Noch immer habe ich das bewegende Bild vor Augen, wie sich Palästinenserführer Yassir Arafat und der israelische Premierminister Yitzhak Rabin an einem Septembertag 1993 die Hand reichten. Wir sind, so damals Yitzhak Rabin, „dazu bestimmt, auf dem gleichen Boden und der gleichen Erde zu leben“. Zwanzig Jahre später sind diese Archivbilder leider nur noch eine Erinnerung. Die beiden Hauptakteure leben nicht mehr und mit ihnen ist auch die große Hoffnung auf Frieden, die sie geweckt hatten, verschwunden.
Die Ermordung des israelischen Premierministers im Jahr 1995, die dem Friedensprozess den ersten Stoß versetzte, die blutigen Anschläge auf israelische Städte, das Scheitern von Camp David und Taba, die zweite Intifada, der Bau der Sperranlage, die Fortsetzung der Siedlungspolitik, die das Ziel eines souveränen Palästinenserstaates mit jedem Tag in größere Ferne rücken lässt, die nicht enden wollenden Kriege in Gaza und schließlich die neue Spirale der Gewalt in diesem Sommer, die sich vor unseren Augen weiter dreht: Der Friedensprozess von Oslo liegt nach wie vor brach und die Hauptleidtragenden sind unschuldige Zivilisten.
Gefährlicher Status quo
Diese Tragödie hat Auswirkungen bis nach Europa. Auch hier nährt das Andauern des Konflikts Vermengungen und Instrumentalisierungen der schlimmsten Sorte, die wir auf unserem der Toleranz verpflichteten Kontinent nicht dulden können. Die schreckliche Spirale von Gewalt und Gegengewalt muss ein Ende haben.
Der Status quo ist unhaltbar und gefährlich, davon bin ich überzeugt. Der permanente Kriegszustand nützt nur den Extremisten. Diese Auffassung wird weit über französische und europäische Parlamentarierkreise hinaus bis nach Israel geteilt, wo Persönlichkeiten wie Shimon Peres, Avraham Burg oder Elie Barnavi dies ebenfalls mit Sorge sehen.
Die Entschließung zur Anerkennung Palästinas, die von der französischen Nationalversammlung am 2. Dezember mit breiter Mehrheit verabschiedet wurde, entspringt dem kollektiven Willen, einen Beitrag zu einer Friedensbewegung zu leisten, die hoffentlich sowohl in Europa als auch im Nahen Osten weiter an Bedeutung gewinnen wird. Der Text ruft die französische Regierung dazu auf, den Staat Palästina anzuerkennen, um eine endgültige Lösung des Konflikts zu erreichen.
Untätig zu bleiben bedeutet, das Feld den Extremisten zu überlassen, die von der Fortsetzung des Krieges profitieren.
Während unserer Debatten wurden Stimmen laut, die diese Entschließung für verfrüht und daher für unangebracht hielten. Ich glaube dagegen, dass sie für die Menschen, die in diesem Konflikt Opfer zu beklagen hatten und haben, zu spät kommt. Untätig zu bleiben bedeutet, das Feld den Extremisten zu überlassen, die von der Fortsetzung des Krieges profitieren. Angesichts des Scheiterns des Friedensprozesses muss man hier von schuldhafter Gleichgültigkeit und tödlicher Untätigkeit sprechen. Die Lösung ist hinlänglich bekannt und bereits seit 1993 Gegenstand eines Abkommens der beiden Parteien und der gesamten internationalen Staatengemeinschaft: die gegenseitige Anerkennung zweier Staaten, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben. Wie kann es sein, dass ein so breiter Konsens nie umgesetzt wird?
Verantwortung für den Frieden
Selbstverständlich sind allein die Konfliktparteien in der Lage, Frieden zu schließen. Ich weiß, dass dies ihr Wunsch ist, denn dieser Krieg ist zermürbend. Ich weiß auch, wie schwierig dies ist und wie viel Intelligenz und Mut es erfordert. Frankreich hat gemeinsam mit seinen europäischen Partnern die Pflicht, seine Stimme zu erheben und jegliche Hassrhetorik, egal wo, entschieden abzulehnen.
Aufgrund seiner Geschichte, seiner Werte, seiner Verbundenheit mit den Völkern des Nahen Ostens, aber auch als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates trägt Frankreich Verantwortung für Frieden und Stabilität in der Region. Unser Land war einer der ersten und glühendsten Verfechter der Aufnahme Israels in die Staatengemeinschaft.
Unser Ziel muss es ein, dass die gesamte internationale Staatengemeinschaft das Recht beider Staaten – des israelischen und des palästinensischen – auf eine Existenz in Frieden und Sicherheit anerkennt.
Als Europäerin weiß ich, dass Frieden nur über den langwierigen und schwierigen Verhandlungsweg erreicht werden kann. Ich bin der Ansicht, dass eine Anerkennung des palästinensischen Staates durch die europäischen Staaten zur Wiederaufnahme der Verhandlungen beitragen kann, um so endlich zum Frieden zu führen. Dieser Schritt könnte die gegenseitige Anerkennung zwischen Israel und Palästina begünstigen, die, wie wir wissen, die beste Garantie für einen dauerhaften Frieden ist.
Unser Vorstoß ist demnach lediglich als Unterstützung der Bemühungen der französischen Außenpolitik in dieser Richtung zu verstehen. Ich bin davon überzeugt, dass unsere diplomatischen Anstrengungen für die Annahme einer konsensfähigen UN-Resolution und die geplante internationale Konferenz, die vom französischen Außenminister Laurent Fabius angeregt wurde und auch den Rückhalt von Präsident François Hollande hat, diese Verhandlungen begleiten und, so hoffe ich, die arabischen Staaten, die dies noch nicht getan haben, davon überzeugen könnten, Israel anzuerkennen. Unser Ziel muss es ein, dass die gesamte internationale Staatengemeinschaft das Recht beider Staaten – des israelischen und des palästinensischen – auf eine Existenz in Frieden und Sicherheit anerkennt. In diesem Kontext hat die Europäische Union meines Erachtens eine ganz wesentliche Rolle zu spielen. Die ersten Erklärungen der Hohen Vertreterin, Federica Mogherini, bezüglich ihrer Hoffnung auf eine Anerkennung des palästinensischen Staates, gehen in die richtige Richtung.
Mit unserer Entschließung wollen wir Alarm schlagen, damit es morgen nicht zu spät ist. Es ist eine Geste für den Frieden.
6 Leserbriefe
Dr. Margarete Blank-Mathieu
Wenn die EU sich einer Anerkennung Palästinas nähert, bedarf es aber zugleich einem glasklaren NoGo gegenüber den fanatischen Akteuren der Gewalt auf beiden Seiten.
Der Schlüssel zum diplomatischen Erfolg liegt hier: die Mehrheit auf beiden Seiten hat genug von der ewigen mörderischen Gewaltspirale. Eine Anerkennung ist ein erster wichtiger und richtiger Schritt.
Es ist gut, dass diese Initiative aus Frankreich kommt. Wir Deutsche sind leider immer noch in der historischen Polarisationsfalle.
Avec saluer sympathique après France
Martin Stamer
Inhaber EuroChess Zentrale
Heinrich-Horn-Str. 12
53639 Königswinter
www.eurochess.de
eurochess@aol.com
Gerade Frankreich und Großbritanien, die lange Verantwortung getragen haben sich sehr rar gemacht. Die USA, die sich in diesem Fall redlich mühten, haben die Nase voll. Auch Deutschland wird es nicht schaffen. Was nur geht, es muss aus beiden Völkern kommen, der Wunsch nach echten Frieden, echter Partnerschaft. Aber da sind wir wohl noch Jahrzehnte voraus im Denken.
Es wäre endlich an der Zeit das nun auch Deutschland den Staat Palästina anerkennt,auch wenn das zu großen Verstimmungen mit Israel führen würde.Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung wäre auf jeden Fall für eine 2 Staatenlösung.
Hans Kibo
Hamburg