Natürlich muss man eine Regierung nicht immer dämonisieren, nur weil sie nicht in die eigene politische Linie passt. Natürlich muss man einzelne Politikmaßnahmen – selbst von Politikern wie Trump – differenzieren und kann einzelne Projekte gut finden. Und vielleicht tut es der Welt auch gut, wenn die Bastion des Neoliberalismus, die USA, welche über Jahrzehnte hinweg anderen Ländern Liberalisierung, Deregulierung und den Wegfall der Zölle vorgeschrieben hat, nun diese vermeintlichen Wahrheiten selbst in Frage stellt.

Eine ganze Generation von Ökonomen wurde  durch die Theorie der Neoklassik, die Chicago-Schule - ein schlanker Staat, ein freier Markt und möglichst wenig bis gar keine Handelshemmnisse würde allen Menschen das Glück auf Erden bringen – gezerrt.

Gegenströmungen waren marginalisiert und linke Wirtschaftstheoretiker wie die Keynesianer wurden weder anerkannt noch angewandt. Viele Entwicklungsländer, die von internationaler Finanzierung abhängig sind, befanden und befinden sich in den Klauen des neoliberalen Paradigmas und mussten Zölle abbauen, selbst wenn die eigene nationale Expertise dagegen sprach. Ist es da nicht zu begrüßen, wenn plötzlich aus der gleichen Weltregion nicht nur die Rhetorik des schamlosen Neoliberalismus zum Erschlaffen kommt, sondern sogar direkt Tatsachen geschaffen werden und hohe Zölle in maßgeblichen Sektoren wieder aufgebaut werden?

So einfach ist es nicht. Und der europäischen Linken vorzuwerfen, <link kommentar artikel machs-mit-2632>sie reagiere nur deswegen so scharf auf Trumps neue Handelspolitik, weil sie eben von Trump komme, ist schlichtweg falsch. Sein plumper Protektionismus basiert auf völlig verfehlten Prämissen, die niemand als adäquate Antwort auf die liberale Ideologie der vergangenen Jahrzehnte verstehen sollte.

 

Die vermeintliche Rettung der Industriearbeiter  

Es wäre naiv zu glauben, Trumps Zölle würden die Stahlproduktion und damit Arbeitsplätze in die USA zurückholen. Geradezu höhnisch ist der Gedanke, Trump würde die Industriearbeiter schützen wollen. Vielmehr sind aktuelle Arbeitsplätze, die an der Verarbeitung von importiertem Stahl hängen, in Gefahr, als dass Arbeitsplätze geschaffen würden mit dem Versuch einer Wiederbelebung der amerikanischen Stahlproduktion. Ein hoch entwickeltes Land wie die Vereinigten Staaten wäre gut beraten in Arbeitsplätze für die Verarbeitung und technologie-intensive Fertigung zu investieren, statt in die weniger komplexe, kapitalintensive Rohstoffproduktion. Die USA sind gut im Maschinenbau, in Energietechnologien, Entwicklung und Forschung.

Wie absurd die Idee anmutet, Trump handele im Interesse der amerikanischen Arbeitnehmer, wird deutlich, wenn man sich die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik des ersten Jahres seiner Präsidentschaft ansieht. Dieses war vor allem geprägt durch eine drastische Kürzung des Etats des Arbeitsministeriums um mehr als 20 Prozent, durch einen Abbau der Überreste der Sozialprogramme und durch massive Steuersenkungen für die Reichen. Angefangen hat der Feldzug gegen die Arbeiterschaft mit der Nominierung des Fast-Food-Managers  Andrew F. Puz  zum Arbeitsminister. Dieser hatte nicht-registrierte Migranten in der Öffentlichkeit als Kriminelle bezeichnet, allerdings selbst Hausangestellte aus dieser Gruppe beschäftigt. Schließlich wurde er doch nicht zum Arbeitsminister ernannt und das Ministerium blieb monatelang unbesetzt. Unbemerkt blieb, dass in der Zwischenzeit die Erhöhung der Überstundenlöhne abgeschafft wurde, Trinkgelder nun an die Besitzer, statt die Beschäftigten abgeführt werden und die Sicherung von Lohnzahlungen in vielen Gewerben abgeschafft, Tarifverhandlungen blockiert wurden. Richard Trumka, der Präsident des amerikanischen Gewerkschaftsdachverbandes, konstatierte <link regionen nordamerika artikel detail trump-hat-die-arbeiter-enttaeuscht-2236>Trump habe die amerikanischen Arbeiter enttäuscht und verließ aus Protest das Beratergremium des Präsidenten.

 

Industriepolitischer Quatsch

Stahlimporte betragen lediglich zwei Prozent aller Güterimporte in die USA. Es ist verfehlt, zu glauben, dass Trump hiermit endlich China und der EU eine Maßregelung erteilen würde, da die USA unter deren Exportüberschuss leide. Es sind Mexiko, Kanada und Brasilien, die die meisten Stahleinfuhren in die USA verzeichnen. Ausgerechnet diese Staaten werden vermutlich von den Zöllen ausgenommen.

Industriepolitisch sind es zwei Schritte rückwärts, was die US-Regierung gerade unternimmt. Um eine Re-Industrialisierung in Angriff nehmen zu wollen, müssen entwickelte Nationen ihre komparativen Vorteile nutzen. Die sind in den USA nicht gerade die niedrigen Lohnkosten und Rohstoffe. Sondern im Gegenteil: qualifizierte Arbeitskräfte, technologisches Kapital und Forschung und Entwicklung. Dies haben die ostasiatischen Tigerstaaten (Korea, Hongkong, Singapur)  bereits vor Jahrzehnten erkannt und in Qualifizierung der Arbeitskräfte und Hochtechnologie investiert. Folgte man dem Wunsch der Re-Industrialisierung müsste man also den Import von I-phones und Computern mit Zöllen belegen – ein Vorschlag, der ebenso im Weißen Haus diskutiert wird. Der Elektroniksektor ist einer der hauptverantwortlichen Sektoren, die das andauernde Handelsbilanzdefizit der USA verursachen und in denen die Vereinigten Staaten derzeit nicht wettbewerbsfähig sind. Bestenfalls werden die Zölle den Dollar stärker werden lassen, was wiederum den Import amerikanischer Güter unattraktiver machen, und daher den anderen, tatsächlich wettbewerbsfähigen Sektoren schaden würde.

Viel gerechtfertigter wäre eine solche Politik in verwundbaren Entwicklungs- und Schwellenländern, die in der Aluminium und Stahlproduktion komparative Vorteile haben, außer Textil kaum andere Produkte anzubieten haben und sich tatsächlich vor dem billigen Stahl Chinas kaum schützen können. Eine solche Politik wird bereits  seit Jahren von Ökonomen wie Joseph Stiglitz und Dani Rodrik empfohlen – die Internationalen Finanzinstitute halten diese jedoch fest in ihren Liberalisierungs-Zangen.

 

Staatskapitalismus ist nicht die Lösung

„Mach’s mit!“ wurde der europäischen Linken vorgeschlagen. Daraus sollte aber keinesfalls abgeleitet werden, Protektionismus und Staatskapitalismus sei eine geeignete Reaktion auf den Neoliberalismus. Stattdessen haben Teile der europäischen Linken unlängst Vorschläge erarbeitet, wie ein fairer Welthandel aussehen könnte. Man könnte beispielsweise EU-Handelsabkommen mit historisch nicht vergleichbar hohen  Arbeits- und Umweltstandards ausstatten, die verpflichtend sind. Ein Vorschlag Bernd Langes, dem Handelsausschussvorsitzenden des Europäischen Parlamentes, fordert Sanktionen ein, wenn die Kernarbeitsnormen oder beispielsweise Mindestlöhne nicht eingehalten werden.

Eine solche Handelspolitik würde Gewerkschaftsfreiheit garantieren  und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Lage versetzen, ihre Rechte vor beiden Staaten (EU und Partnerland) einzuklagen. Ebenso würden internationale Umwelt- und Klimaabkommen aufgewertet und gefördert werden.

Dies ist auch ein Ergebnis der großen Bündnis-Proteste, die unter der Kritik der Mega-Handelsabkommen wie TTIP zusammengefunden haben. Linke Kräfte haben hier eine differenzierte Haltung gegenüber der komplizierten Sachlage im internationalen Handel gezeigt. Keiner der Protestierenden hätte wohl anstatt TTIP Strafzölle auf Stahl gefordert.

Ein kritischer und differenzierter Blick bleibt umso wichtiger, als dass die aktuelle Politik der USA keineswegs als konsistent betrachtet werden kann. So verfolgen die USA im Bereich des e-Commerce eine aggressive Liberalisierung und Deregulierung, und liegen hier mit 600 Milliarden US-Dollar Umsatz im digitalen Handel weltweit vorne. Amazon und Facebook werden verhätschelt und ihre grenzüberschreitenden Datenanhäufungen unterstützt, die die Grundlage für eine Big-Dataökonomie legen. Hier sieht die Europäische Linke dringend Handlungsbedarf.