Jeder, der Ban Ki-moon einmal persönlich erlebt hat, konnte nicht umhin, leicht desillusioniert zu sein. Die Ausstrahlung des aus Südkorea stammenden achten UN-Generalsekretärs wirkte auch nach zehn Jahren an der Spitze der UN im besten Fall so weit wie seine Arme.

Schon zu Beginn seiner Amtszeit im Januar 2007 war klar, dass Ban kein zweiter Kofi Annan werden würde. Dieser hatte sich durch seine sanften Töne und sein Talent, mit den Mächtigsten der Welt auf Augenhöhe zu verhandeln, den Ruf eines Bilderbuchdiplomaten errungen. Mit seinen in Würde ergrauten Haaren erinnerte er gegen Ende seiner Amtszeit an einen säkularen Papst. Die UN standen zu seiner Zeit zwar oft in der Kritik, aber sie waren immerhin selbstverständlich im Gespräch und wurden als einer der Big Player ernstgenommen.

Wie wird man Ban nach dem Ende seiner Amtszeit zum Jahreswechsel in Erinnerung behalten? Sicherlich als fleißig; als jemanden, der sich mit seinem Amt und Tun nicht gebrüstet, sondern ganz in den Dienst der Organisation gestellt hat.

In den zurückliegenden zehn Amtsjahren hat Ban unzählige Konferenzen eröffnet, ist in hunderte von Krisengebieten gereist, hat zahlreiche Meetings pro Tag zu den unterschiedlichsten Themen in gleichbleibender Konzentration durchgestanden, kaum Urlaub gemacht und stets die Verantwortung für alles übernommen, auch für mehrere hunderte von Berichten, die in seinem Namen der Welt vorgestellt wurden.

Er war Personalchef  eines Heeres von Bediensteten, 40 000 weltweit, die er motivieren, denen er (ab und an) zuhören und die er oft über Gebühr fordern musste. Und er musste die UN-Familie als Ganzes mit ihren knapp 60 Sonderorganisationen, Fonds und Programmen im Auge behalten und koordinieren.

Ban hat die Weltorganisation verwaltet. Aber leider nicht besonders gut, wenn man Kritikern aus dem „Inner Circle“ Glauben schenken kann.

Ban hat die Weltorganisation verwaltet. Aber leider nicht besonders gut, wenn man Kritikern aus dem „Inner Circle“ Glauben schenken kann. So sah Inga-Britt Ahlenius in ihrem Abschlussbericht als Leiterin des Amtes für Interne Aufsichtsdienste die UN unter Bans Leitung „irrelevant werden“. Auch der hochrangige Mitarbeiter Anthony Bradbury verließ die Organisation nach 30 Jahren Anfang 2016 in großer Unzufriedenheit. Bradbury erlebte die UN in den letzten Jahren als dysfunktional, als nicht in der Lage, rechtzeitig mit dem richtigen Personal auf Krisen zu reagieren.

Anders Kompass, der als langjähriger UN-Mitarbeiter sexuellen Missbrauch bei französischen Blauhelmen in der Zentralafrikanischen Republik aufdeckte und die Vorwürfe an die französischen Behörden weiterleitete, ging ebenfalls im Unfrieden – nach einer Suspendierung.

Als Stimme des Weltgewissens und oberster Friedenswahrer war der Südkoreaner nicht sonderlich erfolgreich. In den schweren Konflikten der vergangenen Jahre, im Irak, in Syrien, Jemen und in der Ukraine, spielten die UN, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle. Am syrischen Bürgerkrieg haben sich bisher drei seiner Unterhändler vergeblich abgearbeitet, selbst der sonst so erfolgreiche Kofi Annan. Im Fall der Krim-Annexion hat der Generalsekretär gar nicht erst versucht, Einfluss zu nehmen – zumindest nicht offiziell. Wie auch? Russland hatte sich als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat jegliche Einflussnahme verbeten. Gleiches gilt für den Bürgerkrieg in Syrien.

Vielleicht hat Ban erkannt, dass er und seine Organisation auf den großen Kriegsschauplätzen nicht viel ausrichten können. Ban und seine Sondergesandten haben nicht viel außer Verhandlungsgeschick und den Verweis auf die Charta der Vereinten Nationen. Das aber ist nicht genug, um Krisen friedlich lösen zu können, in denen ein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats vitale Interessen vertritt – oder das, was es dafür hält. Daher hat Ban sich anderen Themen zugewandt. Wichtigen, aber weniger spektakulären: etwa der 2030-Agenda für nachhaltige Entwicklung und Klimawandel. Bans Rolle bei der Aushandlung der 2030-Agenda und des Klimavertrags in Paris ist nicht geringzuschätzen.

Eine andere Herzensangelegenheit, zumindest zu Beginn, war das Thema Gleichstellung. In seiner Amtszeit kamen mehr Frauen in hochrangige Positionen als jemals zuvor. In Bans Zeit fiel die Neugründung von „UN Women“, fusioniert aus vier mit Genderfragen befassten Institutionen. Auch in seinem Team von Sonderbeauftragten fanden sich nach und nach immer mehr Frauen ein, zu gewissen Zeiten war knapp ein Drittel weiblich. Leider hielt dieser Trend nicht lange an: Im vergangenen Jahr ernannte Ban 22 Männer und nur zwei Frauen als Untergeneralsekretäre.

Als Stimme des Weltgewissens und oberster Friedenswahrer war der Südkoreaner nicht sonderlich erfolgreich.

Auch den Minderheitsschutz hatte sich Ban auf die Fahnen geschrieben. Schon  2010 sprach er sich für gleiche Rechte und Schutz vor Diskriminierung für Lesben, Schwule, Bi-, Transsexuelle Menschen (LGBT) aus. Im Juni 2016 konnte gegen den Widerstand der islamischen und anderer Staaten eine Resolution im Menschenrechtsrat und ein Sonderberichterstatter durchgesetzt werden.

Klimawandel, LGBT und ein bisschen Frauen: Wird das sein Erbe sein? Was ist mit dem Kampf gegen den Terrorismus, die Ächtung von Nuklearwaffen, die Lösung der Flüchtlingsproblematik, der Neuordnung der Entwicklungszusammenarbeit, der Reform der Friedenssicherung, einer effizienteren Personalpolitik, dem besseren Schutz von Whistleblowern, der wirksamen Prävention sexueller Übergriffe durch Blauhelme, der Entschädigung der Cholera-Opfer in Haiti? Die Liste der unerledigten Aufgaben ist lang.

Bis auf die Schaffung einer neuen Abteilung im Bereich „Peacekeeping“ zu Beginn seiner Amtszeit hat Ban kaum wegweisende Initiativen ins Leben gerufen oder Reformen durchgedrückt. Die Gründung eines wissenschaftlichen UN-Beirats und die Kampagne „Rights up Front“ zählen da schon zu den bekannteren Initiativen.

Doch vor allem hat Ban die Vereinten Nationen der Weltöffentlichkeit nicht als das präsentiert, was sie sind: unentbehrlich bei der Lösung globaler Probleme. Das Wirtschaftsmagazin Forbes setzte ihn 2015 auf Platz 40 der einflussreichsten Personen weltweit. In der aktuellen Liste des Jahres 2016 ist er gar nicht mehr aufgeführt. Sollte der Leiter der größten internationalen Organisation nicht fast automatisch in die Top Ten vorstoßen?

Fast noch schlimmer: Ban Ki-moons Kampf für die Armen und Geschundenen dieser Welt hat ihm kaum jemand wirklich abnehmen können. Selbst flammende Appelle – auch nach zehn Jahren New York in einem schlecht zu verstehenden Englisch vorgetragen – gegen Gewalt und Menschenrechtsverletzungen verhallten meist ungehört. Vielleicht ist Bans Wirkungslosigkeit auch ein Zeichen für den schleichenden Niedergang der Marke „Multilateralismus“. Zu hoffen ist es nicht.

Ban Ki-moon wird als ordentlicher, fleißiger, aber wenig innovativer Verwalter des Sachstands in die Geschichte eingehen. Als nicht mehr und nicht weniger. Vor allem aber als nicht mehr – und das ist zu wenig.