Die rechtskonservative  Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hat die Parlamentswahlen deutlich gewonnen. Was hat die Partei für die Polen so attraktiv gemacht?

Die Stärke der PiS ist vor allem die Schwäche der liberalen Bürgerplattform (PO). Es ist eine Abstrafung des liberalen Establishments, das als arrogant, wirtschaftsliberal und sozial unsensibel wahrgenommen wurde. Dem hat die PiS die Bestandsaufnahme „Polen ist in Trümmern“ entgegengestellt und sozialpolitische Ankündigungen gemacht, etwa die Rückkehr zur Rente mit 65 statt 67 Jahren, die Einführung eines Stundenmindestlohns von  12 Zloty sowie Verbesserungen für Kleinunternehmen. Der Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński hat sich selbst im Wahlkampf zumeist aus der ersten Reihe genommen, um polarisierende Momente zu vermeiden. Hinzu kommt die erfolgreiche Präsidentschaftskampagne, die als Blaupause für den Parlamentswahlkampf diente, und die von der Wahlsiegerin Beata Szydło geführt wurde. Die klare Ablehnung muslimischer Flüchtlinge, dieser Hinweis wird bei der christlich stark konservativen Partei in der Regel gemacht, wurde im Wahlkampf zwar zur Sprache gebracht, spielte aber keine vorrangige Rolle.

Das linke Parteienbündnis hat es nicht in den Sejm geschafft. Nach der liberalen PO zieht dafür die Anti-Establishment-Partei des Altrockers Pawel Kukiz in das polnische Parlament ein. Wie erklärt sich die Schwäche der Linken?

Nach den derzeitigen Umfragen scheitert das linke Parteienbündnis tatsächlich knapp an der für ein Parteienbündnis gesetzten Hürde von acht Prozent. Sinnbildlich für die Schwäche der Linken steht der Niedergang der einstigen Regierungspartei „Bund der Demokratischen Linken“ (SLD). Die Partei hat immer die Last der Vergangenheit mit sich getragen, aus einer kommunistischen Partei entstanden zu sein. Vor allem personell hat die Partei versäumt sich zu erneuern. Das hat zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen der Parteiführung und den Mitgliedern sowie den Wählern geführt. Nach den Wahlen ist klar: Die polnische Linke muss sich neu erfinden. Tatsächlich bewegt sich bereits einiges. Die junge, urbane, sozialdemokratische Linke hat sich in der neuen Partei „Razem“ formiert, die sich ganz klar gegen die alten Strukturen des SLD abgrenzt. Razem ist in den bisherigen Umfragen allein auf 3,9 Prozent gekommen.

In der Außenwahrnehmung geht es Polen gut in der EU, die Wirtschaft floriert. Wie erklärt sich so viel Zustimmung für rechten Populismus?

In der Tat geht es Polen makroökonomisch gut. Das Wachstum liegt bei über drei Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt bei unter zehn Prozent. Das Problem ist, dass viele Polen das Gefühl haben, nicht an diesem Erfolg teilzunehmen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist mit 20 Prozent sehr hoch, gerade die jungen Männer scheinen hier empfänglich für die nationalistischen Töne der PiS. Das frühere Renteneintrittsalter wiederum spricht die älteren Wähler an.

Nach dem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen im Mai 2015 von Andrzej Duda gewinnt nun wieder eine vormals eher unbekannte Politikerin, Beata Szydło , die Wahlen. Der Populismus ist also nicht einmal an Personen geknüpft wie etwa in Ungarn.

Am Wahlabend trat die Spitzenkandidatin der PiS Beata Szydło zusammen mit dem Parteichef Jarosław Kaczyński auf, und es war Kaczyński, der zuerst das Wort ergriff, um den Wahlsieg zu feiern. Allerdings würde ich vor den Analysen warnen, die Kaczyński nun immer als denjenigen beschreiben, der sowieso alle Strippen zieht. Man sollte das Veränderungspotential der PiS nicht unterschätzen. So hat die PiS zumindest plakativ eine personelle Veränderung vollzogen. Es ist zu früh, die Politik von PiS anhand der Person Kaczyński zu prognostizieren.

Mit welcher Politik müssen die Polen, muss die EU jetzt rechnen?

Sicher ist, dass es mit PiS keine Fortführung der Vertiefung der EU-Integration geben wird. Auch ein Beitritt zur Euro-Zone rückt für Polen nunmehr in sehr weite Ferne. Wie bereits beim Treffen zwischen Präsident Andrzej Duda und David Cameron herausgekommen ist, geht es für Polen um ein Europa der „Vaterländer“.  Andere Forderungen angesichts der Ukraine-Krise wie NATO-Stützpunkte in Polen sind keine spezifischen Programmpunkte der PiS sondern weitgehender polnischer Konsens. Man sollte nicht den Fehler begehen, die heutige PiS mit der vor zehn Jahren zu vergleichen. So haben anti-europäische oder gar anti-deutsche Stimmen im Wahlkampf so gut wie keine Rolle gespielt.

 

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