühjahr/Sommer 2021 mit der Zulassung. Insgesamt sollen zwischen 150 und 250 Millionen Dosen bereitgestellt werden. Sollte sich die Strategie als erfolgreich erweisen, wäre das für die Region Lateinamerika ein echter Gewinn. Bislang haben neben Argentinien und Mexiko noch Ecuador, Chile, Costa Rica, Panama, El Salvador und die Dominikanische Republik ihre Teilnahme bestätigt. Für Argentinien wäre es zudem eine Bestätigung des kleinen bio-technologisch spezialisierten Marktes.
Nach argentinischem Recht sind Impfungen Teil der öffentlichen Gesundheitspolitik und -versorgung. Sie sind daher nicht nur gratis, sondern auch obligatorisch. 73 Prozent der Argentinierinnen und Argentinier sind der Meinung, man solle sich gegen Covid-19 impfen lassen. Laut einer aktuellen Umfrage vertrauen 54 Prozent der Impfung von AstraZeneca. Die russische Sputnik V kommt nicht ganz so gut an: Nur 43 Prozent würden sie als Impfung annehmen.
Gesundheitspolitik ist in Zeiten von Corona neben dem Schutz der Bevölkerung auch Machtpolitik und Imagepflege. Je schneller ein großer Teil der Bevölkerung geimpft ist, desto zügiger kann sich ein Land wirtschaftlich erholen. Für ein Land wie Argentinien mit Wirtschaftsflaute, einer 40-prozentigen Jahresinflation und hohen Auslandsschulden ist auch dies ein entscheidender Faktor.
Svenja Blanke leitet das Büro der FES in Buenos Aires sowie das Regionalprojekt Nueva Sociedad.
Kenia
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) appellierte Ende November an die internationale Gemeinschaft, den gleichberechtigten Zugang des afrikanischen Kontinents zu Covid-19-Impfstoffen sicherzustellen. Gleichzeitig forderte sie die afrikanischen Regierungen auf, sich auf die Impfung der Bevölkerung vorzubereiten. Kenia verzeichnet derzeit eine erhöhte Rate von Covid-19-Infektionen. Zwischen 10 und 15 Prozent aller Corona-Tests sind den letzten Wochen positiv, die Krankenhäuser sind an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen. Die andauernde Pandemie hat zudem zu einer sozialen und wirtschaftlichen Krise geführt. Insbesondere in den Städten hat die Armut rasant zugenommen. Nachdem man aus Furcht vor einer Verschlechterung der Konditionen für internationale Kredite zunächst nicht das Schuldenmoratorium der G20 in Anspruch nehmen wollte, folgte im November die Wende. Die kenianische Regierung wird das Moratorium nun doch in Anspruch nehmen. Schon seit längerer Zeit kämpft die größte Volkswirtschaft Ostafrikas mit einer zunehmend hohen internationalen Verschuldung. Die Mittel für Konjunktur- und Sozialprogramme zur Abfederung der Corona-Krise sind knapp. Angesichts der angespannten Haushaltslage Kenias ist es unwahrscheinlich, dass genügend Mittel für den schnellen Einkauf von Impfstoffen zu Marktpreisen zur Verfügung stehen werden. Ähnlich wie andere Länder des Kontinents ist auch Kenia daher auf eine faire globale Impfstoffverteilung angewiesen.
Nach Ansicht von John Nkengasong, Direktor des Africa Centre for Disease Control and Prevention, werden großangelegte Kampagnen zur Verteilung von Covid-19-Impfstoffen in Afrika wahrscheinlich erst im zweiten Quartal des nächsten Jahres beginnen. Die Euphorie angesichts der Vorstellung von neuen Impfstoffen hielt sich in Kenia entsprechend in Grenzen. Die internationale Impfallianz Gavi verkündete, sie habe nur Mittel für den Kauf von Impfstoffen für 20 Prozent der Bevölkerung Kenias. Damit es zu einer deutlichen Reduzierung der Infektionen kommt, müssten jedoch mindestens 60 Prozent der Bevölkerung geimpft werden. Ein weiteres Problem stellt die logistische Verteilung des Impfstoffes dar. In einigen Fällen ist eine dauerhafte Kühlung von -70 Grad bis zur Verabreichung nötig, was in Ländern wie Kenia außerhalb der Hauptstadt kaum zu gewährleisten ist.
Die G20 hat zwar auf ihrem jüngsten Gipfel versprochen, sich für eine gerechte Verteilung von Covid-19-Impfstoffen einzusetzen. Über die konkrete Ausgestaltung wurde bisher allerdings wenig bekannt. Ob die gerechte Verteilung von Impfstoffen in Ländern wie Kenia gelingen wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Es braucht fiskalpolitische Spielräume, um die Impflogistik aufzubauen; hier kommen der IWF und auch die G20 ins Spiel. Die WHO ist für eine Führungsrolle bei der Verteilung des Impfstoffes am besten positioniert. Ihre Arbeit bei der Bekämpfung der Ebola-Epidemie hat ihr große Glaubwürdigkeit auf dem afrikanischen Kontinent verschafft. Zum anderen wird es darauf ankommen, ob die afrikanischen Länder geschlossen auftreten und ihren Anspruch auf eine gerechte Impfstoffverteilung in multilateralen Foren gemeinsam einfordern.
Wenn die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie in afrikanischen Ländern nicht ebenso entschieden angegangen wird wie im globalen Norden, werden sich die Wirtschafts- und Verschuldungskrisen dort weiter verschärfen und verstetigen. Ungleichheiten und bestehende Wettbewerbsnachteile im globalen Handels- und Wirtschaftssystem werden sich weiter verschärfen. Vor diesem Hintergrund bietet die globale Verteilung des Impfstoffs auch eine Chance für die Konkretisierung einer gleichberechtigteren Zusammenarbeit zwischen der EU und Afrika. Eine solidarische Verteilung des Impfstoffes zwischen beiden Kontinenten wäre ein politisch wichtiges Signal. Sie könnte die von der EU in ihrer neuen Afrika-Strategie vorgeschlagene engere Partnerschaft stärken.
Jan Siebert ist Projektassistent im Büro der FES in Nairobi.
Serbien
Die Corona-Pandemie hat Serbien in der ersten Welle hart getroffen. Mit großem Tam-Tam wurde gleich zu Beginn eine chinesische Delegation am Belgrader Flughafen empfangen. Die europäische Solidarität, so der Staatspräsident Vucic zu dieser Gelegenheit, sei nur ein Märchen auf Papier, Hilfe und Unterstützung sei allein von Freund und Bruder Xi, dem chinesischen Staatspräsidenten, zu erwarten. Und in der Tat schien die serbische Führung dem Rat der chinesischen Experten zu folgen und legte das Land in einem harten Lock-Down von März bis Mai weitgehend lahm. Da mögen sich auch autoritäre Wunschträume Bahn gebrochen haben. Doch die Maßnahmen zeigten Wirkung und verhinderten, dass das ohnehin fragile Gesundheitssystem in die Knie gezwungen wurde.
Im Frühsommer allerdings wurde – wohl entgegen dem entschiedenen Rat der chinesischen Corona-Meister – dem verbreiteten Wunsch nach einer Öffnung der Wirtschaft stattgegeben. Den folgenden Anstieg der Zahlen verschleierte die Staatsführung durch Korrekturen in der Statistik. Das war auch den Vorbereitungen zu den Parlamentswahlen am 21. Juni geschuldet, die einen überwältigenden Sieg für die Regierungspartei Aleksandar Vucic‘ brachten, der nun keine Opposition mehr im Parlament zu dulden braucht. Unmittelbar nach den Wahlen wollte die Staatsführung zwar wieder auf eine härtere Gangart umschwenken, doch zunächst friedlicher Protest auf den Straßen der Hauptstadt und darauffolgend dreitätige gewalttätige Ausschreitungen vor dem Parlamentsgebäude sendeten ein klares Signal. Seitdem scheint sich die neue Regierung nicht mehr zuzutrauen, die längst fälligen Einschränkungen vorzunehmen. Kaffee, Cevapcici und Pflaumenschnaps können weiterhin in der Öffentlichkeit genossen werden, obwohl die Zahl der Neuinfizierten bei über 7 000 pro Tag liegt (das entspräche in Deutschland einem Wert von täglich mehr als 75 000 Neuinfizierten).
Rettung soll nun der Impfstoff bringen, der „koste es, was es wolle“ angeschafft werde, so der Staatspräsident. Bis Ende des Jahres sollen eine Million Dosen des Impfstoffs vorrätig sein und der Bevölkerung kostenlos zur Verfügung stehen, verspricht Aleksandar Vucic. Doch um welchen Impfstoff es sich handeln wird, bleibt im Dunkeln, die zuständige Behörde hat die Beschaffung zur Geheimsache erklärt. Öffentlichen Verlautbaren zufolge soll der Impfstoff von BioNtech und Moderna zum Einsatz kommen, doch auch mit Russland und China sei man im Gespräch. Serbien ist (wie 164 andere Staaten) Mitglied der Organisation Covax, die für die WHO einen weltweit gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen gewährleisten will. Früheren Ankündigungen, der chinesische Impfstoff solle auch in Serbien getestet werden, folgten bislang offenbar keine weiteren Schritte. So bleibt unklar, ob Serbien sich bei der Zulassung eines Vakzins an europäische Standards halten wird.
Max Brändle leitet das FES-Büro in Belgrad.