Dass internationale staatliche Nothilfe selbstlos sei, kann niemand ernsthaft behaupten. Hilfe gehört zur außenpolitischen Soft Power eines Landes. Sie erfolgt im Eigeninteresse und soll zum Imagegewinn führen. Dem helfenden Land winken Aufbauaufträge, zumindest dürfte das Empfängerland schneller wieder zahlungs- und konsumfähig werden. Geht Nothilfe mit der Entsendung von Militär einher, ist dies nicht nur eine Art Manöver, sondern auch Machtprojektion. Dabei kann auch das Militär einen Imagegewinn verbuchen. Selbst die eigene Bevölkerung lässt sich so leichter an militärische Auslandseinsätze gewöhnen.

All dies zeigt sich jetzt bei der internationalen Nothilfe in Folge des schweren Taifuns Haiyan in den Philippinen. Zu den großen Gewinnern zählen dort die USA und Japan. Im Gegensatz dazu ist China der Verlierer. Die Volksrepublik hat die sich ihr bietende Chance zum Image- und Vertrauensgewinn nicht genutzt und sich regelrecht blamiert. Daran haben auch Korrekturen nichts mehr geändert.

Die Volksrepublik hat die Chance zum Image- und Vertrauensgewinn nicht genutzt und sich regelrecht blamiert. Daran haben auch Korrekturen nichts mehr geändert.

Im Gegensatz dazu haben die Regierungen in Washington und Tokio nicht nur das unerwartet schwere Ausmaß der Katastrophe schnell richtig eingeschätzt, sondern auch gleich entschieden gehandelt. Beide sagten sofort große Summen finanzieller Hilfe zu: die USA zunächst 20 Millionen Dollar, Japan zunächst umgerechnet 10 Millionen. Und beide Regierungen schickten sofort ihr Militär auf den Weg und erhöhten später die Hilfszusagen weiter.

Japan mobilisierte 1.180 Soldaten und damit die bisher größte Zahl, die es je seit dem Zweiten Weltkrieg ins Ausland entsandte. Gegen solche Einsätze gibt es Verfassungsbedenken. Doch Japans rechtsnationalistischer Ministerpräsident Shinzo Abe will seine Bevölkerung schon lange an Auslandseinsätze der „Selbstverteidigungskräfte“ gewöhnen. Die Taifunkatastrophe kam da wie gerufen. Dabei ist Japans Militär ausgerechnet in Leyte und Umgebung, wo es im Oktober 1944 bei der größten Seeschlachten des Zweiten Weltkriegs vergeblich US-Truppen von der Landung abzuhalten versuchte, nicht in guter Erinnerung. Doch damit bietet sich jetzt auch eine Chance zur Imageaufbesserung.

Für die USA sind Militäreinsätze zur Nothilfe nicht ungewöhnlich. Sie schickten schon Flugzeugträger zum Verteilen von Hilfsgütern nach dem Tsunami 2004 vor Indonesiens Nordwestküste wie nach dem Tsunami 2011 vor Japans Nordostküste. Kein Land hat so umfassende schwimmende Lufttransportkapazitäten wie die USA. Sie klotzen mit ihrem Potential als Supermacht und ermöglichen oft erst den schnellen Zugang zu abgelegenen Gebieten. Die komplexen Luftoperationen sind ihnen zugleich ein willkommener Praxistest, machen das US-Militär mit abgelegenen Regionen vertraut und bringen dem dem Militär einen Imagegewinn.

Der jetzige Fall geht noch weiter: Vor zwei Jahren versprach US-Präsident Barack Obama den „Pivot to Asia“ – eine stärkere politische und militärische Hinwendung der USA nach Asien-Pazifik. Die USA drohen dort Einfluss an das aufsteigende China zu verlieren. Peking will den US-Einfluss in der Region auch gern beschränkt sehen. Als Obama im Oktober wegen des innenpolitischen Haushaltsstreits seine Teilnahme am Apec-Gipfel in Bali und dem Asean-Gipfel in Brunei absagte, wurde dies in der Region als blamable Schwäche gewertet.

Umso wichtiger war jetzt für Washington direkt nach der Katastrophe die Führung zu übernehmen und zu zeigen, dass für die Region die Präsenz der US-Marine sehr wohl mit positiven Auswirkungen verbunden ist.

Umso wichtiger war jetzt für Washington direkt nach der Katastrophe die Führung zu übernehmen und zu zeigen, dass für die Region die Präsenz der US-Marine sehr wohl mit positiven Auswirkungen verbunden ist. Das fällt in der früheren US-Kolonie Philippinen, wo die USA durchaus noch  bewundert werden, leichter als in anderen Ländern. In den 1990er Jahre mussten die USA dort ihre großen Militärstützpunkte aufgeben, nun meldeten sie sich mit einem Schlag als willkommene Retter zurück.

Chinas Präsident Xi Jinping brauchte fünf Tage, um dem philippinischen Präsidenten sein Mitgefühl für die Opfer auszusprechen. Chinas Regierung sagte den Philippinen anfänglich nur 100.000 Dollar Nothilfe zu.

Im Unterschied dazu hat China die sich durch die Taifunkatastrophe bietende politische Chance nicht genutzt. Chinas Präsident Xi Jinping brauchte fünf Tage, um dem philippinischen Präsidenten sein Mitgefühl für die Opfer auszusprechen. Chinas Regierung sagte den Philippinen anfänglich nur 100.000 Dollar Nothilfe zu, für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ein blamable Summe. Daran ändert auch das chinesische Argument nichts, die Volksrepublik habe schließlich selbst acht Tote und einige Schäden durch den Taifun zu beklagen. Vielmehr entstand der Eindruck, Peking wolle den Philippinen nicht wirklich helfen. Beide Länder streiten erbittert über Inseln im Südchinesischen Meer.

In China ist die öffentliche Meinung, wie sie sich im Internet und in Umfragen äußert, tatsächlich deutlich gegen Hilfe für die Philippinen. Dabei hätte gerade hier chinesische Großzügigkeit Vertrauen schaffen können. Die Entsendung chinesischer Soldaten wäre sicher nicht willkommen gewesen. Doch China verfügt über ein modernes Hospitalschiff mit 300 Betten und acht Operationsstationen. Das hätte schnell von Shanghai aus die Philippinen erreichen können. Es wäre auch ein positiver ziviler Kontrast zum atomgetriebenen Flugzeugträger der USA gewesen. Doch wurde das Hospitalschiff erst nach massiver internationaler Kritik und mit fast zweiwöchiger Verspätung angeboten.

Ähnlich sah es mit finanzieller Unterstützung aus: Peking erhöhte seine mickrige Hilfe erst nach sechs Tagen auf 1,6 Millionen Dollar. Damit blieb das große China immer noch hinter westlichen Konzernen wie Ikea (2,7 Millionen Dollar) oder Coca Cola (2,5 Millionen) zurück.

Ein Kommentar in der KP-Zeitung Global Times forderte, die Entsendung von Militärs anzubieten, wie dies auch die USA und Japan gemacht hätten. Dann würde sich ja zeigen, ob Manila wirklich an Hilfe interessiert sei.

Weitere drei Tage später bot Peking noch die Entsendung von Ärzteteams an. Doch blieben Details völlig unklar, womit an eine schnelle Entsendung unwahrscheinlich ist. Ein Kommentar in der nationalistischen KP-Zeitung Global Times forderte, den Philippinen die Entsendung von Militärs anzubieten, wie dies auch die USA und Japan gemacht hätten. Dann würde sich ja zeigen, ob Manila wirklich an Hilfe interessiert sei. Der Vorschlag zielte offenbar mehr darauf, Manila einen Schwarzen Peter zuzuspielen als wirklich sinnvoll helfen zu wollen.

Für eine Regierung, die meint, die USA seien in Asien überflüssig, war Pekings Reaktion auf die Katastrophe sehr kurzsichtig. Von Führung war nichts zu spüren, erst recht nicht im Vergleich zur Reaktion Washingtons. Zwar ist die Beteiligung an internationaler Nothilfe für China recht neu und hält es auch weiter das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten offiziell hoch. Zudem nimmt China auch selbst kaum internationale Hilfsangebote  an. Doch zeugt die Anschaffung des Hospitalschiffes wie dessen kürzlich beendete viermonatige Auslandstour vom Bewusstsein für die Notwendigkeit, das eigene Image durch Hilfe zu verbessern. Umso erschreckender ist das jetzige Verhalten, das einem Rückfall in alte Zeiten gleichkommt. Zumindest in den Philippinen dürfte damit für lange Zeit das Misstrauen gestärkt worden sein.